Direkt zum Inhalt

Wie konsumieren und bezahlen wir im Jahre 2030?

25.11.2020
Wie bezahlt Deutschland 2030?Bildquelle: SRC GmbH

Wie bezahlt Deutschland 2030? Bildquelle: SRC GmbH

Können wir uns wirklich vorstellen in naher Zukunft komplett ohne Bargeld zu leben? Und was sind die Alternativen? Welche Handlungsoptionen ergeben sich vor allem für kontoführende Kreditinstitute in Hinblick auf das Bezahlen der Zukunft?  

Schon heute verändert die digitale Transformation unser tägliches Leben und eine weitere Beschleunigung ist zu erwarten. Lebenswelt, Konsum und Bezahlen verschmelzen zunehmend miteinander. Der Bezahlprozess an sich wird mehr und mehr in andere Prozesse integriert und somit für den Kunden immer „unsichtbarer“. Diese Entwicklung führt bei Betreibern von Zahlungsverkehrsinfrastrukturen zu einer Unsicherheit über die Zukunft des Bezahlens, da sie in langfristigen Investitionszyklen denken und ihre strategische Ausrichtung reflektieren müssen. Doch um eine passende Strategie festzulegen, muss man wissen, welches Szenario uns erwartet. Es gibt viele Faktoren, die noch unbekannt sind. Natürlich haben wir heute noch keine Garantie, wie der Alltag der Verbraucher 2030 aussieht, aber es gibt sichtbare Tendenzen, auf deren Basis sich vier Szenarien heraus kristallisiert haben: 

Szenario 1: Vielfalt an der Kundenschnittstelle

Das 1. Szenario ist geprägt von Vielfalt an der Kundenschnittstelle. In der Omnichannel-Welt gehen stationärer Handel, IoT-Handel, E- und M-Commerce sowie Social Commerce deutlich ineinander über. Besonders der stationäre Handel wird durch digitale Technologien verändert: Die Kundschaft wird während des Einkaufs durch digitale Wegweiser unterstützt, das Einkaufserlebnis durch AR-Applikationen, personalisierte Angebote und Mobile Couponing verbessert. Smarte Regale melden regelmäßig den Warenbestand und geben dem Personal Hinweise auf drohende Out-of-Stock-Situationen. Bezahlt wird über Self-Checkout-Systeme, die eine Anmeldung erfordern. Auch Bargeld kann sich der digitalen Transformation nicht entziehen: Münzbeträge werden vermehrt als digitales Guthaben verrechnet und bei Kleinmünzen wird vermehrt gerundet.

Szenario 2: Freie Fahrt für die digitale Hochkultur

Im Jahre 2030 sind digitale Assistenten, Ökosysteme und Plattformen Mittelpunkt des Alltags und des Einkaufens. Viele Alltagsentscheidungen sind hochgradig autonom und unsichtbar geworden. Durch autonome Einkäufe digitaler Assistenten erfolgt der Bezahlprozess im Hintergrund. Dieser hat eine sehr offene Einstellung zur Technologie ohne Misstrauen. In einer Welt, in der der Gang ins Geschäft oftmals obsolet ist, sind die verbleibenden Läden kleinflächige, kassenlose Smart Stores, die eher Abholstationen ähneln. Standard ist unsichtbares Bezahlen über passive Biometrie. Der Kaufpreis wird im Austausch gegen Daten reduziert.

Szenario 3: Neue Balance

Lokale Ökosysteme und Plattformen treten an die Stelle globaler Plattformen und der stationäre Handel erfährt eine Renaissance. Der lokale Händler ist zu einem dritten Ort geworden, der zwischenmenschliche Kommunikation und Erlebnisse verspricht. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass der lokale Lebensmittelhändler erlebnisorientierte Kochevents anbietet. Haushalte aus dem nahen Umkreis erfahren via Push-Nachricht vom Kochevent. Für die Zustellung der Push-Nachricht im regionalen sozialen Netzwerk, hat der Händler zuvor einen Nanobetrag gezahlt – das ist mittlerweile üblich, um Spam und betrügerische Nachrichten unattraktiv zu machen. Bar und nicht-bar halten sich die Waage – einige lassen „digital anschreiben“.

Szenario 4: Plattformen als Commodity

In der so genannten „Token Economy“ wird verstärkt mit Kryptowährungen über DLT-Netzwerke (Distributed-Ledger-Technologie) und Smart Contracts eingekauft. Verbraucher wechseln flexibel zwischen verschiedenen digitalen Assistenten, die ihren Alltag organisieren. Dabei wählen diese digitalen Stellvertreter zwischen unterschiedlichen Händlern, die hochgradig individualisierte Produkte und Dienstleistungen anbieten. Intelligente, digitale Assistenten erledigen digitales Matching von Angebot und Nachfrage und stellen reibungslose und sichere Transaktionen sicher. Im Ergebnis werden die Menschen in ihrem Alltag von einer Vielzahl an Algorithmen unterstützt. Bezahlt wird über die Kryptowährung des DLT-Netzwerks.

Abo-Modelle, Pay-per-Use, Mikro- und Nanozahlungen sowie Kryptowährungen

Welches Szenario letztlich die Oberhand behält ist ungewiss. Garantiert ist aber, dass bargeldloses Bezahlen immer alternativloser wird. Im Jahre 2030 werden digitale Informationen an den reinen Geldfluss gekoppelt sein. An die Stelle der Barzahlung treten Online-Dienste oder kontaktloses Zahlen. Außerdem ergeben sich neue Einkaufskontexte, in denen bargeldloses Bezahlen die einzige Option ist: Einkäufe über neuartige Endgeräte (z.B. Wearables), vernetzte Dinge (IoT-Payments) und digitale Assistenten sowie Einkäufe, die in immersiven, virtuellen Welten stattfinden (z.B. VR-Reisen, Gaming). Heutige Einmalkäufe werden durch Abo-Modelle (Dauerschuldverhältnis für bestimmte Produkte und Dienstleistungen) und Pay-per-Use (Zahlung nur bei Nutzung) zunehmend abgelöst. Dazu kommen vernetzte Geräte, die Verbrauchsmaterialien eigenständig nachbestellen oder die nach Nutzung bezahlt werden können. Mikro- und Nanozahlungen gewinnen bis 2030 an Bedeutung. Bis 2030 könnten sich Kryptowährungen langsam als Zahlungsmittel etablieren.

Was sind Handlungsoptionen für deutsche Kreditinstitute?

Bei so vielen unbekannten Größen ist verständlich, dass Kreditinstitute bezüglich ihrer strategischen Ausrichtung unsicher sind.  Aus den alternativen Zukunftsbildern lassen sich aber durchaus konkrete Handlungsoptionen ableiten. Dafür müssen die Institute aber zunächst zwei strategische Fragen beantworten. Erstens: Wie positionieren wir uns im Wettbewerb mit den Internetriesen (GAFAs), die prädestiniert sind, im digitalisierten Zahlungsverkehr eine dominante Wettbewerbsposition einzunehmen – als Partner oder als Challenger an der Kundenschnittstelle? Die zweite Frage richtet den Fokus auf das Portfolio. Lautet das Ziel, durch die Optimierung der eigentlichen Zahlungsabwicklung in Bezug auf vielfältige Zahlungskontexte erfolgreich zu sein? Oder konzentriert sich das Kreditinstitut auf die Entwicklung, beziehungsweise Bereitstellung von zahlungsnahen Mehrwertdiensten?

Vier Empfehlungen für ein gemeinschaftliches Handeln in der Kreditwirtschaft

Die Handlungsempfehlungen verfolgen das strategische Ziel den Kreditinstituten eine starke Marktposition in der Zahlungsabwicklung zu sichern.

 

  1. Sicherung der Effizienz und Marktposition der kreditwirtschaftlichen Zahlverfahren im stationären Handel bei gleichzeitigem Ausbau der europäischen Reichweite.

 

 

  1. Nutzung der Marktreichweite bestehender Zahlungssysteme zum Ausbau der Marktposition der Kreditwirtschaft bei Remote-Zahlungen und Nutzung der Standards der internationalen Zahlungssysteme zur kosteneffizienten Umsetzung und Reichweitensicherung eines einheitlichen, kreditwirtschaftlichen Online-Zahlverfahrens.

 

 

  1. Weiterentwicklung der PSD 2-API zu einem API Access Scheme, das in der Lage ist, theoretisch beliebige Mehrwertservices von Banken zu unterstützen, so dass diese technisch in die Online-Services Dritter integriert werden können.

 

 

  1. Erweiterung der Aktivitäten der Kreditwirtschaft hin zur Entwicklung von zahlungsnahen Mehrwertdiensten. Solche Services müssen institutsübergreifend in der Kreditwirtschaft entwickelt werden, um die notwendige Marktreichweite zu erzielen.

 

Fazit

Wichtige Rahmenbedingungen werden sich in den nächsten zehn Jahren ändern und die kontoführenden Kreditinstitute stehen vor der Herausforderung, sich zu positionieren und gleichzeitig strategische Flexibilität zu bewahren. Daher müssen sie schon jetzt die möglichen Zukunftsszenarien analysieren, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können.

Autor: Gerd Cimiotti, Geschäftsführer bei der SRC GmbH

Bildquelle: SRC GmbH

Mehr Artikel vom Autor

Aktuell zum Thema