Bauprodukte und Bauarten – worauf der Errichter zu achten hat
Der EuGH erklärte die bis dahin angewandte deutsche Regelung und Verwaltungspraxis in Bezug auf harmonisierte Bauprodukte für unionsrechtswidrig, was einen vollständigen Umbau des nationalen Bauproduktenrechts in der MBO notwendig machte
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22.10.2019
Die Musterbauordnung (MBO) wurde im Jahr 2016 umfassend überarbeitet und mittlerweile in den meisten Bundesländern in die jeweilige Landesbauordnung überführt. Gegenstand der Neufassung der MBO waren die Regelungen zu Bauprodukten und Bauarten. Welche Auswirkungen diese Neuregelungen auf die Praxis der Errichter hat, soll nachfolgend dargestellt werden.
Anlass und Gegenstand der Neufassung
Anlass der Neufassung der MBO 2016 war ein Urteil des EuGH (vom 16.10.2014 – Rs. C-100/13), das sich mit dem Verhältnis des europäischen Bauproduktenrechts zum nationalen Bauproduktenrecht beschäftigt. Der EuGH erklärte die bis dahin angewandte deutsche Regelung und Verwaltungspraxis in Bezug auf harmonisierte Bauprodukte für unionsrechtswidrig. Dies machte einen vollständigen Umbau des nationalen Bauproduktenrechts in der MBO notwendig. Insbesondere wurden die Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten auch in Abgrenzung zur Bauart neugefasst.
II. Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten
1. Gegenstand des Bauproduktenrechts und Regelungssystematik
Das Bauproduktenrecht befasst sich in erster Linie mit dem Verfahren, nach dem Bauprodukte vom Hersteller geprüft und gekennzeichnet werden müssen. Dies ermöglicht den Verwenden (Planern und Errichtern) sowie den Bauaufsichtsbehörden auf verlässliche Informationen über die Leistungseigenschaften eines Bauproduktes zurückgreifen zu können.
Dieses „verfahrensbezogene“ Bauproduktenrecht teilt sich in das europäische Bauproduktenrecht und das nationale Bauproduktenrecht, während Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten ausschließlich im nationalen Bauordnungsrecht geregelt sind. Diese nationalen Verwendungsanforderungen umfassen sowohl formelle (z.B. die ordnungsgemäße Kennzeichnung des Produktes zum Zeitpunkt des Einbaus), als auch materielle Aspekte (z.B. Anforderungen an das Brandverhalten eines Bauproduktes für eine bestimmte Verwendung).
Auf europäischer Ebene enthält die Europäische Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) Anforderungen an Handel mit sog. harmonisierten Bauprodukten. Die EU-BauPVO kommt immer zur Anwendung, wenn ein Bauprodukt von einer technischen Spezifikation, d.h. einer harmonisierten Norm oder einem Europäischen Bewertungsdokument, erfasst ist. In allen anderen Fällen sind die Bauprodukte nicht harmonisiert und das jeweilige Prüf- und Kennzeichnungsverfahren richtet sich nach dem nationalen Recht. In der MBO enthalten die §§ 21 ff. MBO entsprechende Vorschriften. Die materiellen Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten ergeben sich aus der gesamten MBO, welche u.a. durch die Technischen Baubestimmungen konkretisiert wird.
2. Bedeutung für den Errichter
Für den Errichter ist dies insoweit von Bedeutung, wie er Bauprodukte nur verwenden darf, wenn sie ordnungsgemäß gekennzeichnet sind. Dies ergibt sich sowohl aus der MBO, als auch mittelbar aus seinen werkvertraglichen Verpflichtungen. Gemäß §§ 79, 80 MBO kann die Bauaufsichtsbehörde bauordnungsrechtliche Maßnahmen (z.B. die Baueinstellung) anordnen, wenn die bauliche Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wird. Hierzu zählt auch, dass Bauprodukte verwendet werden, die vorschriftswidrig nicht mit dem Ü-Zeichen oder dem CE-Kennzeichen versehen sind. Gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 9 MBO stellt dies für den Errichter (dort als „Unternehmer“ bezeichnet) sogar eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Zudem ist der Errichter gemäß § 55 MBO verpflichtet, die Abschrift der Leistungserklärung auf der Baustelle bereitzuhalten. Die Missachtung dieser Pflichten kann daneben dazu führen, dass die Leistung des Errichters im werkvertraglichen Sinn mangelhaft ist und der jeweilige Auftraggeber Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Hierzu genügt u.U. bereits, dass die verwendeten Bauprodukte nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet sind (so LG Mönchengladbach, Urt. v. 17.06.2015 – 4 S 141/14).
Zur Vermeidung von Haftungsrisiken sollte der Errichter deshalb jedenfalls prüfen, ob die von ihm verwendeten Produkte die erforderliche Kennzeichnung aufweisen sowie ob eine Abschrift der Leistungserklärung bereitzuhalten ist. Zudem gehört es zu den vertraglichen Obliegenheiten des Errichters, gegenüber seinem Auftraggeber Bedenken anzumelden, wenn er erkennt oder aufgrund seiner Fachkenntnisse erkennen muss, dass sich das vom Planer ausgewählte Bauprodukt für die geplante Verwendung nicht eignet. Hierzu kann die Durchsicht der Abschrift der Leistungserklärung geboten sein.
3. Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten in der MBO
Verwendung von harmonisierten Bauprodukten
Anforderungen an die Verwendung harmonisierter Bauprodukte regelt § 16c MBO. Danach dürfen Bauprodukte, die aufgrund der EU-BauPVO mit dem CE-Kennzeichen versehen sind, verwendet werden, wenn sie den materiellen Anforderungen der MBO genügen. Der Errichter sollte prüfen, ob es sich bei dem jeweiligen Bauprodukt im ein solches harmonisiertes Bauprodukt handelt und ob es mit der CE-Kennzeichnung versehen ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus den harmonisierten Normen und Europäischen Bewertungsdokumenten, die im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Handelt es sich um ein harmonisiertes Bauprodukt, muss der Errichter die zugehörige Abschrift der Leistungserklärung außerdem auf der Baustelle bereithalten können. Zudem kann die Abschrift der Leistungserklärung darauf hinweisen, dass sich das vom Planer ausgewählte Bauprodukt für die konkrete Verwendung nicht eignet. Hat der Errichter dies erkannt oder muss er dies aufgrund seiner Fachkenntnisse erkennen, kann er gehalten sein, seine Bedenken gegen die Verwendung gegenüber seinem Auftraggeber mitzuteilen, um insoweit eine spätere Gewährleistungshaftung auszuschließen.
Verwendung von nicht harmonisierten Bauprodukten
Die Verwendung nicht harmonisierter Bauprodukte richtet sich nach § 16b MBO. Danach dürfen Bauprodukte nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die bauliche Anlage während einer angemessenen Zeitdauer die Anforderungen der MBO bzw. der auf der MBO gründenden Verordnungen oder Technischen Baubestimmungen erfüllen und gebrauchstauglich sind. Dass das Produkt grundsätzlich geeignet ist, wird in der Regel durch die herstellerseitige Kennzeichnung des Produktes mit dem Ü-Zeichen ausgedrückt, während die materielle Eignung individuell vom Verwender geprüft werden muss.
Sofern es sich nicht um ein harmonisiertes Bauprodukt handelt, sollte der Errichter daher prüfen, ob das betroffene Bauprodukt entweder mit dem Ü-Zeichen versehen ist oder es eines solchen Kennzeichens nicht bedarf. In der Regel ist ein Ü-Zeichen Voraussetzung für die Verwendung nicht harmonisierter Bauprodukte. Mit dem Ü-Zeichen erklärt der Hersteller regelmäßig die Übereinstimmung des Bauproduktes mit dem zu Grunde liegenden Verwendbarkeitsnachweis oder den Technischen Baubestimmungen. Verwendbarkeitsnachweise sind die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) oder die Zustimmung im Einzelfall (ZiE). Wann Verwendbarkeitsnachweise für ein Bauprodukt erforderlich sind, richtet sich nach § 17 MBO. Danach ist ein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich, wenn es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik oder Technische Baubestimmungen für ein Bauprodukt gibt oder das Bauprodukt von den Technischen Baubestimmungen wesentlich abweicht.
III. Anforderungen an die Anwendung von Bauarten und Bedeutung für den Errichter
Im Zuge der Neufassung der MBO ist zudem die Bauartgenehmigung eingeführt worden, welche die sog. „System-abZ“ ablöst.
Die Anwendung von Bauarten ist in § 16a MBO geregelt. Der Begriff der Bauart ist in § 2 Abs. 11 MBO legal definiert. Eine Bauart ist danach das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen. In bestimmten Fällen ist nach § 16a Abs. 2 MBO eine Bauartgenehmigung erforderlich. Der Errichter sollte prüfen, ob der Bauart die erforderliche Genehmigung bereits herstellerseitig beigefügt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte er sie im Zweifel selbst beantragen, da die Bauartgenehmigung bei der „Anwendung“ vorliegen muss. Zwar definiert die MBO den Begriff der Anwendung nicht, allerdings ist auf Grund der Begründung zur MBO nicht ausgeschlossen, dass auch der Errichter eine Bauart anwendet, indem er sie installiert. Die Anwendung einer Bauart ohne die erforderliche Genehmigung stellt gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 10 MBO eine bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeit dar. Auch bauaufsichtliche Maßnahmen nach den §§ 79, 80 MBO sind möglich. Die Nichteinhaltung des § 16a MBO kann zudem die werkvertragliche Gewährleistungshaftung auslösen. Selbst wenn der Errichter nicht Anwender sein sollte, muss er die Bauartgenehmigung gemäß § 55 MBO auf der Baustelle vorhalten.
Das Gesetz unterscheidet zwischen der vorhabenbezogenen und der allgemeinen Bauartgenehmigung, welche jeweils beim DIBt bzw. der jeweiligen obersten Bauaufsichtsbehörde beantragt wird. Eine Bauartgenehmigung ist immer erforderlich, wenn eine Bauart von den Technischen Baubestimmungen oder von den allgemein anerkannten Regeln der Technik wesentlich abweicht. Daraus folgt auch, dass eine Bauartgenehmigung nicht erforderlich ist, wenn die Bauart den Technischen Baubestimmungen oder den jeweils einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht oder nur unwesentlich davon abweicht. Wenn nach diesen Grundsätzen dennoch eine Bauartgenehmigung erforderlich ist, kann die jeweilige Oberste Bauaufsicht nach § 16a Abs. 4 MBO einen Verzicht, wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht zu besorgen sind. Auch dann ist eine Bauartgenehmigung nicht erforderlich.