Gegen Vakzine-Betrug ist man nicht immun
Um Leben und Gesundheit im großen Ausmaß geht es bei der Verteilung des begehrten Serums. Ideologen und Kriminelle wittern in der Corona-Impfung die Chance zum großen Coup
Um Leben und Gesundheit im großen Ausmaß geht es bei der Verteilung des begehrten Serums Foto: Pixabay
Ideologen und Kriminelle wittern in der Corona-Impfung die Chance zum großen Coup
Die Impfungen gegen Corona sehen Viele als große Chance. Nicht alle meinen dabei dasselbe. Denn es scheinen sich die Chancen für Straftäter auf riesige Gewinnmargen exponentiell zu erhöhen und damit auch deren kriminelle Energie. Von Hackerangriffen gegen Hersteller des Vakzins, über tätliche Übergriffe von Impfgegnern, einem Dunkelfeld von Betrügereien durch angeblichen Impfstoffverkauf bis zu möglichen Überfällen auf Transporte des begehrten Serums, bietet sich ein Kaleidoskop an Delikten.
Bislang sind es Einzelfälle, dass – wie Anfang des Jahres aus dem US-Bundesstaat Wisconsin vermeldet – ein medizinischer Mitarbeiter Vakzine vernichtet. Der Klinikbeschäftigte hatte in einer Krankenhausapotheke über 550 Dosen des Moderna-Impfstoffs mutwillig zerstört. Er ist davon überzeugt, dass die Impfung Genmutationen auslöst. Nach Angaben der Klinikleitung räumte der Mediziner ein, die ungekühlten und daher unbrauchbaren Impfstoffe später wieder in die Kühlung zurückgestellt zu haben, wodurch 57 Menschen mit dem unwirksam gewordenen Mittel geimpft wurden. Der Vorfall macht deutlich, wie sehr auch durch derartig singuläre Taten Menschenleben gefährdet werden können.
Impfungen staatlich diskreditiert
Ähnlich ein Ereignis auf der Intensivstation des East Surrey Hospitals in Redhill, südlich von London. Nur mit Hilfe der Polizei konnte dort Ende Januar verhindert werden, dass eine Gruppe von Coronaleugnern einen Patienten „befreiten“. Der landesweit für seine kruden Theorien bekannte Tobe Hayden Leigh wollte mit Gleichgesinnten erreichen, dass ein Schwerkranker „entlassen“ wird. Welches Ausmaß die militante Ablehnung von Impfungen annehmen kann, zeigte sich vor zwei Jahren in Pakistan. Unbekannte hatten im April 2019 in der Provinz Belutschistan eine Polioimpfhelferin getötet. Die Frau gehörte zu einem Team, das Impfungen gegen Kinderlähmung in der Stadt Chaman in der Nähe der afghanischen Grenze durchführte. In Pakistan waren schon früher Impfteams angegriffen und auch Helfer getötet worden. Radikale Islamisten glauben, die Impfungen seien Teil einer Verschwörung des Westens und dienten dazu, Muslime unfruchtbar zu machen. Seit Jahren werden Impfkampagnen in Pakistan von Gewalt begleitet, schreibt das „Ärzteblatt“. Ein Grund dafür sei: „Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hatte seinerzeit in Pakistan eine vorgebliche Impfkampagne gestartet, mit deren Hilfe er dem Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden auf die Spur kam. Im Mai 2011 töteten US-Soldaten Bin Laden in seinem Versteck in der nordpakistanischen Stadt Abbottabad.“ Mit derartigen Hasardspielen das Vertrauen in Impfungen aufs Spiel zu setzen, kann – gelinde ausgedrückt – als verantwortungslos bezeichnet werden.
„Impfstoff von reichen Staaten gehortet“
Um Leben und Gesundheit im großen Ausmaß geht es bei der Verteilung des begehrten Serums. „Bislang wird nahezu aller Impfstoff von Moderna und BioNTech von reichen Staaten gehortet“, schrieb „Business Insider“ Ende Januar. Damit wird deutlich, dass wir auf einen härter werdenden Verteilungskampf zusteuern. Neben Verschwörungsgläubigen sind es in erster Linie Kriminelle die hier ihr trübes Süppchen kochen wollen. „Während sich Regierungen auf die Einführung von Impfstoffen vorbereiten, planen kriminelle Organisationen, die Lieferketten zu infiltrieren oder zu unterbrechen“, warnt Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock und präzisiert in einem Interview mit der „WirtschaftsWoche“: „Der Impfstoff ist das flüssige Gold 2021. Er ist das Wertvollste, was im kommenden Jahr zu verteilen ist. Die Mafia und andere kriminelle Organisationen sind schon darauf vorbereitet. Mit dem Ausrollen der Impfstoffe wird die Kriminalität dramatisch zunehmen. Wir werden Diebstähle und Lagereinbrüche sehen und Überfälle auf Impfstoff-Transporte; Korruption wird vielerorts grassieren, um schneller an den wertvollen Stoff zu kommen. Schon bevor Impfstoff zugelassen war, haben Kriminelle übrigens gefälschten Impfstoff vertrieben.“
Betrug mittels Darknet und Kryptowährung
Durch dunkle Kanäle soll der begehrte Stoff an die Leute gebracht werden – via Darknet. Manchmal auch nur vorgeblich. Die Check Point Software Technologies Ltd. mit Hauptsitz in Tel Aviv nimmt sich laufend des Themas an und beobachtet den Schwarzmarkt einschließlich der schwarzen Schafe, die hoffnungsfrohe Kunden lediglich narren und übers Ohr hauen wollen. Die Preise für Impfstoffe seien stark angestiegen, teilt das Unternehmen mit. In ihrem letzten Bericht, so Check Point, habe man „einen durchschnittlichen Durchschnittspreis von 250 US-Dollar ermittelt.“ Jetzt zeigten die Recherchen, „dass die Anbieter ihre Preise verdoppelt oder sogar vervierfacht haben und 500 Dollar oder sogar bis zu 1000 Dollar für eine nicht spezifizierte Dosis verlangen“, teilte das Unternehmen auf seiner Website am 12. Januar mit.
Um zu prüfen, wie vertrauenswürdig Verkäufer im Darknet einzustufen sind, hat das Unternehmen nach eigenen Angaben eine Bestellung für eine Impfstoffdosis bei einem Anbieter aufgegeben und für die Transaktion den umstrittenen Messenger-Dienst „Telegram“ benutzt. Die Dosis, angeblich chinesischer Herkunft, wurde für 750 US-Dollar angeboten. Die Bezahlung wurde über die Kryptowährung Bitcoin abgewickelt. Fazit von „Check Point“: „Nach ein paar Tagen ohne Antwort erhielten wir eine Nachricht vom Verkäufer, dass der Impfstoff an unsere Adresse verschickt worden sei. Ein paar Tage später wurde das Konto des Verkäufers gelöscht und - Sie haben es erraten - wir warten immer noch darauf, unser Paket zu erhalten.“ Hierzulande versuchen Betrüger das Warten älterer Mitbürger auf einen Impftermin für ihre eigene Masche zu nutzen. In Bonn wurde einer Frau von einem Anrufer ein „erstes Corona-Impfstoffpaket“ für 6000 Euro offeriert. Die 64-Jährige, die sich nicht hinters Licht führen ließ, berichtet gegenüber der Presse: „Der Anrufer gab sich als Mitarbeiter der Firma BioNTech/Pfizer aus und im Display sah ich eine Handynummer. Ich war sofort skeptisch. Die Art und Weise, wie er sprach – mal bemühte er sich um Seriosität, dann hatte er aber auch wieder Einbrüche.“ Der Täter konnte festgenommen werden.
„Corona bedeutet: schlechte Zeiten für Einbrecher, gute Zeiten für Betrüger“, betonte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gegenüber der „Welt“.
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Peter Niggl
Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight