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Von Auftragsmorden bis Löwenbabys

07.09.2025

Organisierte Kriminalität setzt Drohnen zunehmend für Schmuggel, Spionage und Angriffe ein. Der Beitrag beleuchtet globale Entwicklungen und sicherheitsrelevante Risiken.

Drohnen im Einsatz – zwischen spektakulären Lichtshows und zunehmender Nutzung durch organisierte Kriminalität.

Drohnen im Einsatz – zwischen spektakulären Lichtshows und zunehmender Nutzung durch organisierte Kriminalität.
Foto: www.stock.adobe.com / yasna

Das organisierte Verbrechen entdeckt immer neue Möglichkeiten eines Drohnen-Einsatzes

Von Thomas Schuster

Ein Spektakel am Nachthimmel der chinesischen Hightech-Metropole Chongqing brachte dieser einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Am 18. Juni dieses Jahres waren dort 11.787 Drohnen aufgestiegen, um am Nachthimmel mit einer besonderen Choreografie die Zuschauer in Staunen zu versetzen. Die dargestellten Motive umfassten unter anderem dynamische 3D-Objekte, bewegte Schriftzüge und animierte Szenen. Dirigiert wurde die Lichtershow mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Jedoch die glitzernd bunte Welt der Drohnen kann ihre Schattenseiten nicht verbergen. 

Ein Blick über den Pazifik enthüllt Erschreckendes. Zwei Tage vor der großen Inszenierung in Chongqing hatte das französische Auslandsfernsehen „France 24“ in einem ausführlichen Artikel vermerkt: „Zwischen 2012 und 2014 registrierten die USA 150 mit Drogen beladene Drohnen, die die Grenze von Mexiko überquerten. Seit 2022 hat die US-Grenzpatrouille nach eigenen Angaben rund 155.000 Drohnen registriert, die von der organisierten Kriminalität entlang der Grenze eingesetzt wurden.“ Eine zunehmende Nutzung dieser unbemannten Fluggeräte durch Täter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, so wird dort konstatiert, sei größtenteils auf die leichte Zugänglichkeit zu Drohnen aller Art zurückzuführen. 

Die negative Vorreiterrolle
Der südliche Nachbarstaat der USA scheint eine unrühmliche Vorreiterrolle übernommen zu haben, wenn es darum geht, dass gesetzlose Elemente für ihr Treiben schon seit langem unbemannte Luftfahrzeuge (umgangssprachlich Drohnen oder nach der englischen Bezeichnung „unmanned aerial vehicle“, kurz: UAV) entdeckt haben. In Mexiko kann man mit wenigen Klicks eine Drohne bei Amazon kaufen, und es gibt keinerlei Vorschriften für deren Verkauf oder Kauf. Darüber hinaus seien die Kosten für Organisationen, so „France 24“, die Milliarden von Dollar für Waffen ausgeben, lächerlich niedrig. Ein weiterer Vorteil dieser unbemannten Fluggeräte sei zudem ihre einfache Handhabung: Für ihre Bedienung ist keine aufwändige Schulung erforderlich, wie in dem Bericht hervorgehoben wird.

Obwohl einem Bericht des in Wien ansässigen Internationalen Suchtstoffkontrollrats festgestellt wird, dass mexikanische Kartelle den Import kommerzieller Drohnen eingestellt hätten und auf lokal gefertigte Modelle umgestiegen seien – dies seien maßgeschneiderte Fluggeräte, die bis zu 100 Kilogramm der illegalen Fracht transportieren können –, blieben diese Mengen im Vergleich zu den Mengen, die sie per See-, Land- und Luftfrachtcontainer transportieren, jedoch eher unbedeutend.

Schwerpunkt verlagert sich
Aber andere, im Kampf krimineller Rivalitäten sehr wichtige Funktionen werden heute von Drohnen übernommen. Hier können die mexikanischen „Errungenschaften“ gemeinhin als Blaupause für Entwicklungen in anderen Bereichen und Regionen angesehen werden. Was gegenwärtig in Europa vielleicht noch nicht denkbar ist, kann auch hier vielleicht schneller als befürchtet zur Realität werden.

