„Für mehr Qualität in der privaten Sicherheitswirtschaft“
Herr Körper, Sie waren 23 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, sieben Jahre - von 1998 bis 2005 - Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister und von 2005 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Sicherheitspolitik war und ist immer ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit. Aktuell ist das Sicherheitsgewerbegesetz in der – wie man so schön sagt – parlamentarischen Pipeline. Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft hat lange dafür gekämpft. Wird es der „große Wurf“?
Geht es nach dem jetzigen Entwurf, muss ich wohl allzu große Erwartungen etwas dämpfen. Ich habe mir den Referentenentwurf des Sicherheitsgewerbegesetzes angesehen. Es fehlt eine Reihe von Aspekten, welche für die Steigerung der Qualitäts- und Ausbildungsstandards in der Branche erhebliche Relevanz hat. Aber die Chance zu ihrer Berücksichtigung ist noch gegeben. Der Entwurf kommt ja nun erst einmal in die parlamentarische Beratung. Dann folgt die Ressortabstimmung. Am Ende macht das Bundesministerium des Innern eine Kabinettsvorlage. Der nun vorliegende Entwurf ist das Ergebnis eines langen Vorlaufes. Im Herbst 2021 wurde die Schaffung eines Sicherheitsgewerbegesetzes in die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung aufgenommen. Aber man muss sich auch vor Augen halten, wie lange diese Thematik bereits diskutiert wird. In der Koalitionsvereinbarung der Vorgängerregierung war dies schon Thema. Der Ausgangspunkt war immer: Für mehr Qualität in der privaten Sicherheitswirtschaft zu sorgen. Und ich füge hinzu, dass es auch um eine Imageverbesserung des Gewerbes geht. Es gibt in diesem Bereich hervorragende Unternehmen, aber es gibt leider auch schwarze Schafe.
Wo können nun die Chancen und Aufgaben des Sicherheitsgewerbegesetzes – kurz SGG – liegen, daran etwas zu ändern?
Da kann ich einige Punkte nennen. Beispielsweise könnten die Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach diesem SGG und Spezialgesetzen aufeinander abgestimmt werden. So wäre es für die Praxis wichtig, ob man zum Beispiel eine Zuverlässigkeitsüberprüfung über das Waffenrecht oder das SGG vornimmt. So etwas träfe auch auf das Atomrecht zu. Es müsste also in eine Vielzahl von Gesetzen eingegriffen werden. Ich plädiere beim Sicherheitsgewerbegesetz dafür, pragmatische Lösungen zu suchen, um die verschiedenen Gesetze aufeinander abzustimmen. Man könnte über Ausführungsbestimmungen regeln, dass es eine gegenseitige Anerkennung gibt.
Ein weiterer Punkt betrifft das sogenannte Unterrichtungsverfahren als Einstiegsvoraussetzung für Mitarbeiter in das Sicherheitsgewerbe. Bisher liegt dieses – ohne eine Prüfung endende – Unterrichtungsverfahren ausschließlich bei den Industrie- und Handelskammern. Das hat sich in der Praxis als ein erhebliches Nadelöhr für die Personalgewinnung erwiesen. Bei den Ausbildungskapazitäten – ich muss allerdings einfügen, dass diese durch regionale Unterschiede nicht einheitlich sind – gibt es zum Teil deutliche Schwierigkeiten. Deshalb ist aus meiner Sicht die Forderung zu erheben und in den Beratungsgang zu diesem Gesetz einzubringen, dass die Ausbildungskapazitäten auf vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, dem BDSW, anerkannte Bildungsinstitute erweitert werden.
Hieße das gleichzeitig die Abschaffung des § 34a der Gewerbeordnung?
