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Der Blackout auf der iberischen Halbinsel hat langfristige Folgen

16.06.2025

Der historische Blackout auf der Iberischen Halbinsel am 28. April 2025 traf 55 Millionen Menschen und führte zu weitreichenden Auswirkungen auf die Grundversorgung, den Transport und die Telekommunikation. In diesem Artikel werden die dramatischen Folgen des Stromausfalls und die nachhaltigen Veränderungen für die Zukunft beleuchtet.

Der Blackout auf der iberischen Halbinsel hat langfristige Folgen

Der historische Blackout auf der Iberischen Halbinsel am 28. April 2025.
Foto: istock.photo.com/ Urheber: Olekssi Maznychenko

Der 28. April 2025 wird den Bewohnern der iberischen Halbinsel noch längere Zeit im Gedächtnis bleiben. Es war in Spanien 12:33 Uhr Ortszeit (in Portugal zeigte die Uhr 11:33 Uhr), als binnen fünf Sekunden in der Stromversorgung 15 Gigawatt – das entsprach 60 Prozent des Bedarfs an Energieversorgung – „verloren gingen“, wie es amtlicherseits hieß. Was folgte war ein Blackout historischen Ausmaßes, der Verwirrung und Chaos hinterließ. Der Stromausfall hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Grundversorgung, den Internetzugang bis zum Gasverbrauch.

Rund 55 Millionen Menschen in Spanien, Portugal, Andorra und dem Süden Frankreichs waren von dem großen Stromausfall betroffen. Portugal, das 33 Prozent seines Bedarfs aus Spanien importiert, verzeichnete laut REN (National Energy Networks) einen Rückgang seines Bedarfs von 8,16 Gigawatt (GW) auf nur 0,6 GW, was einer Abschaltung von 93 Prozent seines Verbrauchs entsprach. Die allermeisten Menschen traf die Havarie völlig unvorbereitet und sie realisierten erst nach und nach dessen Ausmaß und die Folgen.

Acht Todesfälle

Obwohl sich der Blackout zu einem verhältnismäßig „günstigen“ Zeitpunkt ereignete, wie zum Beispiel an einem Werktag, mittags, unter relativ unproblematischen Wetterbedingungen etc., mussten bereits nach wenigen Stunden ernsthafte Vorfälle konstatiert werden. Schon wenige Minuten nach Beginn des Stromausfalls starb eine 46-jährige Frau in der Stadt Alzira, nachdem das Gerät, das sie mit Sauerstoff versorgen sollte, keinen Strom mehr bekam. Dies geht aus einem Bericht des Polizeipräsidiums der Autonomen Gemeinschaft Valencia hervor. 

Ein vergleichbarer Fall wurde aus dem nordwestspanischen Örtchen Taboadela gemeldet. Dort starben ein Ehepaar im Alter von 81 und 77 Jahren und ihr 56-jähriger Sohn auf ähnliche Weise, wie die Agentur „Europa Press“ meldete. Wie der dortige Bürgermeister verlauten ließ, „gibt es Hinweise“, dass die Vergiftung auf die schlechte Verbrennung des Notstromgenerators zurückzuführen sein könnte, den die Familie verwendet hatte, um die Funktion des Beatmungsgeräts sicherzustellen, auf das der 81-Jährige angewiesen war. Insgesamt wird inzwischen von acht Todesfällen gesprochen, die im Zusammenhang mit dem Blackout zu beklagen sind. Und das, obwohl es weniger als 24 Stunden dauerte, bis die Stromversorgung wieder weitgehend hergestellt war. 

Auswirkungen im Gesundheitssektor

Schon wenige Stunden nach dem Eintreten des Blackouts musste festgestellt werden: Zu den am stärksten betroffenen Sektoren gehörte der Gesundheitssektor, da die Krankenhäuser auf Generatoren angewiesen waren. Der großflächige Stromausfall hat zur Verschiebung Tausender Konsultationen, Operationen und Behandlungen geführt, die in mehreren Krankenhäusern neu angesetzt werden mussten.

Knapp zwölf Stunden nach dem Beginn des Stromausfalls trat der spanische Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zum dritten Mal vor die TV-Kameras. Kern seiner Aussagen: „Fast 50 Prozent der Versorgung sind wiederhergestellt.“

Dennoch dürfte der Blackout nachhaltige Spuren im Bewusstsein der Betroffen hinterlassen haben. Allein die Metropolregion Madrid zählt mit etwa sieben Millionen Einwohnern zu den größten Metropolen Europas. Der Zusammenbruch der Infrastruktur führte innerhalb kürzester Zeit dazu, den Alltag der Menschen auf den Kopf zu stellen und Angst und Panik zu verbreiten. 

Banken mussten Schalter schließen

Das Web-Portal „Canal Extremadura“ überschrieb einen Beitrag, der wenige Tage nach dem Geschehnis den Fokus auf ein Kernproblem in Folge der Havarie richtete: „Der Stromausfall erhöht den Wert des Bargeldes“. 

Zu den Reaktionen vieler Menschen auf die Menge in der Bargeldversorgung, resümierte der Online-Informationsdienst „La Vanguardia“ zwei Wochen nach dem Vorfall: „Der massive Stromausfall hat zu einem Anstieg der Nachfrage nach privater Sicherheit zum Schutz von Wertgegenständen außerhalb des Bankensystems um 20 Prozent geführt. Der Stromausfall in ganz Spanien hat das Interesse an alternativen Sicherheitslösungen außerhalb des Bankensystems neu entfacht, die nicht ausschließlich auf Strom oder mit dem Internet verbundene Systeme angewiesen sind, wie etwa private Schließfächer.“ 

Diese Überlegungen stehen zweifellos im unmittelbaren Zusammenhang mit den Erfahrungen vom 28. April: Die Banken mussten die Schalter schließen; Geldautomaten funktionierten nicht mehr. Die meisten Supermärkte und Restaurants sahen sich gezwungen, wie „La Informatión“ schreibt, nur Kunden und Gäste zu versorgen oder zu bedienen, „die Banknoten und Münzen hatten.“ 

Ein scheinbar längst entschiedenes Thema war wieder auf der Tagesordnung. „Der Stromausfall hat eine notwendige Debatte ausgelöst: Kann eine Gesellschaft ohne Bargeld auskommen?“, stellte der Anwalt Juan Luis Sánchez-Moreno Gómez fest. Er ist Mitglied des Beirats von Denaria, einem Verein, der gemeinsame Interessen rund um den Schutz von Bargeld vereint, fest. Der Denaria-Plattform gehören unter anderem der Banknotenhersteller Giesecke + Devrient, der Geld- und Wertlogistiker Prosegur Cash und das Unternehmen für Sicherheitstechnik Gunnebo an. Gómez betonte, die Erfahrungen des Blackouts sei „eine Warnung vor der Fragilität unserer digitalen Wirtschaftsinfrastruktur.“ Die Bürger bräuchten „echte Garantien, dass sie auch bei einem Systemausfall weiterhin Zugang zu den Grundbedürfnissen haben. In diesem Zusammenhang erweist sich Bargeld als letzte zuverlässige, zugängliche und rechtlich geschützte Ressource.“

Laut einer Analyse von Fintonic stiegen die Bargeldabhebungen in den zwei Tagen nach dem Blackout um 38,8 Prozent. Die Finanzplattform hatte das Verhalten von mehr als 190.000 Benutzern mit aktiven Konten im April 2024 und 2025 untersucht. Das Ergebnis zeigte deutlich, wie sehr Bargeld in Zeiten der Unsicherheit zu einem sicheren Hafen wird. 

U-Bahn-Verkehr lahmgelegt

Weniger um Häfen, als um Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs kreisten die Gedanken vieler Betroffener, als plötzlich der Strom ausfiel. Auf ihrem 295 Kilometer langen Schienennetz mit 303 Stationen befördert Metro de Madrid an normalen Tagen rund 2,2 Millionen Fahrgäste. Abertausende, die mit der U-Bahn zur Arbeit gefahren waren wussten jedoch am Mittag des 28. April nicht, wie sie wieder nach Hause kommen.

Die Situation in den U-Bahn-Schächten bei Eintritt des Blackouts wird in der Presse plastisch beschrieben: „Die U-Bahn blieb stehen, die Lichter waren aus, und uns wurde gesagt, es handele sich um einen Stromausfall. Auch das Radiosignal war ausgefallen“, sagte ein Passagier der Station Cuzco gegenüber Euronews. 

