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Das Kreuz mit der Kreuzfahrt

03.12.2025

Steigende Gewalt, Diebstähle und Übergriffe auf Kreuzfahrten belasten die Branche und gefährden Passagiere. Ein Blick auf aktuelle Risiken und Trends.

Das Kreuz mit der Kreuzfahrt

Steigende Vorfälle auf Kreuzfahrtschiffen zeigen wachsende Sicherheitsrisiken für Passagiere und Crew. Foto: www.istockphoto.com / Bildnachweis: Panama7

Der britische „Independent“ meldete Mitte Mai dieses Jahres, die Kriminalitätsrate und Sicherheit an Bord von Kreuzfahrtschiffen seien in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, nachdem es während einer Minikreuzfahrt an Bord der MSC „Virtuosa“ zu einer Auseinandersetzung gekommen war, die zu Mordermittlungen geführt hätten“. 

Insgesamt 34,64 Millionen Menschen begaben sich 2024 auf Kreuzfahrt, so der Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA). Und fast alle konnten unbeschadet am Ende wieder von Bord gehen. „Fast alle“ heißt jedoch auch, dass es bisweilen kein Happy End gab.

„ Anstieg der Kriminalität“

Die kritische italienische Zeitschrift „Tra i Leoni“ goss im Oktober 2022 etwas Meerwasser in den Wein kreuzfahrerischer Glückseligkeit: „Morde, mysteriöses Verschwinden, das als Selbstmord registriert wurde, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe … 2019 kam es zu einem beispiellosen Anstieg der Kriminalität auf Kreuzfahrtschiffen. … Nur wenige Fälle erreichen die Medien.“ 2019 ist für viele Statistiken in der Kreuzfahrt das Schlüsseljahr. Die Autorin des Artikels setzt sich im Oktober 2022 mit juristischen Problemen der Seefahrt auseinander. Sie greift zuweilen weit zurück: „Zu den bekanntesten zählt sicherlich das seltsame Verschwinden der jungen Amy Bradley im Jahr 1998.“ Stellt dann aber fest, die Zahl der Verbrechen an Bord von Kreuzfahrtschiffen ist viel höher, als man es sich vorstellen könnte.“ Dieser Aussage lässt sie ihr Fazit folgen: „Jedes Jahr gehen Millionen Menschen beruflich oder privat an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Ein kleiner Prozentsatz von ihnen verschwindet.“ Sie zählt die Namen von sieben Personen auf, deren Schicksal stellvertretend für ein Problem steht. Die Untersuchung dieser Fälle erweist sich als äußerst kompliziert: Polizeikräfte aus verschiedenen Ländern sind involviert“, und die Rechtslage sei „nie eindeutig genug“ gewesen.

Todesfälle auf Kreuzfahrtschiffen sind zwar wirklich selten, man sollte sie aber nicht außer Acht lassen. Nicht selten werfen sie zugleich ein bezeichnendes Licht auf die Zustände im Bereich der Sicherheit. 

Keilerei an Bord, kein Einzelfall

Manchmal können Vorfälle, die auf den ersten Blick wie eine Posse klingen, weiterreichende Folgen haben … für jeden Passagier. Das zweitgrößte Kreuzfahrtschiff der Welt, die für 7000 Passagiere ausgelegte „Wonder of the Seas“ musste am 15. September dieses Jahres, kurz nachdem sie den Hafen von Miami verlassen hatte wieder dorthin zurückkehren. Der Grund hierfür war eine Prügelei zwischen Passagieren am Pool des Luxusliners, bei denen zwei Passagiere zwar nur leicht verletzt wurden, aber an Bord nicht medizinisch versorgt werden konnten.

Passagiere außer Rand und Band sind auf hoher See beileibe kein singuläres Vorkommnis. Nur wenige Wochen zuvor, am 2. August, waren sich Reisende der „Carnival Sunshine“ in die Haare geraten. Auf der Website des „Westfälischen Anzeigers“ wurde das Geschehen in süffisantem Unterton wiedergegeben: „Am Buffet brach plötzlich eine wilde Massenschlägerei aus. Sogar die Security schien von dem Ausmaß schockiert. Der Anlass der Prügelei sorgte jedoch für Fragezeichen. Laut New York Post, sollen sich die Beteiligten wegen Chicken Tenders in die Haare gekommen sein. Dabei handelt es sich um panierte und frittierte Hähnchenfleischstreifen. Sie sind ein sehr beliebtes Fast-Food-Gericht und offenbar Anlass genug, um sich dafür zu prügeln.“ Wie in einem – von einem Passagier aufgenommenen und auf Instagram veröffentlichten Video-Clip zu sehen ist, nahm sogar die Security Reißaus. Laut Angaben von Gästen und den Aufnahmen in den sozialen Medien waren etwa 20 Personen an der Schlägerei beteiligt. 

Schwere Straftaten müssen gemeldet werden

Nach dem in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama 2010 verabschiedeten Gesetz „Cruise Vessel Security and Safety Act“ (CVSSA) müssen Kreuzfahrtschiffe, die in den USA anlegen oder von dort auslaufen, nur schwere Straftaten der Behörde melden. Dies umfasst zwar nicht alle illegalen Handlungen auf einem Schiff, aber alle mutmaßlichen schweren Straftaten, darunter Mord, Vermisstenfälle von US-Staatsangehörigen, Entführung, Manipulation eines Schiffes, verdächtige Todesfälle, sexuelle Übergriffe und Diebstähle von Werten über 10.000 US-Dollar.

