Der „gute“ Preis auf dem Sicherheitsmarkt

Um eine angemessene Sicherheitsdienstleistung auf einem komplexen Markt zu finden, stehen Gedanken um den eigenen Sicherheitsbegriff, die Nutzung vorhandener und selbst erstellter Standardisierungsmaßnahmen und die Herstellung der positiven Zuversicht im Mittelpunkt

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16.10.2019

Sicherheitsmarkt

Dr. Tim Eichler ist als Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Organisations- und Sicherheitsforschung an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster promoviert worden. Als Polizeibeamter in Nordrhein-Westfalen koordinierte und organisierte er zwölf Jahre unter anderem unterschiedliche Sicherheitskooperationen. Heute arbeitet er im im Ruhrgebiet und Westfalen als Bereichsleiter für Securitas. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – so argumentieren häufig Volkswirte. Die Marktsoziologie[i] interpretiert diesen Sachverhalt allerdings anders. Preise allein sind aus ihrer Sicht nicht vergleichbar, da beispielsweise die Qualität einer Dienstleistung und somit auch ihr Wert im Vorfeld nicht ohne weiteres bestimmbar sind. Insbesondere der Markt der Sicherheitsdienstleistung (Stellenmarkt) stellt sich mit einer zunehmenden Technisierung und einer Vielzahl von Anbietern als überaus komplex dar. Ein „guter“ Preis ist hier nur selten der günstigste Preis. Die Marktsoziologie hält drei spezifische Fragen bereit, mit denen ein „guter“ Preis erzielt werden kann:

1. Welchen Wert hat Sicherheit für das eigene Unternehmen?

Die Begriffe Sicherheit und Freiheit bilden ein Gegensatzpaar. Das bedeutet, dass mehr Sicherheit die Freiheit einschränkt – und anders herum. Um einen „guten“ Preis am Sicherheitsmarkt zu erzielen, sollte zuerst das eigene Sicherheitsverständnis in Bezug auf die Freiheit überprüft und definiert werden. Zur Verdeutlichung kann das simple Beispiel einer Baustellenbewachung herangezogen werden.Um auf dem Stellenmarkt noch weiter zu gehen, ist die Frage der Sicherheit mehr als notwendig.

Ist diese auf ein Minimum reduziert, können die Arbeiten auf der Baustelle ohne jegliche Einschränkung ablaufen. Alle Firmen haben einen uneingeschränkten Zutritt auf das Gelände und gleichzeitig kann notwendiges Material von vielen Seiten angeliefert werden. Allerdings ergeben sich dabei auch Sicherheitsprobleme. So wird beispielsweise aufgrund der fehlenden Einfriedung der Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen und zugleich ist das Risiko unüberschaubar, dass auf der Baustelle Materialen und Werkzeug entwendet werden.

Sofern die Sicherheitsmaßnahmen hoch gesetzt werden, ergibt sich ein gegensätzliches Bild. Durch die Einfriedung des Geländes können die Firmen nur noch durch vorher definierte Bereiche das Gelände befahren. Gleichzeitig werden an allen Zugängen Personen und Fahrzeuge kontrolliert. Solche Maßnahmen reduzieren den unerlaubten Zutritt und gleichzeitig die Möglichkeit des Diebstahls auf ein Minimum. Allerdings verlängern sich ebenfalls die Abfertigungszeiten an den Zugängen. Daraus ergibt sich eine deutlich verlängerte Gesamtdauer bei Zugang auf die Baustelle.

Die Frage nach dem Wert des eigenen Sicherheitsbegriff kann auf diese Weise auf fast alle Bereiche der physischen Sicherheit übertragen werden. Überall dort, wo Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden, entstehen Kosten in unterschiedlichen Formen. Diese müssen mit dem Nutzen der Maßnahmen abgewogen werden. Um also einen „guten“ Preis am Sicherheitsmarkt zu erlangen, ist eine Definition des eigenen Sicherheitsbegriffs in einem ersten Schritt unabdingbar.

2. Wie können Qualitätsunterschiede erkannt werden?

Die Marktsoziologie besagt, dass Bewertungen von Produkten zumeist sozial konstruiert sind. Das bedeutet unter anderem, dass es kaum einheitliche Bewertungskriterien gibt, die Produkte untereinander vergleichbar machen. Um auf dem Sicherheitsmarkt nicht dem Zufall zu vertrauen, ist es sinnvoll (Stellenmarkt), auf vorhandene und selbst erstellte Standardisierungen zurückzugreifen. Vorhandene Standardisierungen können beispielsweise DIN-Zertifizierungen oder Mitgliedschaften in Verbänden sein, aus denen hervorgeht, dass ein spezieller Standard eingehalten wird. Selbst erstellte Standardisierungen können bei Ausschreibungen „die Bitte“ nach spezifischen Konzepten sein.

In diesen sollen die Dienstleister beispielsweise darlegen, wie sie mit geplantem beziehungsweise ungeplantem Personalausfall umgehen oder den Evakuierungsfall steuern und kontrollieren wollen. Vor allem aber der Ausbildungsstand des eingesetzten Sicherheitspersonals sollte hier erfragt beziehungsweise eindeutig definiert werden, da es in der Sicherheitsbranche von der fünf-tägigen Unterrichtung, über eine zwei- bis dreijährige Ausbildung, bis hin zu einer Meisterausbildung eine breite Auswahl an Qualifikationen gibt. Mit dem Rückgriff auf vorhandene und selbst erstellte Standardisierungsmaßnahmen wird die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Sicherheitsdienstleister hergestellt und die Auswahl rational.

3. Kann eine positive Zuversicht hergestellt werden?

Ein Stellenmarkt verhältnis ist im eigentlichen Sinne ein Austauschgeschäft. Allerdings gehen Käufer und Verkäufer dieses Tauschgeschäft nur ein, wenn sie sich in einem Mindestmaß gegenseitig vertrauen. Positive Zuversicht entsteht auf unterschiedliche Art und Weise. Bereits bei den ersten Gesprächen mit dem Dienstleister kann das Bauchgefühl entscheidend sein.

Hierbei können schon Kontrollfragen zu den Themenkomplexen eins und zwei eingestreut und das Verhalten des jeweiligen Anbieters geprüft werden. Sofern dadurch eine grundsätzlich-positive Zuversicht entstanden ist, sollte diese handfest mit einem gleichsam fairen Vertrag besiegelt werden. Ein solcher beschreibt unter anderem die genaue Dienstleistung und etwaige Kompensationen. Damit die positive Zuversicht ausgebaut wird, sind regelmäßige Zusammenkommen unabdingbar.

Die drei Punkte zeigen, dass ein günstiger Preis nicht das alleinige Kriterium ist, mit dem eine angemessene Sicherheitsdienstleistung auf einem komplexen Markt gefunden werden kann. Viel mehr stehen die Gedanken um den eigenen Sicherheitsbegriff, die Nutzung vorhandener und selbst erstellter Standardisierungsmaßnahmen und die Herstellung der positiven Zuversicht im Mittelpunkt. Auf diese Weise kann der richtige Anbieter und gleichzeitig der „gute“ Preis identifiziert werden.

[i] vgl. u.a. Beckert, Jens (2007): Die soziale Ordnung von Märkten. MPIfG Discussion Paper.

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Über den Autor: Redaktion Prosecurity

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