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Erstellung und Herausgabe von Bauunterlagen

29.09.2020
Fraglich ist, ob Fachplaner und Errichter zukünftig die dargestellten Zusammenhänge bezogen auf Bauprodukte der TGA noch überblicken können.
Foto: Gerd Altmann/Pixabay
Fraglich ist, ob Fachplaner und Errichter zukünftig die dargestellten Zusammenhänge bezogen auf Bauprodukte der TGA noch überblicken können. Foto: Gerd Altmann/Pixabay

Am 1.1.2018 trat die größte Änderung des Werk- und Bauvertragsrechts seit Bestehen des BGB in Kraft. Viele der neuen Vorschriften haben in der Praxis noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit gefunden. Das mag daran liegen, dass viele Bauvorhaben nach wie vor auf der Grundlage von Verträgen abgewickelt werden, die  vor 2018 abgeschlossen wurden. Zudem gibt es bislang nur sehr wenig Rechtsprechung zu Bauverträgen, die nach diesem Stichtag abgeschlossen wurden.

Im BGB findet sich nunmehr auch eine Vorschrift zur Erstellung und Herausgabe von Unterlagen (§ 650n BGB). Diese betrifft Verbraucherbauverträge und Bauträgerverträge. Ein Verbraucherbauvertrag liegt vor, wenn ein Verbraucher mit einem Unternehmer einen Vertrag über den Bau eines neuen Gebäudes oder über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude schließt (§ 650i Abs. 1 BGB). Folglich gilt § 650 n BGB nicht für (alle) Bauverträge, insbesondere nicht für Bauverträge zwischen gewerblich tätigen Personen und Unternehmen.

  • 650n BGB sieht vor, dass der Unternehmer rechtzeitig vor Beginn der Ausführung einer geschuldeten Leistung die Planungsunterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben hat, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden wird. So kann die Baubehörde in bestimmten Fällen den Nachweis verlangen, dass ein qualifizierter Tragwerksplaner die Statik des Hauses berechnet hat oder Unterlagen erforderlichenfalls von einem Prüfsachverständiger für den Brandschutz geprüft wurden.

Spätestens mit der Fertigstellung des Werks hat der Unternehmer zudem diejenigen Unterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt worden ist. Die Herausgabepflicht erstreckt sich zudem auf alle Unterlagen, die der Verbraucher benötigt, um gegenüber Dritten, etwa Darlehnsgebern oder bei Gewährung von Fördermitteln der Förderbank, nachzuweisen, dass das Bauwerk bestimmte Eigenschaften (Wärmeschutz, Energieverbrauch, Einbruchssicherheit, Schallschutz) aufweist. Praktisch wichtig sind insoweit vor allem Darlehn und Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die meist an die Einhaltung bestimmter Bedingungen wie den energetischen Standards („KfW-55 Haus“) oder die Barrierefreiheit geknüpft sind.

Die Nachweispflicht einschließlich einer Pflicht zur (körperlichen) Herausgabe kann sich also auf alle genehmigungsrelevanten Unterlagen, aber auch auf Unterlagen beziehen, die für die Finanzierung oder die Bereitstellung von Fördermitteln von der betreffenden Stelle eingefordert werden. Dabei ist zu beachten, dass öffentlich-rechtliche Anforderungen auch dann uneingeschränkt eingehalten werden müssen, wenn deren Prüfung nicht Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens ist. Auch in diesen Fällen kann die Bauaufsicht im Zweifel nachträglich den Nachweis verlangen, dass die betreffenden Anforderungen eingehalten wurden.

Die Pflicht besteht naturgemäß nicht, soweit der Verbraucher schon im Besitz dieser Unterlagen ist, weil diese z. B. ein von ihm beauftragter Planer erstellt hat.

Bislang gab es keine derartige gesetzliche Regelung. Daher war umstritten, ob und in welchem Umfang den Unternehmer eine Pflicht zur Erstellung und Herausgabe von derartigen Unterlagen und Dokumentationen traf.

Die Rechtsprechung prüfte diese Frage auf den Einzelfall bezogen und befürwortete ein solches Recht in der Regel nur, wenn ein besonderes und begründetes Interesse des Bestellers am Erhalt dieser Unterlagen bestand, was vor allem Streitigkeiten im Anlagenbau betraf. Darüber hinaus war unklar, ob es sich ggf. um eine Haupt- oder um eine vertragliche Nebenpflicht handelt, was insbesondere für die Frage von Bedeutung ist, ob diese Unterlagen Teil der Leistung sind, die zur Herstellung des vertragsgemäßen Werks erforderlich sind. Daran knüpft aber die Berechtigung des Abnahmeverlangens der Unternehmers und damit auch dessen Anspruch auf die vertragliche Vergütung an. Daher kann eine solche Frage für ein Bauvorhaben von erheblicher Bedeutung sein.

Für größere Bauvorhaben stellt sich mithin die Frage, inwieweit die neue Vorschrift des § 650n BGB auch für den gewerblichen Bau von Bedeutung sein könnte. Das gilt umso mehr, als Anlass für das Verlangen der Baubehörden auch spätere Überprüfungen (z. B. die regelmäßige „Brandschau“ nach der BauPrüfVO) sein können. Streit kann sich vor allem auch an der für die Praxis bedeutsame Frage entzünden, ob die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden. In diesen Fällen könnte der Bauherr bzw. die Behörde die Herausgabe bzw. Vorlage der entsprechenden Unterlagen begehren. Das bezieht auch Nachweise für die verwendeten Bauprodukte ein. Denn bauordnungsrechtlich bestehen Anforderungen nicht nur an die bauliche Anlage als Ganzes, sondern knüpfen auch an die Verwendung von Bauprodukten an.

Für den Ingenieur- und Architektenvertrag ist festzustellen, dass § 650n BGB hierfür nicht gilt. Auch die gesetzlichen Vorschriften zum Werkvertragsrecht  und zum Bauvertrag enthalten keine dem § 650n BGB entsprechende Vorschrift. Aus der Tatsache, dass es keinen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch gibt, kann aber nicht gefolgert werden, dass auch keine vertraglichen Ansprüche bestehen. Solche sind naturgemäß gegeben, wenn die Parteien dies ausdrücklich geregelt haben.

Spannender ist daher die Frage, ob auf Grund des § 650n BGB die Gerichte Anlass sehen werden, die bislang eher zurückhaltende Rechtsprechung aufzugeben und neu auszurichten. Denn der gesetzlichen Begründung der Norm lässt sich immerhin entnehmen, dass der Gesetzgeber die Herausgabe und damit die Kontrolle bzw. „Kontrollierbarkeit“ der immer komplexer werdenden Bauwerke – jedenfalls in Bezug auf deren wesentlichen Eigenschaften – grundsätzlich für richtig und auch für erstrebenswert, wenn nicht gar für erforderlich hält. Vor diesem Hintergrund wird man jedenfalls schwerlich argumentieren können, es gehe den Bauherrn prinzipiell nichts an, wie und mit welchen Produkten der Unternehmer das  Bauwerk erstelle und dass der Bauherr Mängel nach Fertigstellung „von sich aus“ rügen müsse . Vielmehr würde die Vorlage von Unterlagen die Prüfbarkeit des Bauwerks, was augenscheinlich auch der Gesetzgeber erkannt hat, in einer Reihe von Fällen faktisch erst ermöglichen.

Das könnte der Rechtsprechung zum einen Anlass geben, die Herausgabepflicht analog dem Anwendungsbereich des § 650n BGB den vertraglichen Hauptpflichten zuzuordnen und zwar auch dann, wenn es hierzu keine ausdrückliche vertragliche Regelung gibt. Daran würde sich zum anderen die Frage anschließen, ob die Verletzung dieser Pflicht auch zur Verweigerung der Abnahme (§ 640 BGB) und Leistungsverweigerung nach § 320 BGB berechtigt und nicht nur ein Zurückbehaltungs- und/oder Nachbesserungsrecht begründet. Insoweit kann man immerhin geltend machen, dass bei Fehlen oder Unvollständigkeit bestimmter bautechnischer Nachweise, insbesondere zur Statik und zum Brandschutz, auch eine bauaufsichtliche  Nutzungsuntersagung droht, das Bauwerk also nicht (mehr) vertragsgemäß genutzt werden kann. Für Verbraucherbauverträge wird im Hinblick auf § 650n BGB in der Literatur – zumindest in bestimmten Fällen – die Annahme einer entsprechenden vertraglichen Hauptpflicht und auch ein Recht zur Abnahmeverweigerung bereits bejaht.

In Streitfällen sähe sich der Unternehmer zudem auch mit dem Problem konfrontiert, dass er bis zur Abnahme darlegungs- und beweispflichtig wäre, dass der strittige bautechnische Nachweis rechtlich gar nicht erforderlich ist, weil er für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften entweder nicht erforderlich ist oder den Bauherrn nicht betrifft. Das ist fast aussichtslos falls die Behörde die Vorlage entsprechender Unterlagen bereits verlangt hat. Als problematisch könnte sich auch der Umstand erweisen, dass der Unternehmer seinerseits zur Erstellung der Unterlagen gar nicht in der Lage ist, weil er diese wiederum von einem Dritten, z. B. dem Hersteller des Bauprodukts, benötigt.

Vor diesem Hintergrund ist das Thema „Baudokumentation“ neu zu bewerten.

Den Vertragsparteien ist jedenfalls vorsorglich zu empfehlen auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 650n BGB im Vertrag zu regeln, ob und welche Unterlagen der Bauherr erhält. Bei der Formulierung kann auf den Gesetzeswortlaut des § 650n Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Zu beachten ist auch, ob nach allgemein anerkannten Regeln der Technik, z. B. in Form von DIN Normen, Unterlagen herzustellen und dem Nutzer zu übergeben sind. Denn in den meisten Fällen ist die Einhaltung dieser Regeln Vertragsbestandteil.

Da die Bauvorhaben immer komplexer werden und der Bauherr sein Bauwerk über Jahrzehnte nachhaltig bewirtschaften soll, ist er praktisch auch darauf angewiesen, möglichst detaillierte Kenntnisse über die Konstruktion des Bauwerks zu haben. Mit einer ausdrücklichen Regelung sollten daher auch Zweifelsfragen darüber vermieden werden, ob der Unternehmer auch andere Unterlagen (Fachplanung, Bestandsunterlagen) zur Verfügung stellen muss. Das betrifft vor allem die Ausführungspläne und die sog. Werksplanung.

 

Autor: Rechtsanwalt Michael Halstenberg

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