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Rechtliche Pflichten eines am Tiefbau beteiligten Geologen

12.09.2021

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Pflichten eines am Tiefbau beteiligten Geologen , den Voraussetzungen seiner deliktischen Haftung sowie mit der Rechtsprechung des BGH zu dem entgangenen Gewinn des Netzbetreibers

Strom weg, Lampe aus – die Leitungsschäden.

Schäden, die sich durch die Beschädigung einer Versorgungsleitung bei Erdarbeiten ereignen, mehren sich. Sachversicherungen werden jedes Jahr 100.000 Schadenfälle gemeldet, wofür 500 Mio. an Entschädigung gezahlt werden. Schäden, die bei dem Einsatz von Baumaschinen, z. B. Bagger-, Bohr-, Ramm-, Schürf- und Vortriebsarbeiten entstehen, machen davon 80 % aus.1) Der Schaden an der Versorgungsleitung selbst ist dabei wirtschaftlich zu vernachlässigen, der Ausfall ihrer Leistung hingegen kann zu bedeutenden Folgeschäden führen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Pflichten eines am Tiefbau beteiligten Geologen (= Versicherungsnehmer), den Voraussetzungen seiner deliktischen Haftung sowie mit der Rechtsprechung des BGH zu dem entgangenen Gewinn des Netzbetreibers aufgrund der Herabsetzung der Erlösobergrenze durch die Bundesnetzagentur.

1 BGI 759, Schutzmaßnahmen bei Erdarbeiten in der Nähe erdverlegter Kabel und Rohrleitungen (Ausgabe 09/2010).

  1. Allgemeine Verkehrssicherungspflichten

Eine Definition, die die genauen Pflichten eines am Tiefbau beteiligten Geologen beinhaltet, gibt es nicht. Es kommt auf den konkreten Einzelfall an. Der Umfang der Pflichten wird durch die Gefahrenquelle selbst bestimmt und durch die von ihr ausgehenden Risiken. Von dem Einzelnen wird aber mehr verlangt, als nur den Dritten von schädigenden Handlungen zu schützen. Es wird viel eher von ihm verlangt, dem Entstehen von Gefahrenquellen durch eigenes Handeln zu begegnen.2) Die Verletzung dieser Pflichten wird durch § 823 BGB sanktioniert. § 823 BGB ist eine deliktische Anspruchsgrundlage. In Abgrenzung zu vertraglichen Anspruchsgrundlagen muss zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vor Eintritt der Pflichtverletzung keine vertragliche Beziehung bestanden haben.

Verkehrssicherungspflichten sind auch übertragbar. Wird ein Subunternehmer mit den Erdbohrungsarbeiten beauftragt, gehen auf diesen auch die Pflichten aus der Verkehrssicherung über. Den Übertragenden treffen dann (immer noch) Kontroll- und Überwachungspflichten. 3) Verletzen sowohl der Subunternehmer als auch der Hauptunternehmer ihre jeweiligen Pflichten kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der beiden in Betracht.

2 Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 2 f.

3 Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 13

  1. Fallbeispiele

Anhand von zwei Fallbeispielen sollen die Rechte und Pflichten des Unternehmers verdeutlicht werden.

2.1 Fallbeispiel 1 (Ausgangsfall):

Im Ausgangsfall wird der Versicherungsnehmer von der Stadt A mit der geologischen Beschaffenheitsuntersuchung des Erdreichs mittels Erdbohrungen beauftragt. Die Stadt übergibt dem Versicherungsnehmer Lagepläne von Versorgungsleitungen im Erdreich. Bei Ausführung der Erdbohrungen kommt es zur Beschädigung einer Stromleitung. Der Netzbetreiber nimmt den Unternehmer für die Reparatur des Stromkabels in Höhe von 6.200 Euro in Anspruch.

