Fehlende Mitarbeiter und ein fehlendes Gesetz
Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) erhofft sich mit dem Übergang der Branche in den Aufsichtsbereich des Innenministeriums und der Verabschiedung eines Gesetzes für die privaten Sicherheitsdienstleister, ein Anheben der Qualitätskriterien
Das Gesetz für die privaten Sicherheitsdienstleister wird zu einer HerausforderungBildquelle: CQF-avocat, pixabay
Tödlicher Einsatz wirft Fragen für die Zukunft auf
Das Gesetz für die privaten Sicherheitsdienstleister wird zu einer Herausforderung. Ob noch in dieser Legislaturperiode steht dabei in den Sternen. Eines aber ist jetzt schon absehbar: Es wird ein Kraftakt für das Gewerbe. Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) verweist seit langem auf einen enormen Personalbedarf in der Branche.
Die Zahl von 12.000 zu besetzenden Stellen wird, beruhend auf Angaben der Bundesagentur für Arbeit, immer wieder genannt. Aber diese numerische Betrachtung trifft nur einen Ausschnitt des Problems. Der BDSW erhofft sich mit dem Übergang der Branche in den Aufsichtsbereich des Innenministeriums und der Verabschiedung eines Gesetzes für die privaten Sicherheitsdienstleister ein Anheben der Qualitätskriterien.
Das Gewerbe expandiert, auch in diffizile Bereiche. Und es gibt immer wieder Misstöne, die nicht überhört werden dürfen. Am Ostersonntag hatte ein aus Kamerun stammender Mann in dem Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) „das Bewusstsein verloren, nachdem er von Sicherheitsmitarbeitern mit Gewalt zurück auf die Station gebracht wurde. Der Mann war dafür fixiert worden“, wie die Tagesszeitung „Welt“ berichtete.
Das Blatt weiter: „Medienberichten zufolge sollen Zeugen des Vorfalls berichtet haben, dass die Sicherheitsleute den Mann regelrecht verprügelt hätten.“ Bei „Spiegel-Online“ liest sich das Ganze so: „Drei Sicherheitsleute seien auf den Patienten losgegangen, als er sich geweigert habe, ein Medikament zu nehmen. Ein anonymer Mitarbeiter berichtete der Zeitung von Rassismus bei den Sicherheitsleuten.“ Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge.“
Wie soll künftig die Kontrolle aussehen
Hier soll und kann keine Schuldfrage problematisiert werden, vielmehr stellt sich die Frage, mit welchen Voraussetzungen sind Sicherheitsbedienstete ausgestattet, wenn sie solche Aufgaben zugewiesen bekommen. Dass Sicherheitsleute eingesetzt werden, um Patienten Medikamente gegen deren Willen zu verabreichen, würde jede rote Linie überschritten.
Mit dem neuen Gesetz für die Sicherheitsdienstleister wird der Aspekt in den Fokus gerückt werden müssen: Wie wird dem Einsatz ungeeigneten Personals rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben? Eine – bisher nur vage ins Spiel gebrachte – Aufsichtsbehörde als eigenständiges Amt beim Innenministerium könnte eine Einrichtung dafür sein. Im nun ins Visier der Öffentlichkeit geratenen UKE gibt es, laut „Spiegel“, „verschiedene Kanäle, bei denen Missstände gemeldet werden könnten.“ Eine solche Anlaufstelle für – notfalls anonyme – Hinweisgeber könnte unternehmensunabhängig eine staatliche Aufsichtsbehörde sein.
„…begründete Zweifel an der Auftragserfüllung“
Denn auch an anderer Stelle wiederholen sich bekannte Mängel. „Weil ein Sicherheitsdienstleister zu wenig und zu schlecht qualifiziertes Personal einsetzte, räumt das Land NRW die Flüchtlingsunterkunft in Bad Berleburg“, schrieb das genannte Blatt Anfang März. Es gebe „begründete Zweifel an der Auftragserfüllung des Sicherheitsdienstleisters“, teilte die Bezirksregierung Arnsberg mit.
Mit wachsenden Anforderungen werden immer wieder Defizite offensichtlich; ein Minus, das mit der Größenordnung von 12.000 unbesetzten Stellen nur unzulänglich beschrieben ist. Denn die genannten Vorfälle beschreiben – stellvertretend für viele ähnlich gelagerte – die Schwierigkeiten der Sicherheitsdienstleister.
Große Konkurrenz bei Mitarbeitersuche
Woher sollen die qualifizierten und motivierten Mitarbeiter der Branche kommen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben beschlossen, von 2017 bis 2021 insgesamt 7500 neue Polizeistellen zu schaffen. Der Personalkörper der Bundespolizei wird bis 2013 um insgesamt rund 12.600 zusätzliche Planstellen und Stellen gegenüber dem Stand im Jahr 2015 verstärkt. Die deutschen Geheimdienste haben Probleme mit der Besetzung offener Stellen.
