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OPLAN Deutschland: Was Unternehmen im Ernstfall wissen und vorbereiten müssen

29.10.2025

Verschärft sich die Sicherheitslage, greift der Operationsplan Deutschland. Welche Pflichten und Unterstützungsleistungen gelten für Unternehmen?

OPLAN Deutschland: Was Unternehmen im Ernstfall wissen und vorbereiten müssen

Die private Wirtschaft spielt im OPLAN Deutschland eine zentrale Rolle: Unternehmen müssen im Ernstfall staatliche Unterstützungsleistungen erbringen.
Foto: Shutterstock

Der Operationsplan Deutschland (OPLAN) regelt die Verteidigung der Bundesrepublik im Ernstfall. Zudem beschreibt er, in welchem Umfang der Staat Unterstützung von der Privatwirtschaft einfordern kann. Welche Pflichten haben Unternehmen und welche Vorbereitungen sollten sie treffen? 

In Deutschland und Europa hat sich die Sicherheitslage verschärft. Sollte es zu einer weiteren Eskalation kommen, wäre Deutschland an der Verteidigung von NATO-Territorium beteiligt und vor allem auch logistische Drehscheibe für alliierte Streitkräfte. Alle notwendigen Maßnahmen für ein solches Szenario hat die Bundeswehr im Operationsplan Deutschland (OPLAN) festgehalten und darin auch den Unterstützungsbedarf durch die private Wirtschaft definiert. Der OPLAN wird laufend an die aktuelle Sicherheitslage angepasst und ist weitgehend geheim. Doch der bereits vorhandene Rechtsrahmen regelt die Möglichkeiten der Behörden, Unterstützung durch die Privatwirtschaft anzufordern. 

Was ist eigentlich ein Ernstfall?

In der Gesetzgebung existiert der Begriff „Ernstfall“ nicht, aber das Wort dient in diesem Beitrag als Oberbegriff für vier Szenarien, die der Gesetzgeber geregelt hat:

  • Verteidigungsfall
    In Artikel 115a des Grundgesetzes ist der Verteidigungsfall verankert. Er tritt ein, wenn die Bundesrepublik mit Waffengewalt angegriffen wird, oder ein solcher Angriff unmittelbar bevorsteht. Der Bundestag muss den Verteidigungsfall feststellen, der Bundesrat zustimmen. 

    Der Eintritt des Verteidigungsfalls hat weitreichende Konsequenzen auf das Gesetzgebungsverfahren und ist Voraussetzung dafür, dass Behörden besondere Befugnisse erhalten. Zu diesen Befugnissen zählen auch der Eingriff in die Rechte von privaten Unternehmen. 

     
  • Spannungsfall

Der Spannungsfall nach Artikel 80a des Grundgesetzes gilt als Vorstufe des Verteidigungsfalls. Anders als dieser wird er jedoch im Grundgesetz nicht detailliert beschrieben. Es könnte sich beispielsweise um internationale Spannungen handeln, die das Potenzial haben, zu einem bewaffneten Konflikt zu eskalieren. 

Die Behördenbefugnisse erweitern sich im Spannungsfall in geringerem Umfang als im Verteidigungsfall. Dennoch können bereits Eingriffe im Rahmen der Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze erfolgen.

Außerdem ermöglicht er die Ausweitung der Kompetenzen der Bundeswehr, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu halten. Auch die Wehrpflicht wird wieder aktiviert. 

  • Zustimmungsfall

Selbst wenn weder ein Verteidigungs- noch ein Spannungsfall vorliegt, kann der Bundestag der Anwendung einzelner oder aller Notstandsvorschriften gemäß Artikel 80a GG zustimmen. Das Ziel besteht dabei nicht darin, die Schwelle für Maßnahmen abzusenken, sondern dem Parlament die Möglichkeit zu geben, gezielte Verteidigungsvorbereitungen zu treffen.

  • Bündnisfall
    Der Bündnisfall ist nicht im Grundgesetz geregelt, sondern ergibt sich aus dem Völkerrecht. Er greift, wenn ein Mitgliedsstaat der EU oder der NATO angegriffen wird und aufgrund seiner Bündnisverpflichtungen Beistand leisten muss.  Anders als beim Verteidigungs- oder Spannungsfall werden dabei keine zusätzlichen staatlichen Befugnisse freigegeben.

Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland kam es weder zu einem Verteidigungs- noch zu einem Spannungsfall. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA führten jedoch zur Feststellung des Bündnisfalls gemäß Nordatlantikvertrag.

Einsatz statt Büro: Auswirkungen auf den Personalbestand 

Tritt einer der vier genannten Fälle ein, so kann das weitreichende Folgen für den Personalbestand haben. Mitarbeitende können aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtungen aus ihrem regulären Arbeitsverhältnis abgezogen werden. Das hat Auswirkungen auf die Personalplanung und damit letztlich auf die gesamten Betriebsabläufe.

Mit der Feststellung eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls würde die derzeit ausgesetzte Wehrpflicht wieder in Kraft treten. Dann könnten alle männlichen Deutschen im Alter von 18 bis 60 Jahren unmittelbar zum Wehrdienst einberufen werden. Besteht ein öffentliches Interesse an der Fortsetzung der Tätigkeit im Unternehmen, so kann unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte Unabkömmlichkeitsstellung erfolgen. Für den Arbeitgeber gibt es dabei allerdings keine verbindlichen Leitlinien oder Rechtsmittel. 

Das Arbeitsverhältnis ruht während des Wehrdienstes ohne Entgeltzahlung, dafür aber mit einem besonderen Kündigungsschutz. Auch das Arbeitsverhältnis von Zeitsoldaten ist in den ersten sechs Monaten geschützt, bei längerer Dienstzeit gelten Einschränkungen. 

Engagieren sich Mitarbeitende ehrenamtlich im Zivil- oder Katastrophenschutz, beispielsweise bei DRK, THW oder Feuerwehr, so haben sie Anspruch auf bezahlte Freistellung für Einsätze, Ausbildungen und Bereitschaftsdienste. Die Entgeltkosten werden den Arbeitgebern in der Regel erstattet, beim THW allerdings erst ab bestimmten zeitlichen Ausfallgrenzen.

Mitarbeitende können im Verteidigungs- oder Spannungsfall zum Einsatz in verschiedenen systemrelevanten Bereichen verpflichtet werden – etwa bei der Bundeswehr, in Krankenhäusern, bei der Energieversorgung, in Verkehrsunternehmen oder in der Lebensmittelindustrie. Diese Regelung gilt im Spannungs- oder Verteidigungsfall für Wehrpflichtige. Im Verteidigungsfall kommt auch eine Verpflichtung von Frauen infrage, allerdings ausschließlich für den Bereich Sanitäts- und Heilwesen. Dabei gibt es bestimmte Ausnahmen, beispielsweise bei Schwangeren oder Schwerbehinderten.

Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze: 
Staatliche Inanspruchnahme privater Unternehmen im Krisenfall

Für die zivile Krisenvorsorge und Verteidigung existieren mehrere Gesetze, die dem Staat Eingriffe in die private Wirtschaft ermöglichen. Manche dieser Regelungen greifen nur im Spannungs- oder Verteidigungsfall, andere können bereits zur Vorbereitung oder bei anderen Gefährdungslagen Anwendung finden. Diese Eingriffsrechte erstrecken sich auf nahezu alle Wirtschaftssektoren und können Unternehmen dazu verpflichten, bestimmte Leistungen zu erbringen oder ihre Infrastruktur bereitzustellen. Die Rechtsgrundlage hierfür bilden sowohl allgemeine als auch bereichsspezifische Gesetze.

Im Spannungs- oder Verteidigungsfall ermöglicht das Wirtschaftssicherstellungsgesetz (WiSiG) planwirtschaftliche Maßnahmen per Verordnung durch die Bundesregierung. Dazu zählen Maßnahmen wie die Lenkung der Produktion, Verteilung von Rohstoffen oder die Einrichtung von Vorräten. Auch der Finanzsektor kann betroffen sein – bis hin zu vorrübergehenden Börsenschließungen. 

Das Bundesleistungsgesetz (BLG) erlaubt die Inanspruchnahme von Sachen, Grundstücken, Werk- und Verkehrsleistungen. Unter besonderen Umständen kann es auch außerhalb des Verteidigungsfalls gelten, beispielsweise wenn Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung bestehen. 

Wenn Grundstücke zu Verteidigungszwecken benötigt werden, greift das Landesbeschaffungsgesetz (LBG). Es regelt den Erwerb oder die Enteignung bestimmter Flächen. Für Grundstücke, die sich in der Nähe von Verteidigungseinrichtungen befinden, ermöglicht das Schutzbereichsgesetz (SchBerG) die Erlassung von Nutzungseinschränkungen.

Wirtschaftsbereiche mit besonderen Regelungen

Für bestimmte Wirtschaftsbereiche gibt es neben den genannten Gesetzen noch weitere Regelungen.

Bei einer akuten Störung oder Gefährdung der Energieversorgung greift das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) und zwar unabhängig vom Verteidigungsfall. Es ermöglicht umfassende Eingriffe in Produktion, Verteilung, Lagerung und Preisbildung sämtlicher Energieträger. Auch Betreiber Kritischer Infrastrukturen gemäß BSI-KritisV können von weitergehenden Maßnahmen betroffen sein, wie beispielsweise Treuhandverwaltung oder Enteignung.

Im Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) ist die Feststellung einer Versorgungskrise geregelt, beispielsweise bei Naturkatastrophen oder militärischen Konflikten. Im Rahmen des ESVG können Maßnahmen zur Steuerung der Lebensmittelproduktion und -verteilung angeordnet werden, einschließlich Zuteilungen („Lebensmittelmarken“).

Im Krisenfall ist die Aufrechterhaltung der Wasserversorgung von großer Bedeutung. Die entsprechenden Maßnahmen sind im Wassersicherstellungsgesetz (WasSiG) beschrieben. Unternehmen können beispielsweise dazu verpflichtet werden, Eigenbrunnen zu bauen. 

Das Postsicherstellungsgesetz (PSG) verpflichtet Postunternehmen, bestimmte „Postbevorrechtigte“ bei Störungen bevorzugt zu bedienen, beispielsweise Behörden, das Gesundheitswesen oder die Bundeswehr.  Eine ähnliche Regelung gilt für Telekommunikationsanbieter und ist im Telekommunikationsgesetz (TKG) verankert. Darüber hinaus schreibt das PSG im Kriegsfall die Unterstützung der Feldpost durch private Postunternehmen vor. 

Auch die Verkehrsinfrastruktur muss im Krisenfall funktionsfähig bleiben. Hierfür gibt es das Verkehrssicherstellungsgesetz (VerkSiG). Es regelt sowohl die Aufrechterhaltung und Steuerung der Verkehrsinfrastruktur sowie die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln für Verteidigungszwecke. Dabei ist das Gesetz nicht ausschließlich an den Eintritt eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls gebunden, sondern ermöglicht auch vorbeugende Maßnahmen bei anderen sicherheitsrelevanten Lagen. 

Rechtzeitig vorbereitet – handlungsfähig im Ernstfall

Die Vielzahl der Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze verdeutlicht, wie umfassend der Staat auf privatwirtschaftliche Ressourcen zugreifen kann und zwar nicht nur im Krisen- oder Verteidigungsfall, sondern auch bereits im Vorfeld. Folglich ist Vorsorge für Unternehmen keine freiwillige Option, sondern vielmehr ein strategischer Bestandteil betrieblicher Resilienz.

Unternehmen sollten daher prüfen, welche Gesetze im Krisenfall zur Anwendung kommen könnten. Auch eine Überprüfung der bestehenden Verträge im Hinblick auf ihre Krisenfestigkeit ist ratsam. Dabei gilt es beispielsweise zu klären, welche Konsequenzen die staatliche Inanspruchnahme für Lieferverpflichtungen hätte. Ebenso sinnvoll ist eine Dokumentation aller betrieblicher Ressourcen, die eventuell bei einer Krisenlage herangezogen werden könnten. Diese potenzielle staatliche Inanspruchnahme sollte fester Bestandteil der betrieblichen Krisenpläne sein.

Darüber hinaus lohnt sich der Aufbau eines guten Kontakts zu den zuständigen Behörden. Verantwortliche sollten daher die jeweiligen Anforderungsbehörden ermitteln und mit Ihnen in Kontakt treten. Im Krisenfall können recht kurzfristig Informationsabfragen zu Verfügbarkeiten und Kapazitäten eingehen. Die entsprechenden Daten sollten deshalb vorbereitet und stets aktuell gehalten werden.  

www.bvsw.de

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Markus Klaedtke

Leiter Konzernsicherheit der Diehl Gruppe und  Vorstandsvorsitzender des BVSW e.V. (Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft)

 

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