„Insgesamt 44 Züge stecken mitten in einem Tunnel fest“, schreibt „El País“. Die Rettungsaktion wird in der Presse plastisch ausgemalt: „Die Fahrgäste werden durch die Taschenlampen ihrer Handys beleuchtet, während sie durch Gleise, Bahnsteige, Treppen und Türen geleitet werden. Vielen erscheint die Zeit, die sie in fast völliger Dunkelheit unter der Erde gefangen verbringen, endlos, ohne zu wissen, was geschehen ist, begraben, weggesperrt und von der Außenwelt abgeschnitten. So allein wie sie in dieser Umgebung sind, die direkt aus einem Albtraum zu stammen scheint. Nach und nach schleppen sie ihre Koffer und Rucksäcke durch die Dunkelheit, kommen, geführt vom U-Bahn-Personal, der Polizei oder der Feuerwehr, an die Oberfläche und können aufatmen.“

„El País“ konstatierte: „Bei den Rettungsdiensten gingen Tausende von Anrufen von Bürgern ein, die in Aufzügen oder Waggons eingeklemmt waren.“ In Madrid erklärte Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida am Nachmittag des Geschehens, es seien mindestens „150 Vorfälle in Aufzügen gemeldet“ worden. Bis 17 Uhr habe die Feuerwehr 174 Menschen retten können. 

Nach Schätzungen des spanischen Verbandes der Aufzugsunternehmen FEEDA saßen im ganzen Land zwischen 5.000 und 10.000 Menschen in Aufzügen fest. Und keiner von ihnen konnte das Zweiwege-Kommunikationssystem in der Kabine nutzen, um eine Warnung auszusprechen oder gar eine Warnung von seinem Mobiltelefon aus zu senden. Die spanische Presse berichtete von Fällen, bei denen Eingeschlossene in Panik gerieten, da sie keinen Kontakt zur Außenwelt herstellen konnten. Ana María und ihr Mann, Einwohner von Palomeras Bajas in Madrid, wurden gerettet, nachdem sie fast eine Stunde lang gefangen waren. „Ich habe wie verrückt geschrien, aber niemand hat mich gehört“, sagte Ana María zu Azor, nach ihrer Rettung gegenüber dem Aufzugswartungsunternehmen.

 Menschen mit Handicap stark betroffen

Dass die Rettungsmaßnahmen weitere Herausforderungen bargen, versteht sich fast von selbst. Menschen mit Handikap - zum Beispiel im Rollstuhl - waren für die Evakuierung ein besonderes Problem, sie mussten dann auch aus den Bahnhöfen getragen werden, da weder Fahrstühle noch Rolltreppen funktionierten. Solche Aufgaben binden zusätzlich Kräfte. Reisende – vor allem ältere – mit schwerem Gepäck hatten es ebenfalls schwer, ihren Weg fortzusetzen.

Die Madrider Metro konnte wohl vermelden, dass sie während des Stromausfalls, ihre Stationen erfolgreich evakuiert hat, damit war jedoch das Problem vieler Fahrgäste nicht behoben. Zwar stellte Madrid die Busse der städtischen Verkehrsgesellschaft den Bürgern als einen kostenlosen Service zur Verfügung, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Busse heillos überfüllt und viele Wartende gar nicht mitnehmen konnten. Diese Situation wurde für die Betroffene noch misslicher, da die elektronischen Anzeigetafeln ausgefallen waren und die meisten der ansonsten in solchen Fällen benutzten Handys ebenfalls nicht funktionierten.

Mobilfunknetz zwischen Funktion und Ausfall

Allerdings zeigte sich bei den Mobilfunknetzen ein differenziertes Bild. Der Nachrichtendienst „20minutos.es“ schrieb: „Während des massiven Stromausfalls am Montag hatten Millionen von Menschen in Spanien keinen Mobilfunkempfang mehr, andere konnten jedoch weiterhin ohne Probleme im Internet surfen.“ Dazu war auf der Website von „TecnoXplora“ zu lesen: „Der Grund hierfür liegt darin, dass sie für die Überbrückung kurzer Stromausfälle und nicht längerer Blackouts konzipiert sind. Wenn diese Batterien leer sind, senden die Antennen keine Signale mehr und der Mobilfunk- und Internetdienst verschwindet. Darüber hinaus sind auch andere kritische Elemente der Verbindung von Elektrizität abhängig: Netzwerkserver, Datenroutingsysteme und Kommunikationsknoten. Wenn einer dieser Punkte fehlschlägt, kann Ihr Gerät, selbst wenn es über einen Akku verfügt, keine Verbindung zum Internet herstellen.“

Auch die Telekommunikation war durch den Stromausfall stark beeinträchtigt. Es kam zu weitverbreiteten Problemen beim Telefonieren mit Mobiltelefonen und auch beim Messaging-Dienst WhatsApp kam es zu Ausfällen. Der Blackout führte „bei allen Betreibern in Spanien zu einem schnellen, schwerwiegenden und anhaltenden Rückgang der Mobilfunkleistung. Die Auswirkungen erreichten am Nachmittag ihren Höhepunkt, als die Ersatzbatterien leer waren“, heißt es bei „Redes&Telecom“, der Website eines auf den Bereich Informationstechnologie spezialisierten Verlages.

