Gesamtschuldverhältnisse und die Auswirkungen auf die Baubeteiligten
Was bedeutet das Gesamtschuldverhältnis für die Praxis? Foto: DOC RABE Media/Fotolia
Bei Bauprojekten ist eine gute, koordinierte Zusammenarbeit von Planern, Sonderfachleuten, Bauunternehmern etc. für ein erfolgreiches Ergebnis entscheidend. Ein Fehler eines Baubeteiligten kann sich schnell auf die Leistung eines anderen auswirken.
Im Grundsatz haftet erst einmal jeder Bauverantwortliche nur für seine eigenen Fehler. Bei der Frage der Haftung ist dieser Grundsatz jedoch schnell vergessen, was auch für das sog. Gesamtschuldverhältnis, das regelmäßig zwischen Planern, Sonderfachleuten und Bauunternehmern besteht, gilt.
Was bedeutet das Gesamtschuldverhältnis für die Praxis ?
Eine Gesamtschuldnerschaft kann sich aus dem Gesetz oder aus einer vertraglichen Regelung ergeben. Grundvoraussetzung ist, dass mindestens zwei Personen dem gleichen Gläubiger gegenüber zur Leistung verpflichtet sind. Erforderlich ist keine völlige Identität der Leistungspflichten der Gläubiger.[1]Es genügt vielmehr, wenn die Befriedigung auf das gleiche Leistungsinteresse des Gläubigers abzielt. So kann auch eine Gesamtschuld bei unterschiedlichen Schuldgründen angenommen werden.
Dienen die Leistungen mehrerer Unternehmer einem gemeinsamen Zweck, wie z.B. bei der Planung, Ausführung und Überwachung eines Bauvorhabens, kann es sich bei der Gesamtheit dieser Leistungen um ein Gesamtschuldverhältnis handeln. Auch hier gilt aber, dass die Haftung eines Unternehmers voraussetzt, dass er seine eigenen Leistungen mangelhaft erfüllt hat.
Folge eines Gesamtschuldverhältnisses ist, dass der Gläubiger die Leistung von einem Gesamtschuldner seiner Wahl in vollem Umfang verlangen kann (§ 421 BGB). Die Gesamtschuldner haften dem Gläubiger gegenüber im Außenverhältnis folglich gemeinsam für die gesamte Leistung bzw. den insgesamt entstandenen Schaden, allerdings selbstverständlich nur einmal.
Welche Gesamtschuldverhältnisse gibt es ?
Gesamtschuldverhältnisse kommen im Baubereich z.B. zwischen Planer und Bauunternehmer, zwischen Bauunternehmer und Bauüberwacher sowie zwischen Planer und Bauüberwacher in Betracht. Haben z.B. der Architekt, der Fachplaner und der ausführende Unternehmer einen Mangel verursacht, haften sie als sogenannte Gesamtschuldner (§ 426 BGB), obwohl der Bauunternehmer eine Bauleistung schuldet und auf Nacherfüllung haftet und der Architekt eine Planung/Bauleitung schuldet. Liegen also sowohl Planungs- als auch Ausführungsfehler vor, die dann zu einem Mangel des Bauwerks führen, haften Architekt und Bauunternehmer gesamtschuldnerisch. Dabei wird die Haftung jedoch immer auf eine Quote begrenzt, wenn unterschiedliche Verursachungsbeiträge des Architekten bzw. des Unternehmers vorliegen. Lässt sich eine Aufteilung in die jeweiligen Verursachungsbeiträge nicht herausarbeiten, haftet der Bauunternehmer mit dem Architekten für den gesamten Schaden.[2]Eine Gesamtschuld von Fachplaner und Objektplaner im Falle einer mangelhaften Planung kommt dagegen eher nicht in Betracht, da vom Objektplaner nicht erwartet werden kann, dass dieser in der Regel eine mangelhafte Leistung des Fachplaners erkennt.
Was ist, wenn ein Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurde? Der Innenausgleich
Wird der Gläubiger von einem Gesamtschuldner befriedigt, kann dieser Gesamtschuldner im Innenverhältnis gegenüber dem oder den anderen Gesamtschuldnern Ausgleich in Höhe der jeweiligen Mithaftungsquote verlangen. Im Innenverhältnis muss die Haftung jedoch nicht immer vollständig den für die Entstehung des Baumangels primär Verantwortlichen treffen, so dass eine quotenmäßige Haftungsverteilung oder sogar in besonderen Fällen die alleinige Haftung des sekundär Verantwortlichen in Betracht kommen kann. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn dessen vertragliche Pflichtverletzung besonders schwerwiegend gewesen ist.
Bei dem Ausgleichsanspruch handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch, der bereits mit der Gründung der Gesamtschuld und nicht erst mit Erfüllung der vom Gläubiger geltende gemachten Forderung entsteht[3]. Er wird auch nicht dadurch beschränkt, dass die Ansprüche des Gläubigers u.U. schon gegenüber den anderen Gesamtschuldnern verjährt sind[4].Hat z.B. der Architekt den Anspruch ausgeglichen und wendet sich dann bzgl. eines Innenausgleiches an den gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmer, kann dieser nicht einwenden, dass der Anspruch des Gläubigers gegen ihn bereits verjährt sei.
Sonderfall Arbeitsgemeinschaft im Kontext mit der Berufs-Haftpflichtversicherung
Bauvorhaben werden oft in Form von Arbeitsgemeinschaften (ARGE) durchgeführt. Hierbei schließen sich Unternehmen zusammen, um das Bauvorhaben gemeinsam durchzuführen und die Mitglieder bzw. Gesellschafter haften die Verbindlichkeiten der ARGE regelmäßig als Gesamtschuldner [5]. In den meisten Versicherungsbedingungen besteht Versicherungsschutz für die Teilnahme an einer ARGE an, auch dann, wenn sich der Anspruch gegen die ARGE selbst richtet. Im Innenverhältnis hängt die Haftung der Partner von der getroffenen vertraglichen Vereinbarung ab. Im Innenverhältnis kann eine Aufteilung nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Quoten erfolgen mit der Folge, dass der einzelne Teilnehmer alleine für seine Leistung haftet bzw. bei einer Aufteilung nach Quote nur in Höhe des entsprechenden Anteils. Gemäß den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) wird - soweit die Aufgaben in der ARGE nach Fachgebieten, Teilleistungen oder Bauabschnitten aufgeteilt sind - Versicherungsschutz für Schäden auf die jeweils übernommenen Aufgabe begrenzt. Sind die Aufgaben anderweitig aufgeteilt, ist die Ersatzpflicht auf die Quote beschränkt, die der prozentualen Beteiligung an der Arge entspricht. Liegt auch eine quotenmäßige Aufteilung nicht vor, ist der verhältnismäßige Anteil entsprechend der Anzahl der Partner der Arbeitsgemeinschaft maßgeblich[6].
Im Schadenfall kann eine – wie oben dargestellte – Aufteilung im Innenverhältnis jedoch dazu führen, dass der Versicherungsschutz nicht vollumfänglich die Haftung abdeckt. Im Außenverhältnis besteht eine 100% Haftung als Gesamtschuldner, unabhängig davon, ob im Innenverhältnis eine anteilige Haftung vereinbart worden ist, diese (gesamtschuldnerische) Haftung für die anderen ARGE Partner ist vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Hinzukommt, dass der Gläubiger in der Praxis in der Vergangenheit oft zuerst den Partner des Gesamtschuldverhältnisses in Anspruch genommen hat, den er für besonders solvent einschätzt bzw. der über eine entsprechende Berufs-Haftpflichtversicherung verfügt. Der Regressweg bleibt davon unberührt, d.h. der in Anspruch genommene Partner kann gegenüber dem Schadenverursacher Regress nehmen. Soweit die Insolvenz eines Arge-Partners eintritt, passt sich allerdings auch der Versicherungsschutz an.
Bei einigen Versicherern finden sich abweichende Regelungen zu den Musterbedingungen. Hier werden allgemein Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers aus der Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften mitversichert , ohne eine Begrenzung des Versicherungsschutzes entsprechend der Aufteilung nach Teilgebieten, Fachgebieten, Quoten etc. Damit wird auch die mit der Beteiligung an der Arge verbundene gesamtschuldnerische Haftung vom Versicherer übernommen. Der Versicherer würde damit den Anspruch voll erstatten und trägt auch das Regressrisiko für den Fall, dass z.B. durch einen insolventen Partner die Regressforderung nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Ansprüche im Innenverhältnis der Partner der Arbeitsgemeinschaft untereinander sowie Ansprüche der Arbeitsgemeinschaft gegen die Partner oder umgekehrt sind jedoch auch hier - vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
[1] Palandt/Grüneberg, § 421, Rdnr. 6, 77. Auflage
[2] Vgl. OLG Jena, Urteil vom 21.07.2011 - 1 U 1223/05; BGH, Beschluss vom 06.09.2012 - VII ZR 174/11 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
[3] Palandt/Grüneberg, § 426 BGB, Rdnr. 4, 77. Auflage
[4] Palandt/Grüneberg, § 426 BGB, Rdnr. 4, 77. Auflage
[5] Späte/Schimikowski, Kommentar zu den AHB, 2. Auflage, Rdnr. 107
[6] Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren (AVB Arch./Ing.)