Berlin, Trier, Volkmarsen und Magdeburg ist überall.
Beim Zufahrtsschutz handelt es sich um eine moderne Fachrichtung des Bauwesens, für die internationale Normen und nationale Prozesse gelten, die nachweislich qualifizierte, zugelassene und entsprechend versicherte Fachplaner erfordert, und die sich auch durch zukunftssichere Alltagstauglichkeit auszeichnet.

Graphik des „Dunning Kruger Effekt“. Beispiel einer normkonformen Planungsgrundlage. Foto: INIBSP
Über die Prävention von Überfahrtaten und wie fehlende Qualifikation, erschreckende Selbstüberschätzung und ein unnötiges Missverständnis unsere Gesellschaft, Bürger, Behörden und Marktteilnehmer gefährden.
Vom Börsenguru über den Wunderheiler und leider auch im Zufahrtsschutz finden sich immer wieder wahre Heilsbringer, die mit beachtlicher Selbstsicherheit und beneidenswerter Eloquenz geradezu beeindruckend verschleiern können, dass sie für die angepriesene Leistung weder qualifiziert noch zugelassen oder versichert sind!
Das fällt dummerweise meist erst dann auf, wenn die Realität irgendwann unerbittlich zuschlägt. Dann ist das investierte Geld oft weg, die ersehnte Gesundheit endgültig verhunzt oder viele Menschen auf immer geschädigt.
Im Zufahrtsschutz schlägt die Realität der Physik immer dann zu, wenn ein Fahrzeug vorsätzlich oder mittels Unfallfahrt in belebte Schutzzonen durchbricht und dort Menschen schädigt. Etwas, dass nicht nur jüngst in Magdeburg und New Orleans geschah, sondern seit über 15 Jahren mit steigender Tendenz vorkommt. Kein Schadenersatzprozess kann dann wiedergutmachen, was man hätte frühzeitig verhindern können.
Der Dunning-Kruger-Effekt
Die häufigste Ursache für viele Fehlplanungen im Zufahrtsschutz findet sich schon fast traditionell in dem Missverständnis, dass es sich beim Zufahrtsschutz um ein Thema der Veranstaltungssicherheit handeln würde und dieser Irrtum dann auch noch multipliziert wird, indem die „Planer“ dem groben Missverhältnis zwischen unreflektierter Selbsteinschätzung und tatsächlicher Problemlösungskompetenz anheimfallen - dem sogenannten „Dunning-Kruger-Effekt“. Diesen Effekt kennen wir als Gesellschaft bereits hinlänglich aus den überproportional hohen Unfallzahlen sportlicher Fahranfänger im Straßenverkehr. Und um Anfänger handelt es sich leider oft auch bei den selbsternannten Anbietern von Zufahrtsschutz Planungen. Hier tummeln sich munter äußerst geschäftstüchtige Anbieter von allerlei Barrierentechnik, Veranstaltungssicherheit, Objektschutz und anderer gewerkfremder Branchen. Doch kratzt man nur etwas kritisch an deren selbstbewusster Oberfläche, wird schnell offensichtlich, dass die meisten Experten eher am Profit, denn an belastbarer Qualität interessiert sind. Sie können oft sogar sehr gut verbergen, dass sie für den Umgang mit hochenergetischen, dynamischen Lasten zur Planung und Umsetzung von mobilen und stationären Zufahrtsschutzmaßnahmen weder qualifiziert, noch zugelassen und einschlägig versichert sind.
Zufahrtsschutz schützt keine einzelnen Veranstaltungen
In Deutschland ist Zufahrtsschutz eine noch sehr junge Disziplin, zu unserem Glück haben aber andere Länder, wie z.B. Großbritannien und die USA bereits über 30 Jahre teilweise schmerzliche Erfahrung in diesem Metier gesammelt, die wir nun nutzen und von denen wir profitieren können. Die erste Erkenntnis daraus ist, dass Zufahrtsschutz keine einzelnen Veranstaltungen schützt, sondern ausschließlich Örtlichkeiten und Liegenschaften, die physischem Schutz bedürfen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um sogenannte harte Ziele wie Gebäude und Infrastrukturen, oder um weiche Ziele wie Veranstaltungsflächen, Fußgängerzonen oder Flughafenvorfahrten handelt.
Kein Mensch kam bisher auf die Idee, die physisch wirkenden Schutzmaßnahmen der beiden Letztgenannten durch ein Veranstaltungssicherheitskonzept bestimmen zu lassen. Warum, so lautet die berechtigte Frage, wird es dann irriger Weise bei individuellen Veranstaltungen so gemacht?
Daraus ergibt sich die zweite Erkenntnis, nämlich, dass es sich beim Zufahrtsschutz um eine Expertise des Bauwesens handelt, die in allen Planungs- und Abarbeitungsschritten den bewährten Regelwerken des Bauwesens zu folgen hat. Denn Schutzziele müssen bestimmt, Kräfte errechnet, Maßnahmen bemessen, Leistungsfähigkeiten festgelegt, die Wirksamkeit und Kollateralauswirkungen der Maßnahmen nachgewiesen sowie die Umsetzungsmaßnahmen vorbereitet, begleitet und zu guter Letzt auch abgenommen und betrieben werden.
Die dritte, wichtige Erkenntnis beantwortet die Frage der Haftung, da jeder, der bei Planung, Leitung oder Ausführung eines Baus die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht einhält und dadurch Leib und Leben anderer Menschen gefährdet, womöglich auch strafrechtlich belangt werden kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ggf. bereits die Gefährdung ausreicht.
Internationale Normen
Darauf aufbauend drängt sich bereits die vierte Erkenntnis auf, nämlich, dass es für alle physischen Maßnahmen im Zufahrtsschutz internationale Normen gibt, welche, im Zusammenspiel mit den nationalen Bauvorschriften, die Beauftragung, Planung, Umsetzung und Abnahme von Zufahrtsschutzmaßnahmen regeln. Abweichungen von diesen Normenwerken gefährden daher nicht nur Leib und Leben der Menschen in den Schutzzonen, sondern bringen auch jene Personen in Erklärungsnot, die diese Normen nicht beachten. Denn meist führt die Nichtbeachtung auch zur Wirkungslosigkeit oder gar zu einer zusätzlichen Gefährdung von Menschen durch mangelhafte Maßnahmen.
Als fünfte Erkenntnis stellt sich die Notwendigkeit und die Zuverlässigkeit der erforderlichen Qualifikation von Zufahrtsschutzplanern heraus. Denn diese Planer benötigen genauso wie alle anderen Gewerke im Bau eine offizielle Zulassung durch die zuständige Kammer! Diese Zulassung wird wegen des existenziell wichtigen Zusammenschlusses von Fachplanern der Gefahrenabwehr auf globaler Ebene durch eine international dafür zuständige Institution verliehen, dem „Register of Security Engineers ans Specialists“ (RSES). Hier lautet die globale Bezeichnung des zugelassenen Fachplaners „Specialist Security Advisor – Hostile Vehicle Mitigation“ (SSA-HVM). Denn anders als die ungeschützte Bezeichnung „Zufahrtsschutzexperte“, als der sich jedermann benennen und seine Leistungen anbieten kann, ist der SSA-HVM eine geschützte Berufsbezeichnung ausschließlich für qualifizierte Fachplaner im Zufahrtsschutz. Eine offizielle Liste dieser Fachplaner ist über die Deutsche Kontaktstelle des RSES, dem Verband für Sicherheitstechnik (VfS) in Hamburg erhältlich (https://www.vfs-hh.de).
Bleibt nun noch die sechste Erkenntnis, nämlich die nach der Versicherung von Zufahrtsschutz Fachplanern. Damit die Auftraggeber im Falle einer Fehlplanung oder Falschberatung nicht selber für die Mehrkosten aufkommen zu müssen, was leider auch in Deutschland bereits vorkam, ist es zwingend erforderlich, dass der Planer auch eine entsprechende Betriebshaftpflicht Versicherung explizit für Planungen im Zufahrtsschutz vorweisen kann! Ist dies nicht der Fall, werden Versicherrungen mit anderslautendem Versicherungszweck eher kaum freiwillig zweckfremde Schäden ausgleichen.
Seit dem tragischen Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz entstand hierzulande eine höchst gefährliche Gemengelage, welche die Auftraggeber dann mit besonderer Vehemenz trifft, wenn sich die Gerichte bestenfalls mit Mängelrügen oder schlimmstenfalls mit solch furchtbaren Anschlägen wie in Magdeburg befassen müssen.
Zufahrtschutz ist kein Produktsortiment
Zufahrtsschutz ist zwar keine Raketenwissenschaft, aber ganz sicher auch kein triviales „Do it yourself“ Unterfangen. International wird schon längst vorgelebt, dass Zufahrtschutz kein Produktsortiment ist, sondern ein Fachgebiet innerhalb des Bauwesens. Kurz, ohne einschlägige Erfahrung im Ingenieur- und Spezialtiefbau, gepaart mit einer fundierten internationalen Zufahrtsschutz-Vorbildung und globalen Netzwerken, ist der Schutz vor weltweit agierenden Terrorgruppen nicht zu leisten.
Deshalb sollten besonders die Auftraggeber von Schutzmaßnahmen darauf achten, sich nicht vom weit verbreiteten Irrtum anstecken zu lassen, Zufahrtsschutz und Veranstaltungssicherheit sei irgendwie dasselbe. Bitte trennen Sie unbedingt die beiden Themenkreise streng voneinander und betrachten Sie Zufahrtsschutz schlicht als das was er ist, nämlich eine moderne Fachrichtung des Bauwesens, für die internationale Normen und nationale Prozesse gelten, die nachweislich qualifizierte, zugelassene und entsprechend versicherte Fachplaner erfordert, und die sich auch durch zukunftssichere Alltagstauglichkeit auszeichnet.
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Christian Schneider
Ist RSES zugelassener Sachverständiger für Zufahrtsschutz am UNOCT (United Nations Office of Counter-Terrorism), Fachbuch-Autor und Gastdozent für Zufahrtsschutz an verschiedenen Hochschulen.
Im Auftrag von Ministerien, Kommunen, Behörden und KRITIS-Betreibern betreut er Zufahrtsschutzprojekte weltweit.