Haftung und Versicherung: Die Prüf- und Hinweispflicht als Haftungsrisiko
Schafft Klarheit: Mona Rizkallah studierte Rechtswissenschaften und seit 2009 in der HDI Versicherung AG im Produktmanagement Firmen und Freie Berufe, Berufshaftpflicht-Versicherung Architekten und Ingenieure.
Lesezeit: 5 Min.
22.10.2019
Bei der Haftung der am Bau Beteiligten Personen spielt die Mängelhaftung eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang ist die sog. Prüf- und Hinweispflicht des Auftragnehmers als Sorgfaltspflicht und damit als Nebenpflicht eine Besonderheit des Bauwerkvertragsrechts. Sie gilt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung bei jedem Bau- und Planungsvertrag. und hat elementare Bedeutung für die Haftung bzw. Enthaftung des Auftragnehmers. zumal sich diese nicht nur auf die eigenen Leistungen, sondern auch auf Leistungen Dritter bezieht und somit schnell zu einer Haftungsfalle werden kann.
Das Wesen des Werkvertragsrechts zeichnet sich dadurch aus, dass der Auftragnehmer einen konkreten Erfolg schuldet. Bei einem Bauvorhaben ist dieser Erfolg auf die Planung und Erstellung eines mangelfreien Bauwerks gerichtet. Hierzu ist in der Regel eine besondere Fachkunde erforderlich, die sowohl bei Ingenieuren, Planern als auch bei Bauunternehmen schlichtweg erwartet bzw. unterstellt wird, weshalb eine Kontrolle nur der eigenen Leistungen in der Regel nicht ausreicht.
Anhaltspunkte für den konkreten Inhalt und Umfang der Prüf- und Hinweispflicht lassen sich,– vorbehaltlich anderer Vereinbarungen –(nur) aus § 4 Abs. 3 VOB/B entnehmen, wird aber auch bei der Auslegung von BGB-Verträgen herangezogen.
Gemäß § 4 Absatz 3 VOB/B hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber Bedenken
- gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile
- gegen die Leistungen anderer Unternehmer
- unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten –schriftlich mitzuteilen.
Verletzt der Auftragnehmer die ihm obliegende Pflicht, kann sich bereits aus diesem Umstand nicht nur ein Schadensersatz-, sondern ggf. sogar ein Gewährleistungsanspruch des Auftraggebers ergeben.
Umfang und Inhalt der Prüfungspflicht
Umfang und Inhalt richten sich nach dem Grundsatz der Zumutbarkeit und den Umständen des Einzelfalls (vereinbarter Leistungsumfang, Beratungsbedarfs des Auftraggebers, Fachwissen des Auftragnehmers etc.) und entfällt nicht automatisch dadurch, dass seitens des Bauherren z.B. ein Fachplaner oder Architekt vorhanden ist, könnte jedoch im Einzelfall die Prüfpflicht beschränken.1
Besondere Bedeutung erlangt die Prüf- und Hinweispflicht regelmäßig im Zusammenhang mit vom Auftraggeber bereitgestellten Stoffen oder Bauteilen. Werden die Wünsche des Auftraggebers, aber auch die Angaben der Baustofflieferanten und ausführenden Unternehmen mehr oder weniger ungeprüft übernommen, kann dies fatale Folgen haben . Offene Fragen sollten mit dem Auftraggeber besprochen und ggf. durch die Hinzuziehung eines Sonderfachmannes geklärt werden.
Hinsichtlich der Vorleistungen anderer Unternehmer sind in der Regel nur diejenigen Vorleistungen, mit denen die eigenen Leistungen in Berührung kommen zu überprüfen. Gleichwohl ist der Auftragnehmer gut beraten, einen „Blick über den Tellerrand“ zu werfen.
Die Bedenkenanzeige
Die Bedenkenanzeige muss so deutlich und umfangreich formuliert werden, dass der Auftraggeber die bestehenden Bedenken nachvollziehen und über das weitere Vorgehen entscheiden kann. In den meisten Verträgen ist für eine Bedenkenanzeige die Schriftform vorgesehen, Diese kann –soweit keine Form vereinbart wurde -grundsätzlich auch mündlich erfolgen, was sich aber bereits aus Beweisgründen nicht empfiehlt.