Das in der texanischen Hauptstadt Austin ansässige Kreuzfahrt-Magazin „Cruzely“ stellt Vergleiche in der Entwicklung der Kriminalität auf Kreuzfahrtschiffen zwischen dem letzten Vor-Pandemie-Jahr (2019) und dem ersten Jahr nach der Pandemie (2023) an. Am beunruhigendsten sei „vielleicht, dass viele Straftaten stark zugenommen haben“, so „Cruzely“ im Januar 2024. Der Trend ist eindeutig steigend. „So gab es beispielsweise 2019 neun Körperverletzungen, verglichen mit 22 im Jahr 2023 – ein Anstieg um 144 Prozent. Diebstähle im Wert von mehr als 10.000 Dollar stiegen von 15 Fällen im Jahr 2019 auf 20 im Jahr 2023 – ein Anstieg um 33 Prozent.“ Besonders hebt man bei „Cruzely“ hervor, dass bis zum Jahr 2019 in den Statistiken nicht zwischen sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen unterschieden wurde. „Heute sind dies separate Kategorien. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 101 sexuelle Übergriffe gemeldet. Im Jahr 2023 gab es insgesamt 131 sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen – ein Anstieg um 30 Prozent.“

Eine „dunkle Wolke” über die Branche

Die Kriminalität an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die US-Häfen verlassen, hat – so heißt es in einer Studie der Northeastern University in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) – „mit 48 gemeldeten Vorfällen im ersten Quartal 2025 ein Zweijahreshoch erreicht“ und werfe, wie ein Experte es nennt, eine „dunkle Wolke” über die Branche. Der Anstieg, der durch Vorwürfe von Vergewaltigung, sexuellen Übergriffen und gewalttätigen Auseinandersetzungen verursacht wurde, habe die Aufmerksamkeit für die Sicherheit der Passagiere angesichts des Booms im Kreuzfahrttourismus verstärkt.

Nach Angaben des US-Verkehrsministeriums umfassten die 48 gemeldeten Straftaten vom 1. Januar bis zum 30. März dieses Jahres 23 mutmaßliche Vergewaltigungen, 10 sexuelle Übergriffe und sieben Körperverletzungen. Robert McDonald, ehemaliger Secret-Service-Agent und Dozent für Strafrecht an der University of New Haven, sagte gegenüber „Fox News Digital“: „All diese negativen Schwingungen und negativen Informationen werfen einen Schatten auf die Branche, eine Branche, die möchte, dass die Menschen zu ihr kommen und sich wohlfühlen, wenn sie ihr Geld ausgeben.”

Gerade darin aber liegt der springende Punkt. Die Kreuzfahrt-Branche sieht die Erschließung weiterer Marktanteile vor allem in der Gewinnung jüngerer Passagiere. Probleme scheinen programmiert. Es sind nicht die ganz schweren Verbrechen – wie beispielsweis Mord, Totschlag o. ä. – welche die stärksten Kopfschmerzen verursachen dürften, sondern eher die fast schon „alltäglichen“ Fehlverhalten wie sexuelle Übergriffe, Gewalt oder Eigentumsdelikte. Wenn einige alkoholisierte Mitreisende durch ihr geschmackloses wie respektloses Treiben Tausenden Passagieren ihre teuer erstandene Kreuzfahrt vermiesen, kann das auch für die Unternehmen empfindliche Folgen haben.

Dass sich die Kreuzfahrtunternehmen auf die sich abzeichnenden Herausforderungen hinreichend vorbereitet hätten, darf und muss bezweifelt werden. Noch immer setzen Luxusliner in Fragen der Sicherheit nicht auf eine eigens angeheuerte und speziell ausgebildete Security, sondern auf zusätzlich geschulte Mitarbeiter. Dies aber dürfte das Personal schnell an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen. Ein livrierter Ober, der voll und ganz damit beschäftigt ist, den Passagieren die Schiffsreise so angenehm wie möglich zu gestalten, ist zweifellos überfordert, wenn er noch nebenher ein Auge auf sich anbahnende Konflikte und gegebenenfalls rechtzeitige Gegenmaßnahmen werfen soll.

Was geschieht mit gewalttätigen Passagieren, die zu einer ernsten Gefahr für die Mitreisenden werden? Kreuzfahrtschiffe verfügen nicht über Gewahrsamszellen im polizeilichen Sinne. Ein isolierter Gewalttäter wird deshalb in der Regel in seiner Kabine unter Hausarrest gestellt, welcher von kräftig gebauten Besatzungsmitgliedern überwacht wird. Und das 24 Stunden am Tage.

Sicherheitsbeauftragte auf Kreuzfahrtschiffen gefragt

Die von Austin in Texas betriebene Suchmaschine für Stellenangebote „Indeed“ wirbt inzwischen auch um Sicherheitsbeauftragte auf Kreuzfahrtschiffen.  Diese erfüllten – so wird das Berufsbild umrissen – eine Kombination aus Sicherheits- und Seefahrtsaufgaben, um die Sicherheit der Besatzung und der Passagiere an Bord ihrer Schiffe zu gewährleisten. Diese Sicherheitsfachkräfte müssen über eine spezielle Ausbildung und Fähigkeiten verfügen, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Oft begännen sie als Deckoffiziere oder Sicherheitsbeamte und steigen dann auf. Die Position erfordere eine spezielle Ausbildung in Seerecht, Risikominderungstechniken, Umgang mit Schusswaffen und Bewältigung von Notfällen und biete zugleich die Möglichkeit, die Welt zu bereisen und die Annehmlichkeiten an Bord zu genießen. Ist dies der Beginn einer neuen Zeit der Kreuzfahrt-Security?
 

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