Auch beim Bundesnachrichtendienst (BND) waren Ende August vergangenen Jahres fast 970 Planstellen unbesetzt, wie der "Spiegel" unter Berufung auf interne Unterlagen des Bundesrechnungshofs berichtete. Und beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sind dem Bericht zufolge aktuell mehr als 1000 Planstellen nicht besetzt. Allesamt dürften zweifellos die Sogwirkung auf den ohnehin ziemlich dünnen Arbeitsmarkt noch drastisch erhöhen.
Geld allein dürfte da nicht die Lösung sein, um an Fachkräfte zu kommen, wenngleich die Bezahlung nicht unterschätzt werden sollte. In NRW – dem Spitzenreiter bei den Tarifen – kann eine Fachkraft für Schutz und Sicherheit mit einem Tariflohn pro Stunde von 16,64 Euro rechnen. Damit ist ein Einkommen gewährleistet, das die Existenzgrundlagen deckt. In zehn Bundesländern liegt der tarifliche Stundenlohn für die Fachkräfte allerdings deutlich unter 13 Euro. Das bietet schon weniger Anreiz, einen Beruf zu ergreifen, dessen Arbeitszeiten in der Regel nicht gerade verlockend sind.
Wie ist es um die Ausbildung bestellt?
Exemplarisch sei eine Annonce zitiert, mit denen Aspiranten rekrutiert werden sollen, um sie für den Bereich der privaten Sicherheitsdienstleistung fit zu machen: „ALG-II-Empfängerinnen bzw. -Empfänger, die sich für eine Tätigkeit im Bewachungsgewerbe interessieren, können mit dieser Weiterbildung bei … die Grundlage für eine Arbeitsaufnahme bei Sicherheitsdienstleistern legen.“
Die im Volksmund inzwischen als Hartz-IVer titulierten und sicher oftmals zu Unrecht schief angesehenen Langzeitarbeitslosen sollen im Schnelldurchgang für Aufgaben befähigt werden, die zum Teil hohe soziale Kompetenz voraussetzen. Die Ausbildung der Polizei dauert für den mittleren Dienst rund 30 Monate und für den gehobenen Dienst 45 Monate.
Auch wenn Polizisten, die also eine erheblich längere Ausbildungszeit durchlaufen, beim Berufseinstieg finanziell nicht signifikant mehr verdienen, so ist doch die soziale Absicherung ein erheblicher Anreiz. Die Polizei wird auch nach der jetzt beschlossenen Personalaufstockung ein Konkurrent für die Sicherheitswirtschaft um neue Kräfte bleiben. „Jeder dritte Beamte ist älter als 51 Jahre“, schrieb die „Märkische Allgemeine“ im Mai zum Stand der Polizei in Brandenburg und ergänzt: „Um die Abgänge auszugleichen, will Brandenburg pro Jahr 400 Polizeianwärter im mittleren und gehobenen Dienst einstellen.“
„…+ 1.600 € Gutschein egal für was!!“
Wer wird den Wettbewerb um die besten Mitarbeiter gewinnen? Eine sicher kurios anmutende Frage, aber sie ist berechtigt. Wenn man bei den ebay Kleinanzeigen Inserate mit der Überschrift „Sachkunde §34a GewO (Security) + 1.600 € Gutschein egal für was!!“ findet, dazu eine Handynummer und ein Bild auf dem zu lesen ist „Sachkunde großer Schein umsonst“, kommen Zweifel an der Seriosität des Angebotes auf. An wen richten sich derartige Offerten, die fast wie die Einladung zu einer Kaffeefahrt klingen? Schrecken sie nicht ernsthafte Anwärter für den Beruf ab? Auch weil sie das „Milieu“ der dort Beschäftigten in einem äußerst zweifelhaften Licht erscheinen lassen.
Sicher wird das nun angepeilte Gesetz der privaten Sicherheitsdienstleister die Frage nicht unbeantwortet lassen, welche Kriterien für die Ausbildung künftig gelten werden. Und, das erscheint bei einem derart unübersichtlichen Markt mit 6500 Unternehmen und den vielfältigsten Auftraggebern unabdingbar, es muss eine Stelle geben, die regelmäßig die Standards überprüft.
Die oben schon erwähnte Aufsichtsbehörde könnte den Weg dafür ebnen, dass seriöse Sicherheitsdienstleister sich nicht länger für die Verfehlungen der schwarzen Schafe des Gewerbes rechtfertigen müssen. Ein steigendes Ansehen der Branche und ihrer Mitarbeiter wäre längerfristig zu erwarten. Mit Sicherheit ein Plus bei der Rekrutierung qualifizierter und motivierter Mitarbeiter.
Bildquelle: CQF-avocat, pixabay