Zwischen dem Geologen und dem Netzbetreiber besteht kein Vertragsverhältnis. Der Netzbetreiber hat aber gegenüber dem Geologen einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Der Geologe hat durch Verletzung seiner Versicherungspflicht auf das Eigentum (Kabel/Leitung) des Netzbetreibers schädigend eingewirkt. Im Vergleich zu der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht sprechen die Gerichte dem am Tiefbau beteiligten Unternehmer und einem dementsprechend beauftragten Geologen eine besondere Sicherungspflicht zu.4) Begründet wird dies mit der Gefahrträchtigkeit seiner Arbeiten.

Vorliegend hat der Geologe seine Sorgfaltspflichten verletzt, da er es fahrlässig unterlassen hat, den Leitungsplan bei dem Netzbetreiber einzuholen.

Jeder, der an Erdgrabungsarbeiten direkt beteiligt ist, hat diejenigen Sorgfaltspflichten an den Tag zu legen, die für einen Tiefbauunternehmer durch die Rechtsprechung entwickelt wurden.

Demnach gilt Folgendes: Wenn Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Versorgungsleitungen bestehen, hat der Tiefbauunternehmer vor Beginn seiner Arbeiten bei sämtlichen zuständigen Stellen Erkundigungen (sog. Erkundungspflicht) einzuholen.5)

Die Einsicht in die Pläne gewährt ihm in der Regel den erforderlichen Grad an Gewissheit über die Lage und den Verlauf der Leitungen.6) Neben den Plänen hat er auch die Kabelschutzanweisungen zu beachten. Er muss nachforschen, welche Versorgungsbetriebe eventuell Versorgungsleitungen in dem entsprechenden Gebiet unterhalten.7) Bei all diesen Unternehmen muss er nach vorhandenen Leitungen Erkundigungen einholen. Zur Nachweisbarkeit seiner Nachforschungen sollte er sich die Auskünfte schriftlich geben lassen. Auch dann wenn der Versorger das Vorhandensein von Leitungen verneint.

In unserem Ausgangsfall war es unstreitig, dass der Leitungsplan des Stromversorgers den Unterlagen, welche er von der Stadt erhalten hatte, nicht beilag. Der Geologe hätte vorab alle Leitungspläne bei den Versorgern einholen müssen.

Die Gerichte begründen die Haftung des Geologen damit, dass er damit rechnen muss, dass Versorgungsleitungen vorhanden sind und dass er sich sorgfältig über deren Lage informieren muss. Dabei durfte er nicht auf die Vollständigkeit der von der Stadt übergebenen Unterlagen vertrauen. Nach einem Urteil des OLG Frankfurt aus dem Jahr 2006 darf er sich nicht auf Aussagen von Dritten verlassen (vgl. OLG Frankfurt, 10.02.06, 8 U 181/05). Zu seinen Pflichten gehört es demnach auch, die Unterlagen auf Vollständigkeit zu kontrollieren. Ohne diese ist es ihm nicht möglich seine Ausführungspläne ordnungsgemäß zu erstellen. Pflichtverletzungen Dritter entlasten den Unternehmer gegenüber dem Anspruchsteller nicht.

Selbiges gilt für den Subunternehmer. Dieser kann sich nicht darauf berufen, dass der Hauptunternehmer ihm die Pläne nicht zur Verfügung gestellt hat. Der Subunternehmer ist persönlich verpflichtet, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Er kann sich nicht damit entlasten, er wäre nur in untergeordneter Stelle tätig geworden.8) Durch die vertragliche Übernahme entsteht eine Eigenhaftung des Subunternehmers. Es sollte aber eine genaue Absprache stattfinden, wem welche Pflichten obliegen.

2.1.1 Weitere Schadenpositionen: „Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb“

Der Beschädigung von Versorgungsleitungen kann bei Gewerbetrieben zu Umsatzeinbußen und Produktionsausfall führen. Kunden können aufgrund von Straßenabsperrungen, die für die Schadenbehebung notwendig werden, die Betriebe nicht erreichen oder Produktionsmaschinen werden nicht mit Strom versorgt.