Diese Frage steht nicht an. Es geht um den sogenannten Sitzschein. Und dieser bliebe bis auf wenige Ausnahmen weiter bestehen. Ein Punkt, den ich für bedeutsam halte. Es sollte sich schon am Ende ein Ergebnis zeigen, bei dem man feststellen kann, ob das „Sitzen“ auch einen Erfolg gebracht hat. Ziel muss daher die generelle Einführung der Sachkundeprüfung sein. Dann muss jeder potenzielle Beschäftigte einen Basislehrgang mit erfolgreicher schriftlicher und mündlicher Prüfung ablegen. Das ist allerdings in der gegenwärtigen Phase noch nicht vorgesehen. Hier will ich gleich anknüpfen. Es ist in dem Gesetzentwurf auch nichts über Fort- und Weiterbildung zu finden. Ich bin aber der Auffassung, dass Fort- und Weiterbildung in der Branche dringend geboten sind. Es gibt einen Vorschlag, mindestens 24 Stunden Fortbildung jährlich. Dafür könnte man die vom BDSW zertifizierten Fortbildungsstätten nutzen. Das ist eine Mindest-Forderung, die auch in den parlamentarischen Beratungsgang einfließen sollte. Dahinter steht immer die Frage nach der Qualität und Qualifikation.
Sind 24 Stunden Fortbildung pro Jahr nicht ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das sehe ich so nicht. Sie müssen schon in Betracht ziehen, dass es darum geht, einen Einstieg für verbindliche Mindestfortbildung zu finden. Im Moment haben wir keinen Ansatz zu verpflichtenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Man muss in der politischen Landschaft aufpassen, dass eine Forderung nicht von vorneherein als überzogen abgeschmettert werden kann. Es kommen schnell Argumente wie: Wer soll das bezahlen? Deshalb ist der gegenwärtige Ansatz der richtige, der auch einen gewissen Pragmatismus widerspiegelt, was erreicht werden kann und was nicht. Hier geht es in erster Linie darum, einen Fuß in die Tür zu kriegen, der – getragen von guter Erfahrung mit branchenübergreifender verbindlicher Fortbildung – weiter ausgebaut werden kann.
Sie haben sicher auch die parteilichen Befindlichkeiten im Blick. Wie stehen die Chancen für den Gesetzentwurf, die parlamentarischen Hürden zu nehmen?
Gut. Es liegt angesichts der großen gegenwärtigen Herausforderungen zwar nicht im Fokus der politischen Debatte. Es ist gleichwohl geplant, dass es bis Ende des Jahres eine Kabinettsfassung geben soll. In dieser sollte meines Erachtens auch das Ziel qualitätszentrierter Vergaben im Sinne des Bestbieter-Prinzips ein noch stärkeres Gewicht erhalten.
Ich will einen Punkt ansprechen, der strittig sein könnte: Die sogenannte Inhouse-Lösung. Kann so etwas zum Stolperstein werden?
Auch da gibt es einen Einstieg. Hier ist es wichtig, dass man nicht Möglichkeiten schafft, die gesetzlichen Vorgaben zu unterlaufen. Deshalb ist es wichtig, dass bei Gefahrenlagen die gleichen Kriterien in Bezug auf Zuverlässigkeit, Qualifikation, Schulung und Weiterbildung gelten müssen. Hier ist es ganz entscheidend, dass dieser Aspekt aus dem Blickwinkel der Aufgaben betrachtet wird und nicht der Entsendung. Ob das nun ein Juwelier ist, der die Sicherheit persönlich organisiert oder ob es ein Sicherheitsdienstleister ist, es darf bei den Anforderungen keine Unterschiede geben. Dieser Punkt ist allerdings aus der Sicht der Sicherheitswirtschaft noch nicht zufriedenstellend geregelt.
Kann der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft seine Stimme in die Waagschale werfen, um ein befriedigendes Ergebnis bei der Gesetzesformulierung zu erreichen?
Da muss man sich vor Augen führen, dass der BDSW auf vielen Schultern trägt. Das ist das Problem eines Verbandes. In seinem Falle ist die Interessenslage der Mitgliedschaft sehr heterogen. Aber keine Frage, der BDSW ist ein wichtiger Faktor.
Noch einmal zurück zu den Inhalten des Sicherheitsgewerbegesetzes. Was sind weitere wichtige Themen?