Telekommunikationsunternehmen versuchten, den Dienst so schnell wie möglich zu normalisieren. Telefónica aktivierte seinen Krisenstab und Vodafone hielt über 60 Prozent seines Mobilfunknetzes aktiv. Verschiedene Experten waren der Meinung, dass das Internet einige Stunden ohne Strom überleben könne, jedoch nicht viel länger, da die Rechenzentren zwar durch ihre eigenen Cluster geschützt seien, das Netzwerk jedoch auf Zwischengeräte mit kürzerer Batterielebensdauer angewiesen sei.

Sicherheitskräfte mussten Verkehr regeln

Die Suchanfragen nach „Blackout“ (span.: apagón, port.: apagão) bei Google Trends haben sich innerhalb von fünf Minuten verzehnfacht und erreichten kurz nach dem Blackout ihren Höhepunkt. Damit war es mit über fünf Millionen Suchanfragen das am häufigsten gesuchte Wort des Tages.

Durch den Stromausfall funktionierten in der spanischen Hauptstadt die Ampeln nicht mehr, was zu massiven Staus auf Hauptverkehrsstraßen wie dem Paseo de la Castellana führte. 

Der Ausfall der U-Bahn zwang viele dazu, auf Busse oder Taxis zurückzugreifen, doch deren Kapazitäten reichten nicht aus, hinzukam, dass die Straßen verstopft waren. Die Nationalpolizei und die Guardia Civil setzten 30.000 Beamte ein, um den Verkehr zu regeln und für Sicherheit zu sorgen. Tankstellen hatten ihren Betrieb eingestellt.

Obwohl der Flugverkehr durch den Blackout nur unwesentlich beeinträchtigt war, wurde die Anreise vieler Fluggäste zu den Airports zu einer wirklichen Herausforderung. Taxi-Unternehmen weigerten sich beispielsweise die sonst üblichen Vorbestellungen anzunehmen.

Analog-Radios und Notstromaggregate gefragt

Auf „Altbewährtes“ setzten auch viele Bürger, die sich noch schnell einen Rundfunkempfänger kauften, der auf der analogen Technik basiert, denn die Radiostationen sendeten weiter und waren damit eine wichtige Informationsquelle. In Terrassa, einer Industriestadt 50 Kilometer nordwestlich von Barcelona, waren binnen kürzester Zeit die Notstromgeneratoren ausverkauft.

E-Mobilität als grundsätzliches Thema

Das Web-Portal für Frachtlogistik „Ruta del Transporte“ nahm den Blackout zum Anlass, Überlegungen zur E-Mobilität im Transportsektor anzustellen. Eine Hochleistungsladestation für Elektro-Lkw, so wird dort aufgeführt, „die ein Auftanken in angemessener Zeit (30 - 45 Minuten) ermöglicht, benötigt etwa 1 Megawatt Leistung. Das heißt, 15.000 Megawatt würden theoretisch ausreichen, um 15.000 Elektro-Lkw gleichzeitig anzutreiben. Eine kleine Zahl, wenn man bedenkt, dass die gesamte Schwertransportflotte in Spanien aus etwa 400.000 Fahrzeugen besteht.“ Dafür aber reiche die „enorme Menge“ von 15 Gigawatt, von der der Premierminister sprach, nicht wirklich aus.

Der Blackout vom 28. April, so stellte „BBC News Mundo“ noch am selben Tag fest, „wird von Experten und Behörden aufgrund seines Ausmaßes und der gleichzeitigen Auswirkungen auf alle wichtigen Sektoren (Energie, Transport, Telekommunikation und Grundversorgung) als beispiellos bezeichnet.“

Der österreichische Spezialist für Ausfälle in der Infrastruktur, Herbert Saurugg, nahm den Blackout auf der iberischen Halbinsel zum Anlass für mahnende Worte. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich Gedanken zu machen und aktiv zu werden. Denn im Ernstfall ist es zu spät.“

 

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