Die geschädigten Betreiber können sich dann ggf. gemäß § 823 Abs. 1 BGB bei dem Schädiger schadlos halten. Denn unter die 6. Alt. „sonstiges Recht“ unterfallen auch „Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb“. Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Eingriff als betriebsbezogen zu werten ist. Dabei muss eine unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs vorliegen. Die Unmittelbarkeit wiederum ist zu bejahen, wenn sich der Eingriff nach objektiven Maßstäben spezifisch gegen den betrieblichen Organismus richtet.9)

Die Beschädigung einer Versorgungsleitung, die zum Stillstand von Produktionsmaschinen führt, wird nicht als unmittelbar angesehen. Die Beeinträchtigung liegt außerhalb des Betriebs und richtet sich nur mittelbar gegen diesen.

Eine Unmittelbarkeit kann angenommen werden, wenn der direkte Zugang zum Betrieb (z. B. Verhinderung der Nutzung eines Betriebsgrundstücks) erschwert bzw. unmöglich wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn Baumaschinen, die zur Behebung des Mangels notwendig sind, den Zugang versperren.

2.1.2 Mithaftung des Leitungsinhabers

Den Leitungsinhaber trifft eine Mithaftung (gem. § 254 BGB), wenn er unzutreffende Angaben zum Leitungsverlauf macht.

Streitig ist, ob der Leistungsinhaber eine eigene Erkundungspflicht hat, wenn die Lage der Leitungen im Bereich der Erdarbeiten nicht eindeutig ist. Sollte der Geologe feststellen, dass der Lageplan fehlerhaft ist, sollte er dies dem Leitungsinhaber sofort anzeigen, um so seine Haftung auszuschließen.

2.2 Fallbeispiel 2:

Erkundungspflicht für Versorgungsleitungen auf Privatgrundstück In Abwandlung zu dem Ausgangsfall befindet sich die beschädigte Leitung des Netzbetreibers nun auf dem Privatgrundstück des Verbrauchers. Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem durch einen Tiefbauunternehmer ein Mittelstromkabel beschädigt wurde. Aufgrund seiner „wilden“ und „bogenartigen“ Verlegung befand sich ein Teil des Mittelstromkabels auf dem Privatgrundstück. Der Unternehmer, welcher eine Regenentwässerungsanlage verbauen sollte, hatte Kenntnis von der Hausanschlussleitung und legte diese ordnungsgemäß per Handschachtung frei. Die Grundstückseigentümerin verneinte die Nachfrage auf weitere Leitungen. Unter Verwendung eines Baggers für die weiteren Grabungsarbeiten wurde dann das Mittelstromkabel (das nicht mit der Hausleitung verbunden war) beschädigt.

Der BGH wies die Schadensersatzklage des Netzbetreibers zurück. Der Unternehmer habe auf Privatgrundstücken, nur dann dieselben Anforderungen an Erkundungs- und Sorgfaltspflichten wie bei Arbeiten auf öffentlichen Grund zu beachten, wenn sich ihm Anhaltspunkte für weitere Versorgungsleitungen aufdrängen. Nach der erfolgreichen Freilegung der Leitung per Handschachtung durfte sich der Unternehmer auf die Aussagen der Grundstückseigentümerin verlassen.10)

Die Frage, welche Pflichten der Unternehmer hat, wenn er auf einem privaten Baugelände (z. B. Industriegelände) von weiteren Versorgungsleitungen auszugehen hat, deren Übergabepunkt und damit deren Lage nicht genau bekannt ist, ist strittig und kann abschließend noch nicht bewertet werden.

4 Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 138.

5 LG Koblenz, VersR 1982, 477; Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 148.

6 OLG Frankfurt, Urteil vom 26. Oktober 1995 – 1 U 152/94 –, juris; Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 158.

7 LG Kassel, VersR 1978, 1050; Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 150.

Bei folgenden Versorgern sind immer Informationen einzuholen: Dt. Telekom, DB, Elektrizitäts- und Wasserwerke, Gemeinden f. Abwasserleitungen, Gasversorger. Je nach vorhandenen Hinweisen kann der Bedarf bestehen, auch bei weiteren Unternehmen/Versorgern Informationen einzuholen. Die oben genannte Auflistung ist damit nicht abschließend.

8 Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 160

9 Palnadt/Sprau, 73. Auflage, § 823, Rn. 128

10 BGH 20.12.2005 – VI ZR 33/05; Maurer, Handbuch des Baugrund- und des Tiefbaurechts, 5. Aufl., 9. Kap. Rn. 16

  1. Schadenposition: Einnahmeeinbuße der von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenze

Zukünftig von Relevanz wird der Anspruch der Netzbetreiber auf entgangenen Gewinn aufgrund der herabgesetzten Erlösobergrenze sein. Gemäß § 21a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und nach den §§ 19, 29 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) hat die Bundesnetzagentur die Möglichkeit, Anreize für eine zuverlässige Stromversorgung zu setzen. Dadurch soll die Qualität der Versorgung bewertet werden. Die Bundesnetzagentur kann aufgrund eines Kabelschadens gegen den Versorger einen Malus verhängen. Dieser Malus hat Einfluss auf die Erlösobergrenzen der Netzbetreiber. Hierbei handelt es sich um die Obergrenzen der zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers aus den Netzentgelten (§ 4 ARegV). Vereinfacht gesagt, der Gewinn des Netzbetreibers verringert sich durch den Kabelschaden.

Lange wurde die Frage bei den Gerichten, ob der Netzbetreiber diesen entgangenen Gewinn als Schadensersatzanspruch bei dem Schädiger des Kabels geltend machen kann, unterschiedlich entschieden. Durch das Grundsatzurteil des BGH im Mai 2018 (BGH, Urteil vom 08.05.2018 – VI ZR 295/17) ist diese Frage hochrichterlich zugunsten der Netzbetreiber entschieden worden. Durch die Unterbrechung entsteht dem Netzbetreiber ein Eigentumsschaden, den er gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend machen kann. Die Begrenzung der jährlichen Erlöse durch die Bundesnetzagentur wertet der BGH als entgangenen Gewinn und mithin als Schaden i. S. d. § 249 ff. BGB. Die Netzbetreiber können durch die Unterbrechung ihre Produktionsmittel nicht gewinnbringend nutzen. Der Malus, den die Bundesnetzagentur festlegt, stellt den Schaden der Höhe nach dar, den der Betreiber geltend machen kann.

Die wichtigsten Informationen auf einen Blick

  • Es ist kein Vertragsverhältnis zwischen dem Geologen und dem Netzbetreiber für einen Schadensersatzanspruch notwendig.
  • Wenn Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Versorgungsleitungen bestehen, hat der Geologe vor Beginn seiner Arbeiten bei sämtlichen zuständigen Stellen Erkundigungen (sog. Erkundungspflicht) einzuholen.
  • Seine Erkundigungen sollten schriftlich nachweisbar sein.
  • Kontrolle ist besser! Zu den Pflichten des Geologen gehört es, die Unterlagen auf Vollständigkeit zu kontrollieren
  • Der Subunternehmer ist persönlich verpflichtet, sich die notwendigen Informationen einzuholen.
  • Der Geologe hat im Verhältnis zum Subunternehmer immer noch Kontroll- und Überwachungspflichten.
  • Den Leitungsinhaber kann gem. § 254 BGB eine Mithaftung treffen, wenn er unzutreffende Angaben zum Leitungsverlauf macht.
  • Die Netzbetreiber können einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns geltend machen.

Autor: Sven Rudnick, Syndikusrechtsanwalt, Kompetenzcenter Firmenschaden, Planungshaftpflicht, HDI Versicherung AG, Köln

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