Greifen wir ein zentrales Beispiel heraus: Die Kettenbeauftragung, also die Untervergabe von Subunternehmen zu Subsubunternehmen. Diese häufig geübte Praxis ist ein Unding. Es kann nicht angehen, dass ein Sicherheitsunternehmen einen Auftrag erhält, aber kein Personal dafür hat oder zu eng kalkuliert und deshalb ein ums andere Mal auf diese risikobehaftete Praxis setzt. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Neben dem Sicherheitsgewerbegesetz steht nun auch das KRITIS-Dachgesetz an. Sind da Überschneidungen zu befürchten?
In diesem Gesetz soll der Schutz der kritischen Infrastruktur zusammengefasst werden. Da besteht bislang noch kein umfassender Ansatz; es gibt mindestens elf Sektoren, die für dieses Gesetz infrage kommen. Das KRITIS-Dachgesetz ist deshalb so in den Fokus geraten, weil immer deutlicher wird, dass wir als Bundesrepublik Deutschland doch sehr risikobehaftet sind. Wir haben dafür ein herausragendes Beispiel, das ist der Fall Nord Stream 2. Es wurden vorher kaum Gedanken über diese Fragen der Gefährdung verschwendet. Das trifft nun auf den Schutz unserer Flüssiggasterminals zu. Ebenso muss man den Blick auf die Sicherheit der Wasserversorgung richten.
An diesem Problem merkt man aber auch, wie unsere föderalen Strukturen die Lösung derartiger Aufgaben nicht einfacher machen. Beispielsweise beim Katastrophenschutz. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – BBK – ist nur bedingt zuständig. Wenn man also genau hinschaut, wird man feststellen, die private Sicherheitswirtschaft kann nur ein kleiner Mosaikstein in unserer Sicherheitsarchitektur sein. Aber das KRITIS-Dachgesetz sollte auf jeden Fall dazu beitragen, dass die Sicherheitswirtschaft eine sichere Bank in ihrem Aufgabenfeld ist – z. B., indem die explizite Empfehlung im Gesetz verankert wird, bei der Kooperation mit Sicherheitsdienstleistern Qualitätsnormen wie die EN 17483 „Private Sicherheitsdienstleistungen - Schutz kritischer Infrastrukturen“ anzuwenden. Gleichzeitig bieten sich im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgewerbegesetz Berührungspunkte, weil wir über dieses Gesetz auch mehr Qualität in das Gewerbe bringen können, um so gleichzeitig die Akzeptanz zu erhöhen, gegebenenfalls an Stellen, die durch das KRITIS-Dachgesetz erst richtig deutlich werden.
Also die Bürokratie als Hemmnis?
Die Forderung nach einer einheitlichen Verwaltungspraxis ist ein Thema für Durchführungsbestimmungen. Ich will zur Veranschaulichung von politischen Prozessen kurz auf das Bewacherregister eingehen. Gibt es einen Auftrag zur Bewachung eines sicherheitsrelevanten Objektes, stellt sich die Frage, wie man in diesem Fall in der Personalauswahl vorgeht. Es kann Bewerber geben, die wegen eines extremistischen Hintergrundes für die Erledigung dieser Aufgabe eine Gefahr darstellen. Dazu entstand die Idee, dass die Sicherheitsüberprüfung formal machbar sein müsse, das war der Anstoß zu einem Bewacherregister. Dieser ist auf der politischen Ebene auf Interesse gestoßen. Dieses Projekt vernetzt ungefähr 2.000 Ordnungsbehörden auf einer Plattform. Das war die eigentliche Herausforderung.
Wird mit dem Sicherheitsgewerbegesetz die Hoffnung der privaten Sicherheitswirtschaft neue Nahrung erhalten, in bislang hoheitliche Aufgaben einbezogen zu werden?
Ich glaube, diese Hoffnung wird sich an dieser Stelle nicht erfüllen. Ich habe in dem Gesetzentwurf nichts entdeckt, was darauf hindeutet, dass hier ein Türspalt für solche Vorstellungen geöffnet wird. Die private Sicherheitswirtschaft ist keine Konkurrenz zur Polizei. Sie kann eine Ergänzung für unterstützende Tätigkeiten sein. Das ist wohl auch politischer Konsens. So ist auch das Sicherheitsgewerbegesetz zu sehen.
Mehr Artikel vom Autor
Peter Niggl
Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight