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Produktsicherheitsrechtliche Anforderungen für Gebrauchsanleitungen

16.11.2021

Gebrauchsanleitungen haben für die Bereitstellung und Verwendung von Produkten eine große Bedeutung. Nachfolgend wird zunächst die Relevanz von Gebrauchsanleitungen im produktsicherheits- und arbeitsschutzrechtlichen Kontext erläutert. Anschließend wird dargestellt, welche Anforderungen Produkthersteller bei der Erstellung von Gebrauchsanleitungen erfüllen müssen und welche typischen Probleme dabei bestehen.

Relevanz von Gebrauchsanleitungen im produktsicherheits- und arbeitsschutzrechtlichen Kontext

Im produktsicherheitsrechtlichen Kontext stellen die gesetzlichen Anforderungen über die Bereitstellung von Gebrauchsanleitungen Marktzugangsvoraussetzungen dar, die der Produkthersteller vor dem Inverkehrbringen des Produkts erfüllen muss. Bauprodukte und Maschinen dürfen etwa ohne Gebrauchsanleitung nicht in den Verkehr gebracht werden, Art. 11 Abs. 6 BauPVO und § 3 Abs. 2 Nr. 3 9. ProdSV. Verstößt der Produkthersteller gegen seine Pflicht zur Bereitstellung einer Gebrauchsanleitung, erfüllt dies regelmäßig einen Bußgeldtatbestand, siehe z. B. für Bauprodukte § 8 Abs. 2 Nr. 8 BauPG. Außerdem kann die zuständige Marktüberwachungsbehörde das Inverkehrbringen des betroffenen Produkts ohne erforderliche Gebrauchsanleitung untersagen. Darüber hinaus werden auch Importeure und Händler nach produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften regelmäßig verpflichtet, vor der Bereitstellung eines Produktes zu prüfen, ob die erforderliche Gebrauchsanleitung dem Produkt beiliegt, siehe z. B. für Bauprodukte Art. 13 Abs. 4 BAuPVO und Art. 14 Abs. 2 BAuPVO.

Gesetzliche Pflichten bestehen bezüglich Gebrauchsanleitungen im arbeitsschutzrechtlichen Kontext auch für die Produktverwendung. Bevor Produkte bzw. Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden, muss der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, bei der insbesondere die sicherheitsrelevanten Angaben innerhalb der Gebrauchsanleitung zu berücksichtigen sind, § 3 Abs. 4 BetrSichV. Auch hinsichtlich der Instandhaltung eines Arbeitsmittels muss der Arbeitgeber entsprechende Herstellerangaben innerhalb der Gebrauchsanleitung berücksichtigen, § 10 Abs. 1 BetrSichV.Hiernach wird deutlich, dass Gebrauchsanleitungen eine besondere Relevanz für die rechtskonforme Bereitstellung und Produktverwendung haben.

Inhaltliche Anforderungen

Die inhaltlichen Anforderungen für Gebrauchsanleitungen sind divers und müssen für jedes Produkt gesondert ermittelt werden. Generell müssen Gebrauchsanleitungen sämtliche Informationen enthalten, die für eine sichere Produktverwendung nötig sind. Der Produkthersteller muss daher ausgehend von der vorgesehenen Nutzung seines Produktes ermitteln, welche Informationen der Endnutzer für eine sichere und bestimmungsgemäße Produktverwendung benötigt. Dies kann etwa Informationen und Anweisungen zur Montage und Errichtung des Produkts (soweit erforderlich), zur Verwendung des Produkts sowie Informationen und Anweisungen zur Instandhaltung des Produkts betreffen.Dabei werden die inhaltlichen Anforderungen häufig durch produktspezifische Vorschriften und harmonisierte Normen konkretisiert. Die inhaltlichen Anforderungen werden etwa für Maschinen in Anhang I der Richtlinie 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie) und innerhalb der DIN EN ISO 20607:2019 präzisiert.

Sofern eine Gebrauchsanleitung in sicherheitsrelevanten Punkten inhaltlich falsch oder unvollständig ist, kann der Endnutzer des Produkts ggf. als Käufer gegen den Verkäufer Gewährleistungsansprüche geltend machen (OLG München, Urt. v. 09.03.2006 - Az. 6 U 4082/05). Denkbar sind außerdem Schadensersatzansprüche nach Deliktsrecht und Produkthaftungsgesetz, sofern die inhaltlich fehlerhaften oder unvollständigen Angaben zu Rechtsgutsverletzungen und Schäden bei dem Endnutzer führen.

Sprachliche Anforderungen

Auch die sprachlichen Anforderungen müssen für jedes Produkt gesondert ermittelt werden. Eine universell gültige Sprache existiert für Gebrauchsanleitungen im produktsicherheitsrechtlichen Kontext nicht. Grundsätzlich gilt aber, dass Gebrauchsanleitungen in der Sprache des Ziellandes zu verfassen sind, in dem das jeweilige Produkt in den Verkehr gebracht werden soll, vgl. etwa Ziff. 1.7.4. Anhang I Maschinenrichtlinie.Diese produktsicherheitsrechtliche Vorgabe führt bei der Konzeption der Gebrauchsanleitung häufig zu Problemen, weil das Zielland eines Produktes nicht immer von vornherein feststeht. Deshalb verfassen Produkthersteller ihre Gebrauchsanleitungen oftmals in mehreren Amtssprachen (z. B. deutsch, englisch und französisch), was oftmals die Leserlichkeit der Gebrauchsanleitung behindert, letztlich aber auf entsprechende produktsicherheitsrechtliche Vorgaben zurückzuführen ist.

Formelle Anforderungen - Zulässigkeit von Internetlösungen?

Insbesondere für Produkthersteller stellt sich die Frage, in welcher Form die Gebrauchsanleitung bereitzustellen ist. Denkbar ist etwa eine klassische Bereitstellung in Papierform oder eine Bereitstellung in digitaler Form als Internetlösung (z. B. mittels eines QR-Codes oder per E-Mail als PDF-Dokument).In welcher Form die Gebrauchsanleitung bereitzustellen ist, muss produktspezifisch beurteilt werden. Typischerweise sind Gebrauchsanleitungen nach den einschlägigen Vorschriften „beizufügen, beizulegen oder zur Verfügung zu stellen“. Aus dem Wortlaut der einschlägigen produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften wird daher abgeleitet, dass die Gebrauchsanleitung dem Produkt in „verkörperter Form“ beiliegen muss. Dies kann jedenfalls in Papierform, aber auch mittels Beilegung eines digitalen Datenträgers erfolgen (z. B.: CD-ROM, LG Potsdam, Urt. v. 26.06.2014 – 2 O 188/13).

„Reine“ Internetlösungen sind hingegen trotz der in anderen Bereichen voranschreitenden Digitalisierung mit rechtlichen Risiken verbunden. Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise die Zulässigkeit einer „reinen“ Internetlösung vertreten (so etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 28.02.2019 - 6 U 181/17 zur Bereitstellung per E-Mail als PDF-Dokument), jedoch fehlt eine höchstrichterliche und produktübergreifende Klärung dieser Rechtsfrage. Zudem ist festzuhalten, dass die Marktüberwachungsbehörden „reine“ Internetlösungen häufig als unzulässig bewerten. Für Bauprodukte vertritt das DIBt als zuständige Marktüberwachungsbehörde etwa in seinem FAQ zur Bauproduktenverordnung die Ansicht, dass die alleinige elektronische Bereitstellung von Gebrauchsanleitungen unzulässig ist.

Produktherstellern ist daher vor dem Hintergrund der Relevanz einer rechtskonformen Bereitstellung von Gebrauchsanleitungen (Verbot des Inverkehrbringens, Bußgeldtatbestände) anzuraten, die erforderlichen Gebrauchsanleitungen den jeweiligen Produkten jedenfalls „in verkörperter Form“ beizulegen. Dies kann rechtskonform mittels Papierform oder mittels Beilegung eines digitalen Datenträgers erfolgen. Daraus folgt zugleich, dass Produkthersteller gesetzlich nicht verpflichtet sind, den Endnutzern Gebrauchsanleitungen in digitaler Form bereitzustellen. Etwas anderes kann sich im Einzelfall allenfalls aus vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Endnutzer und Produkthersteller ergeben.

Ausblick

Die produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften über Gebrauchsanleitungen geraten zunehmend in den Fokus des zuständigen Unionsgesetzgebers. Insbesondere aus Aspekten der Digitalisierung wären gesetzliche Neuregelungen hinsichtlich der formellen Anforderungen an Gebrauchsanleitungen wünschenswert. Dementsprechend ist etwa im Entwurf der EU-Kommission zur Regelung einer Maschinenverordnung in Ziff. 1.7.4. Anhang I Verordnungsentwurf vorgesehen, dass die Gebrauchsanleitung in „digitaler Form“ bereitgestellt werden darf. Auf Verlangen des Käufers soll jedoch kostenlos eine Gebrauchsanleitung in Papierform zur Verfügung gestellt werden. Ob und inwieweit diese gesetzliche Lösung für Maschinen und andere Produktkategorien umgesetzt wird, sollten sowohl Produkthersteller als auch Endnutzer beobachten.

http://www.kn-law.de

 

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Suhayl Ungerer

Suhayl Ungerer ist Rechtsanwalt in der Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB, einer hochspezialisierten, bundesweit tätigen Kanzlei für die Rechtsgebiete Umwelt-, Produkt und Planungsrecht mit Büros in Berlin und Düsseldorf. Er berät vor allem Hersteller, Händler und Importeure zu produktumwelt- und produktsicherheitsrechtlichen Fragen.

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