Alles deutet darauf hin, dass heute das Spektrum des Einsatzes von Drohnen für Überwachungs- und Angriffszwecke eine wesentlichere Rolle spielen als für den Drogentransport. Der Einsatz von Drohnen zum Abwurf von Sprengsätzen wird bei bewaffneten nicht staatlichen Gruppen immer häufiger – sowohl in Kämpfen zwischen solchen Gruppen als auch durch regierungsfeindliche Milizen, meldete t-online.de Anfang Juli.

Die Situation an der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko spitze sich immer weiter zu, vermerkte auch das schweizerische Portal „Blick“ im Februar. Mexikanische Drogenkartelle sollen demzufolge ihre Leute auffordern, die Soldaten, die zur Bewachung der Grenze zu Mexiko eingesetzt sind, mit sogenannten Kamikaze-Drohnen anzugreifen. Dies stünde in einem Dokument, das der „New York Post“ vorliegen soll. Die besagten Drohnen verfügen über einen Sprengsatz, der explodiert, sobald er mit etwas in Berührung kommt. Sie seien äußerst gefährlich und tödlich für die dortigen Grenzüberwacher.

Ein Bruchteil des Preises konventioneller Waffen 
Zum Einsatz von Drohnen als Waffe, wie „France 24“ zu berichten weiß, hatte sich ein mutmaßlicher Auftragskiller in einem Interview mit der mexikanischen Wochenzeitung „Ríodoce“ – die sich vor allen Dingen der Berichterstattung über organisierte Kriminalität und den Drogenkrieg in Mexiko widmet – in die Karten schauen lassen: „Drohnen mit Sprengstoff verfügen über einen Mechanismus, der einer Klammer ähnelt. Er funktioniert elektronisch und wird vom Bediener gesteuert. Dieser drückt den Knopf nur, wenn er das Ziel lokalisiert hat“, dann gebe er die tödliche Last frei, „was auch immer sie enthält, sei es eine Granate, einen Mörser oder selbstgebaute Bomben.“

„Die zunehmende Verbreitung von Drohnen in der organisierten Kriminalität ist auf ihre hohe Effizienz im Verhältnis zu ihren Kosten zurückzuführen“, erklärt Lodovico Molina, außerordentlicher Professor für Völkerrecht und Informationstechnologierecht an der argentinischen Universität von Salvador, im Februar dieses Jahres gegenüber dem Sender Deutsche Welle. „Für einen Bruchteil des Preises einer konventionellen Waffe kann eine bewaffnete Gruppe präzise Angriffe durchführen, in Echtzeit Informationen sammeln und illegale Fracht transportieren, ohne ihre Agenten direktem Kampf auszusetzen“, listet Molina als Vorteile dieser Geräte auf.

Drohnen auch auf Geldtransporter eingesetzt 
In einer im Oktober vergangenen Jahres vorgestellten Studie des „Hague Centre for Strategic Studies“ in Den Haag stellen die Autoren fest: „Der Einsatz von UAVs in der organisierten Kriminalität steht für einen breiteren Trend zur zunehmenden Automatisierung krimineller Aktivitäten. Durch die Minimierung des physischen Kontakts und die Verhinderung, dass Kriminelle direkt abscheuliche Taten begehen, könnte der Einsatz von Drohnen für eine Zunahme der Gewalt seitens der organisierten Kriminalität verantwortlich sein.“

Kim James, Vorstandsmitglied der Commercial Unmanned Aircraft Association of Southern Africa (CUAASA), bestätigt, dass kriminelle Gruppen auch in Südafrika Drogendrohnen zur Aufklärung und zum Drogenhandel einsetzen. Eine ähnliche Strategie konnte in Kolumbien beobachtet werden. Drogenkartelle versuchen damit Grenzkontrollen zu umgehen. Ebenso sei die Möglichkeit, dass Drohnen beispielsweise auch auf Geldtransporter gezielt eingesetzt werden, gegeben.

