Wertdienstleister vor gewaltigen Herausforderungen

Die Coronakrise hat den Trend weg vom Bargeld deutlich verstärkt, Wertdienstleiter haben nun weniger zu transportieren und zu bearbeiten. Der Umsatzrückgang der Branche liegt bei bis zu 25 Prozent

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08.07.2021

55 Jahre nach Gründung des ersten Werttransportunternehmens in Mannheim stehen die Geldtransportunternehmen in Deutschland vor ihrer größten Herausforderung. 54 Jahre ging es fast nur bergauf. Im Jahr 2019 transportierten und bearbeiteten die 11.000 Mitarbeiter*innen unserer Branche täglich noch rund 3 Mrd. Euro. Der Barzahlungsanteil geht zwar, gemessen am Transaktionsvolumen, schon länger um einen Prozentpunkt pro Jahr zurück. Da die Handelsumsätze gerade in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, waren die Auswirkungen aber nicht dramatisch.

Die Coronakrise hat den Trend weg vom Bargeld nun deutlich verstärkt. Zu diesem Prozess hat vor allem das massive Werben der großen Einzelhandelsunternehmen für bargeldloses Bezahlen, verbunden mit der unbegründeten Behauptung, dass von Bargeld eine höhere Infektionsgefahr ausgehe, geführt. Kürzlich hat das EHI Retail Institute in Köln seine neueste Studie „Zahlungssysteme im Einzelhandel 2021“ vorgestellt. Bezogen auf die Umsatzanteile der Zahlungsarten im stationären Einzelhandel ist laut EHI-Studie der Anteil der Barzahlungen innerhalb eines Jahres von 46,5 Prozent um 5,6 Prozentpunkte auf 40,9 Prozent zurückgegangen.

„Die Coronakrise hat den Trend weg vom Bargeld deutlich verstärkt.“

Bei einem Gesamtumsatz von 435 Milliarden Euro 2020 wurden im vergangenen Jahr 178 Mrd. Euro bar gezahlt. Im Jahr zuvor waren es bei einem Umsatz von 445 Mrd. Euro noch 207 Mrd. Euro. Ein Rückgang von 29 Mrd. Euro binnen eines Jahres. Auch die Schließungen im Gastronomiebereich, fehlende Volksfeste und Veranstaltungen haben zu diesem wesentlich deutlicheren Rückgang im Barzahlungsverhalten beigetragen. Wir gehen von bis zu 70 Mrd. Euro aus, die es weniger zu transportieren und bearbeiten galt. Der Umsatzrückgang unserer Branche liegt bei bis zu 25 Prozent.

Bundesdeutsche Geldtransporte zählen zu den erfolgreichsten weltweit

Parallel zu dieser negativen Entwicklung bez. des Zahlungsverhaltens hat sich Berlin zu einem Hotspot des Überfallgeschehens entwickelt. Binnen eines Jahres gab es acht Überfälle. Eine Häufung, wie ich sie in meiner 28-jährigen Dienstzeit so noch nicht erlebt habe. Gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen, ihren Sicherheitsverantwortlichen, mit Sachverständigen, Maklern und Versicherungen sind wir dabei, ein Maßnahmenpaket zu beschließen. Wir hoffen, dass es uns so gelingt, den Trend zu brechen. Besonders wichtig ist die schnelle Aufklärung der Überfälle durch die Berliner Polizei. Dies ist die beste Abschreckung.

Vor 50 Jahren, im September 1971, wurde in München der Vorläufer der BDGW, der Fachverband der Geld- und Werttransportunternehmen (FV) gegründet. Lange bevor die Unfallverhütungsvorschriften für unsere Branche von der gesetzlichen Unfallversicherung erarbeitet und verabschiedet wurden, waren sich die ersten Geld- und Werttransportunternehmen bereits einig, für besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten ein eigenes Regelwerk zu schaffen. An dieses Regelwerk sind die Unternehmen gebunden. Die Sicherheitsvorschriften der BDGW haben dabei auch eine staatliche (Über-)Regulierung verhindert. Dennoch, oder gerade deshalb, gehören die bundesdeutschen Geldtransporte zu den erfolgreichsten weltweit!

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Über den Autor: Dr. Harald Olschok

Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer BDSW / BDGW