Baulicher Brandschutz in der Praxis
Diplom-Ingenieur Karsten Foth geschäftsführender Gesellschafter bei der hhpberlin Ingenieurgesellschaft für BrandschutzBildquelle:
Baulicher Brandschutz ist neben Anlagentechnik und Organisation eine wichtige Säule im vorbeugendem Brandschutz. Mit Novellierung der Musterbauordnung (MBO) 2016 und Einführung der Muster-Verwaltungsordnung Technische Baubestimmungen (MVV TB) sind die Anforderungen an die Planung und den Einbau baulicher Brandschutzprodukte deutlich angestiegen. Die neu eingeführten „allgemeinen Bauartgenehmigungen“ (aBG) legen detailliert fest, welche Bauprodukte bzw. Fabrikate unter welchen Einbaubedingungen verbaut werden dürfen. Das bislang übliche Kombinieren von Bauprodukten mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) bzw. Prüfzeugnis (abP) entfällt.
Welche Auswirkungen haben diese Bestimmungen auf den Einbau baulicher Brandschutzprodukte auf der Baustelle? Die SicherheitsPraxis druckt dazu vorab auszugsweise ein Interview des bvfa – Bundesverbands Technischer Brandschutz e.V. mit Dipl.-Ing. Karsten Foth, einer der beiden Geschäftsführer bei hhpberlin sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und Prüfingenieur für vorbeugenden Brandschutz. Das vollständige Interview erscheint im neuen BrandschutzSpezial des bvfa, das alle Aspekte des baulichen Brandschutzes aktuell und detailliert beschreibt. Es wird im Sommer 2021 unter https://www.bvfa.de/179/presse-medien/publikationen/brandschutzspezial/ als kostenloser Download bereit stehen. Das Interview führt der Geschäftsführer des bvfa, Dr. Wolfram Krause.
bfva: Welche Herausforderungen sehen Sie beim Umgang mit baulichen Brandschutzprodukten in der Praxis?
Foth: Aktuell im Paradigmenwechsel durch das EuGH-Urteil zur Abschaffung europäischer Handelshemmnisse. Dass also nicht nur Anforderungen von Bauprodukten erfüllt werden müssen, sondern eben auch von Bauarten. Eine weitere Herausforderung ist der Einsatz nachwachsender Baustoffe wie Holz, Schafwolle oder Seegras. Hier betreten wir völliges Neuland und für den Einbau von Brandschutzprodukten stellen sich neue Fragen.
bfva: wo genau sehen Sie aus ihrer Praxis jetzt die Herausforderung auf der Baustelle?
Foth: Unserer Erfahrung nach hat sich die Einbauqualität baulicher Brandschutzprodukte in den letzten zehn Jahren leider nur bedingt verbessert Auf Baustellen haben Brandschutzprodukte im Ausbau von jeher einen hohen Stellenwert. In den letzten Jahren wurde das Augenmerk noch mehr auf deren richtige Verwendung und den richtigen Einbau gelenkt. Eine mangelnde Einbauqualität ist häufig dem Termindruck oder auch ganz einfach fehlendem Wissen geschuldet – sprich: die Einbaubedingungen werden nicht gelesen, nicht verstanden oder nicht umgesetzt. Deshalb sind die Bauleitung, die Fachbauleitung Brandschutz, eine von der BauherrIn freiwillig hinzugezogene Qualitätsüberwachung oder PrüfingenieurInnen für Brandschutz besonders gefragt. Sie müssen vor Ort überprüfen, ob die Bauprodukte richtig eingebaut worden sind und die entsprechende Dokumentation vorliegt. Auf Herstellerseite haben die Bemühungen gefruchtet, die ausführenden Firmen in puncto Einbau und Dokumentation zu schulen und für Leistungsgrenzen zu sensibilisieren. Das ist sicherlich noch ausbaubar. Für weitere Verunsicherung sorgt die Ungeübtheit im neuen System: Die Bauregelliste ist weggefallen und die VVTB des jeweiligen Bundeslandes stellt Anforderungen an Gebäude und Bauarten.
bvfa: Welche Rolle spielt das Brandschutzkonzept bzw. der Brandschutznachweis für den Projektablauf und die Wirtschaftlichkeit?
Foth: Der Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit ist höher als auf den Projektablauf, vorausgesetzt eine mangelnde Wirtschaftlichkeit stört den Projektablauf nicht. Der Brandschutznachweis stellt einen technischen Nachweis zur Umsetzung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dar, unabhängig davon, ob er als Brandschutzkonzept vorliegt. Gerade bei Bauvorhaben, die nicht konkret durch die Bauordnung oder einer Sonderbauvorschrift beschrieben werden, müssen die bauordnungsrechtlichen Schutzziele erfüllt werden. Dort sind wirtschaftliche Planungen nur mit hohem Erfahrungsschatz und Vorschriftenkenntnis möglich. Gestörte Projektabläufe in der Schnittstelle zwischen genehmigten Brandschutznachweis und Ausführung sehe ich vor allem bei Ausführungen, für die es keine technische Regel bzw. keinen Verwendbarkeits- oder Anwendbarkeitsnachweis gibt. Aufwendige Zulassungen im Einzelfall, Bauartgenehmigungen sowie erforderliche Bauteil- und Baustoffprüfungen können den Bauablauf erheblich stören. Hier muss der Brandschutznachweisersteller frühzeitig drauf hinweisen, welches zeitliche Risiko bei der Umsetzung derartiger Planungen droht.
Bvfa: Was ist bei Projektierung und Installation von baulichen Brandschutzprodukten zu beachten?
Foth: Es muss schon bei der Ausführungsplanung sowie der Ausschreibung und Vergabe ein Verständnis über die Eignung bzw. Anwendungs- und Einbaumöglichkeiten und deren Grenzen vorliegen. Ist das Produkt erst ausgeschrieben und bestellt, wird es in der Regel auch eingebaut. Ein Einbaustopp oder gar ein Rückbau kann zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen. Insofern sollte schon bei der Vergabe dokumentiert werden, welche Produkte eingesetzt werden sollen und ob diese in den konkreten Einbausituation zulassungsgerecht eingebaut werden können.
bvfa: Sollten die Baufirmen die Verwendbarkeits- oder Anwendbarkeitsnachweise auch zur Angebotslegung bzw. Vergabe mit vorlegen?
Foth: Das ist genau richtig. Die Notwendigkeit könnte sich in Zukunft im Zuge von BIM-Planungen noch nach vorne verlagern, aber aktuell sehe ich den Zeitpunkt dort.