Geplantes Sicherheitsgesetz: Motor für mehr Qualität in der gesamten Sicherheitsbranche
Wolfgang Bosbach und Fritz Rudolf Körper im security insight-Interview zum Thema Sicherheitsgesetz
KÖTTER Sicherheitsbeirats-Mitglieder Wolfgang Bosbach und Fritz Rudolf Körper im security insight-Interview
security insight sprach mit Wolfgang Bosbach und Fritz Rudolf Körper, Mitglieder des Sicherheitsbeirates von KÖTTER Security und renommierte Innenpolitiker, über Stand und Bedeutung der Umsetzung mit Blick auf den von der Sicherheitswirtschaft seit vielen Jahren verfolgten Zuständigkeitswechsel vom Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium sowie die von der großen Koalition geplante Schaffung einer eigenen Gesetzgebung für die Branche.
Herr Bosbach, Reformstau ist einer der Lieblingsvorwürfe gegen die Politik. Besteht das Risiko, dass sich die Gesetzesneuordnung für die Sicherheitsbranche hier einreihen wird?
Wolfgang Bosbach: Nein, dies ist längst nicht ausgemacht. Wie heißt es im Fußball so schön: das Spiel dauert 90 Minuten. Gemünzt auf die Sicherheitsgesetzgebung bedeutet dies: Zwar ist gut ein Drittel der Legislaturperiode vorbei – da ich aber davon ausgehe, dass sich Regierung und Parlament zügig und konstruktiv der Thematik widmen werden, stehen die Zeichen für die in dieser Legislaturperiode anvisierte Realisierung trotzdem weiter gut. Der gleichfalls geplante Wechsel vom aktuell zuständigen Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium, für den sich eine notwendige Verwaltungsvereinbarung in Vorbereitung befindet, wäre der geeignetste Zeitpunkt für den Start des geplanten Regelungswerkes für die Sicherheitswirtschaft.
Herr Körper, als früherer Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium sind Sie auch mit der staatlichen Sicht aufs Engste vertraut. Warum brauchen wir unbedingt ein neues Sicherheitsgesetz?
Fritz Rudolf Körper: Mit rund 260.000 Beschäftigten hat das Sicherheitsgewerbe rein zahlenmäßig fast die Größe der Polizei und ist schon heute wichtiger Partner speziell von Staat und Wirtschaft. Mit einem eigenen Gesetz würden wir zum einen diese bedeutende Rolle für die innere Sicherheit nachhaltig stärken und zum anderen zu unseren europäischen Nachbarn aufschließen, die bis auf Österreich längst über eine solche gesetzliche Regelung verfügen. Alles entscheidend für die Umsetzung bei uns ist, dass Politik und Gesetzgeber die zentralen Anliegen und Ziele der Sicherheitsbranche teilen können. Heißt: Wir müssen Politik und Ministerien hierfür mit klar verständlichen Zielen und Inhalten begeistern.
Was muss dabei aus Ihrer Sicht im Fokus stehen?
Körper: Neben der formalen Stärkung der Sicherheitswirtschaft in der bundesdeutschen Sicherheitsarchitektur geht es vor allem darum, höhere Qualitätsstandards über die komplette Branche hinweg zu verankern. Dies ist das A und O, um das Gewerbe in seiner gesamten Breite zu einem soliden und hochqualitativen Partner für Staat und Wirtschaft zu entwickeln und damit auch den Weg für neue Kooperationen frei zu machen.
… heißt konkret?
Bosbach: Es wäre zu begrüßen, wenn die Schaffung höherer Eintrittsbarrieren speziell für künftige Gewerbetreibende, wie sie in der letzten Legislaturperiode eingeleitet wurden, im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt würde. Sämtliche Auflagen für das Betreiben eines Gewerbes müssten natürlich um regelmäßige Überprüfungen ergänzt werden. In diesem Zuge sollten die Kriterien für aktuelle Sicherheitsunternehmer gleichfalls kritisch auf den Prüfstand kommen. Wir müssen verhindern, dass Unternehmer am Markt sind, die weder das notwendige Know-how mitbringen noch die erforderlichen Personal- und Sachmittel nachweisen können, um seriös zu agieren. Ziel sollte es sein, nicht den vermeintlichen Erfolg in Dumpingpreisen zu suchen, die ausschließlich durch Dumpinglöhne möglich sind.