Selbst wenn Europa bislang von solchen Auswüchsen verschont geblieben ist, sind Ansätze von Drohneneinsätzen gegen die Vertreter von Sicherheitsbehörden registriert worden. Schon vor Jahren kam im schwedischen Fernsehsender „SVT Nyheter“ ein Polizist namens Mikael zu Wort. Die Quintessenz seiner Erfahrungen besagte kurz und knapp: „Kriminelle Banden nutzen Drohnen, um die Polizei auszuspionieren.“

Unversteuerte Glimmstängel per Drohne
Dem gesetzwidrigen Einsatz von Drohnen sind auch jenseits von Drogen und Waffen viele Einsatzgebiete noch offen. Tabakschmuggler und Schwarzmarkthändler – so die in Wien ansässige Agentur „pressetext.com“ – nutzten „zunehmend soziale Medien und Drohnen, um Zigaretten an Kunden in Europa zu liefern und Strafverfolgungsbehörden zu umgehen.“ Dies gehe aus einem Bericht der Wirtschaftsberatungsgruppe KPMG hervor. Der jährlich erstellte Report, der vom weltweit zweitgrößten Tabakkonzern Philip Morris International in Auftrag gegeben worden sei, habe den illegalen Vertrieb von Tabakwaren auf dem Kontinent untersucht, der den Unternehmen Umsatzeinbußen beschert und die Behörden Steuereinnahmen kostet. KPMG führt die Zunahme unter anderem auf höhere Steuern und Preise in Märkten wie Frankreich und den Niederlanden zurück. Dem Bericht zufolge – so „pressetext.com“ – „gehen die illegalen Händler zunehmend dazu über, kleinere Mengen über Billigfluglinien zu schmuggeln. Zudem nutzen sie verstärkt die Bahn und Drohnen und umgehen zunehmend physische Geschäfte, um direkt über soziale Medien an Verbraucher zu verkaufen. Drohnen seien ideal für den Transport über Grenzen, an denen für die Schmuggler die Gefahr besteht, erwischt zu werden. Sie ließen sich an gesicherten, aber unbewachten Grenzabschnitten einsetzen.“

Ein nicht alltägliches, aber durchaus ernst zu nehmendes Thema beschrieb Mitte Juli die „Jüdische Allgemeine“ unter der Überschrift: „Ein Löwenbaby per Drohne.“ Das Blatt stellt fest, dass „exotische Tiere mit solchen Fluggeräten durch die Luft über die Grenze nach Israel geschickt werden, schockiert nicht nur die Sicherheitsbehörden.“ Wie die Zeitung schreibt, hätten Ermittlungskräfte in den vergangenen Monaten „in groß angelegten Aktionen gleich mehrere solcher Tiere, darunter junge Löwen und zahlreiche Affen, gerettet, die man vor allem in den Beduinengemeinden in der Negevwüste gefunden hat, aber auch im Zentrum des Landes. In einer gemeinsamen Erklärung warnen Beamte von Polizei sowie Natur- und Parkbehörde, dass dies nur die Spitze des Eisbergs sei.“ Zu den Gewinnmargen, die hier zur Diskussion stehen vermerkt das Blatt: „Der Preis für ein Löwenjunges liegt auf dem Schwarzmarkt zwischen 18.000 und 25.000 Euro, während seltene Affen je nach Rasse und Alter einige Tausend bis zu 20.000 Euro kosten.“ Die lebende Fracht komme über Ägypten und Jordanien ins Land. „Derartige Fluggeräte sind teuer und müssen robust sein, um rund 70 Kilogramm tragen zu können“, so der Sprecher des Südbezirks, Chaim Bublil. „Früher gab es keine Drohnen, die ein solches Gewicht hätten befördern können, doch heute schon.“ Die für solche Coups benutzten Drohnen könnten schnell einige tausend Schekel (1 Euro ist ca. 4 Schekel) kosten. 

Neue Einsatzmöglichkeiten durch KI
„InSight Crime“, eine Denkfabrik und Medienorganisation, die unter anderem vom US-Außenministerium finanzielle Unterstützung unterhält und sich auf organisierte Kriminalität in Lateinamerika und der Karibik spezialisiert hat, beschreibt weitere Schauplätze der Drohnenproblematik: Über Mexiko und den Nahen Osten hinaus würden auch kriminelle Organisationen in Kolumbien und Brasilien Drohnentechnologie nutzen, um ihre Operationen zu effektivieren. In Brasilien nutzt das „Erste Hauptstadtkommando“ (Primeiro Comando da Capital – die größte kriminelle Organisation des Landes) Drohnen, um Favelas zu überwachen und unter seiner Kontrolle zu halten. In Kolumbien setzen Dissidenten der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC), auch bekannt als die ehemalige FARC-Mafia, Drohnen in ihrem Krieg gegen den Staat ein.

Mehrere journalistische und wissenschaftliche Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Kartelle Drohnen nicht nur für Angriffe verwenden, sondern auch als wirksame Spionageinstrumente. Eine Drohne kann das Nummernschild eines fahrenden Fahrzeugs präzise identifizieren, die Körperwärme einer in Bäumen versteckten Person erfassen oder private Kommunikation abfangen. Und das alles, ohne den Bediener zu gefährden. Als Hilfsmittel kommt hierbei oftmals KI zum Einsatz, die in der Kombination mit der sich ständig verbessernden Drohnentechnik die Ermittler immer wieder an ihre Grenzen stoßen lässt.

„Die erste Mafiaorganisation, die sich in Italien für Drohnen interessierte, war die Cosa Nostra. Die Enthüllung stammt aus dem Verhörprotokoll des Justizmitarbeiters Gaspare Spatuzza im Prozess um den Anschlag auf Paolo Borsellino.  „Die Graviano-Brüder (die Bosse, die mutmaßlich die Anschläge auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino in Auftrag gegeben haben) beauftragten mich, eine Drohne zu kaufen, die als fliegende Bombe mit einer geringen Sprengstoffmenge dienen sollte.“

Boying mit beachtlichen Daten
Das aus dem südostchinesischen Shenzhen stammende Unternehmen United Aircraft Technology Co. LTD präsentiert auf der Paris Air Show 2025 eine große Anzahl unbemannter Luftfahrzeuge. Einige von ihnen können beim genaueren Hinsehen Erstaunen und Bewunderung ebenso auslösen wie Erschrecken.

„Das größte gezeigte System ist“, wie Defence-Network.com schreibt, „der Boying – nicht zu verwechseln mit Boeing! – T1400 Tandem Rotor Umanned Helicopter. Der T1400 ist ein unbemannter Schwerlast-Hubschrauber mit Tandemrotor-Konfiguration, der für den Einsatz auf Hochebenen mit Start- und Landefähigkeiten in großer Höhe entwickelt wurde.“

United Aircraft Technology gibt das maximale Abfluggewicht mit 1.400 Kilogramm an, bei einer maximalen Nutzlast – inklusive Treibstoff – von 650 Kilo. Er könne eine Flughöhe von 6.500 Metern und eine maximale Fluggeschwindigkeit mit 180km/h erreichen. Start und Landung sollen in Höhen von maximal 5.000 Metern möglich sein. Beachtlich, wenn man bedenkt, dass der höchste Berg der Alpen, der Mont Blanc, 4.800 Meter misst. Es ist zu befürchten, dass es nicht lange dauert, bis ein solches Fluggerät jenseits gesetzlicher Grenzen abhebt.

 

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