Inhaltlich muss die Bedenkenanzeige klar, vollständig und erschöpfend sein, um dem Auftraggeber die bestehenden Risiken zu verdeutlichen und ihm eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu ermöglichen
Adressat
Der Bedenkenhinweis ist in der Regel immer zuerst an den Auftraggeber oder ein Bevollmächtigten gerichtet werden. Soweit ein Architekt beauftragt und bevollmächtigt ist, kann auch dieser als Hinweisempfänger in Betracht kommen, soweit sich die Bedenkenanzeige nicht gerade auf die fehlerhafte Planung des Architekten bezieht.
Bedeutung der Bedenkenanzeige
Die Bedenkenanzeige ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus § 13 Abs. 3 VOB/B. Danach haftet der Auftragnehmer (auch) für solche Mängel,
die auf die Leistungsbeschreibung auf Anordnungen des Auftraggebers,
auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebene Stoffe oder Bauteile oder
die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen sind,
es sei denn, er hat die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht.
Diese Regelung gilt unmittelbar nur, wenn sie von den Parteien vertraglich vereinbart wurde, wird aber entsprechend auf alle Planungs- und Bauverträge angewendet.2
Im Ergebnis führt die ordnungsgemäß erfüllte Prüf- und Hinweispflicht in Verbindung mit einer ebenso ordnungsgemäßen Bedenkenanzeige folglich zu einer Enthaftung des Auftragnehmers. Umgekehrt kann die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der vorstehenden Verpflichtungen allerdings zu einer deutlichen Haftungserweiterung (auch für mangelhafte Leistungen Dritter) führen.
Weitere Ausnahmen zur Haftungsbefreiung
Neben den in § 13 Absatz 3 VOB/B dargestellten Fällen kann eine Haftung des Auftragnehmers ausscheiden,
wenn die zum Mangel führenden Umstände außerhalb des Verantwortungsbereiches des Auftragnehmers lagen
oder die Verletzung der Hinweispflicht für den Mangel nicht ursächlich war.3
Auswirkungen auf den Versicherungsschutz
Ein Verstoß gegen die Prüf- und Hinweispflicht kann auch den Versicherungsschutz beeinträchtigen. Ansprüche, die durch ein bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Verhalten (Tun oder Unterlassen) verursacht werden, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies betrifft nicht nur bewusste Verstöße gegen Gesetze wie z.B. Baugesetze das Bürgerliche Gesetzbuch oder die HAOI, sondern auch technische Regelwerke oder DIN Normen. Unter einem sonstigen pflichtwidrigem Verhalten sind die vertraglich übernommenen Pflichten zu verstehen, weshalb in Einzelfällen auch eine nicht oder nur unzureichend erfüllte Beratungs- oder Aufklärungspflichtausreichend sein kann. In der Praxis gibt es jedoch immer wieder Situationen, in der z.B. eine Einhaltung des aktuellen Stands der Technik nicht realisierbar ist (Altbausanierung, historische Gebäude z.B.) oder der Bauherr auf eine bestimmte Ausführung oder Baustoff besteht. Einige Versicherer haben diese Umstände berücksichtigt und eine Erweiterung des Versicherungsschutzes in Form einer Einschränkung der Pflichtwidrigkeitsklausel für z.B. historische Gebäude oder ordnungsgemäßer Hinweispflicht aufgenommen.
Bildunterschrift: Mona Rizkallah studierte Rechtswissenschaften in Osnabrück, Heidelberg und Bielefeld und seit 2009 in der HDI Versicherung AG im Produktmanagement Firmen und Freie Berufe, Berufshaftpflicht-Versicherung Architekten und Ingenieure.
1 Preussner/Kandel/Jansen,BeckOK-VOB Teil B/Fuchs, § 4Abs.3, Rdnr.2a
2OLG Köln, Urteil vom 14.05.2013- 15 U 214/11;BGH, Urteil vom 08.11.2007-VII ZR 183/05,
3Manteufel, ibr-online Kommentar VOB/B, § 13 Rdnr.123,124