Die Unternehmer sind aber nur die eine Seite der Medaille. Was ist mit den Sicherheitsmitarbeitern, welche die konkrete Arbeit vor Ort erbringen?
Körper: Diese stehen selbstverständlich ebenfalls im Mittelpunkt, weshalb auch die aktuell bestehenden Regelungen für Beschäftigte möglichst ausgebaut werden sollten. Ein Ansatzpunkt wäre, die jetzt bereits für bestimmte Tätigkeitsfelder geltende Sachkundeprüfung auf alle Beschäftigten der Sicherheitsbranche auszuweiten und damit die zurzeit bestimmende Unterrichtung bei der IHK abzulösen. Einhergehend damit erscheint die Anpassung der Prüfungsverordnung durch mehr Praxisbezug sinnvoll. Für spezielle Einsatzgebiete wie kritische oder sensible Infrastrukturen sollten selbstverständlich noch höhere Qualifikationsanforderungen gelten. Last, but not least wäre ein weiterer großer Fortschritt, wenn in diesem Gesamtkontext alle Unternehmen dazu verpflichtet würden mehr in Aus- und Weiterbildung zu investieren.
Wäre damit der von der Branche erhoffte große Wurf geschafft?
Körper: Meines Erachtens, ja. Vor allem, wenn im Zuge der rechtlichen Neuordnung zusätzlich noch das Thema Subunternehmer mit erörtert würde. Denn ihr übermäßiger Einsatz gehört zu den größten Sicherheitsrisiken. Daher sollten sämtliche angeregten Anforderungserhöhungen an Gewerbetreibende, Mitarbeiter etc. möglichst in gleichem Maße auch von Nachunternehmern zu erbringen sein. Zumal Auftraggeber durch die aktuell häufig praktizierte Weitergabe an Sub-Subunternehmer gar nicht den Überblick behalten können, wer am Schluss mit welchen Qualifikationen und Überprüfungen überhaupt für sie im Einsatz ist. Der gesetzliche Ausschluss von Kettenbeauftragungen wäre daher sicher überlegenswert.
Aber der Verzicht auf Subunternehmer ist doch kein primäres Thema der Politik. Gilt es hier nicht vor allem, die Auftraggeber zu überzeugen?
Bosbach: Dies muss Hand in Hand gehen. Selbstverständlich sollte sich möglichst bei allen Auftraggebern – und dies gilt in besonderem Maße für die öffentliche Hand – die Erkenntnis durchsetzen, dass der Billigste nicht der Wirtschaftlichste sein muss: so kann nicht nur die Sicherheit durch unzureichende Leistungserbringung oder den angeführten Subunternehmer-Einsatz leiden; Nachjustieren oder Neuausschreiben sorgt zudem für Folgekosten, die so nicht bedacht werden. Beim Gegensteuern kann der Gesetzgeber wichtige Schützenhilfe leisten, indem im Zuge der beschriebenen großen Gesetzesanbahnung für die Sicherheitswirtschaft auch die Vergabepraxis inhaltlich mit erörtert und möglichst reformiert würde. Das Bestbieterprinzip, bei dem Qualität und Preis in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, bietet sehr hilfreiche Ansatzpunkte.
Herr Bosbach, Herr Körper, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Bildunterschriften:
Herr Bosbach.jpg“: Wolfgang Bosbach, Mitglied des KÖTTER Sicherheitsbeirates und einer der renommiertesten Innenexperten Deutschlands. ©: Manfred Esser.
„Herr Körper.jpg“: Fritz Rudolf Körper, Staatssekretär a. D., war u. a. Parlamentarischer Staatssekretär von Bundesinnenminister Otto Schily. Er gehört ebenfalls dem KÖTTER Sicherheitsbeirat an. ©: KÖTTER Services.