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Sicherheit für ein besonderes Sporterlebnis

29.04.2024

American Football erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Dazu trägt auch bei, dass die US-amerikanische National Football League (NFL) inzwischen  Spiele ihrer 'Regular Season' in Deutschland austrägt

Dr. Alexander Steinforth, Geschäftsführer NFL Deutschland (re.) und Michael Sorge, Instructor for Strategic Security Management Foto: Jochen Krings
Dr. Alexander Steinforth, Geschäftsführer NFL Deutschland (re.) und Michael Sorge, Instructor for Strategic Security Management Foto: Jochen Krings

American Football erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Dazu trägt auch bei, dass die US-amerikanische National Football League (NFL) inzwischen  Spiele ihrer 'Regular Season' in Deutschland austrägt. Die mit rund 19 Milliarden Dollar mit Abstand umsatzstärkste Sportliga der Welt besteht aktuell aus 32 Teams, deren Saisonfinale, der Superbowl im Februar, auch hierzulande ein großes Medienecho findet.

Die beiden NFL-Spiele im November 2023 in Frankfurt besuchten über 100.000 Zuschauer, rund 1,5 Millionen verfolgten die TV-Übertragung. Zum Erfolg trägt auch bei, dass Unterhaltung bei der NFL eine wesentlich größere Rolle spielt als beispielsweise im Fußball. "Die NFL investiert sehr gezielt in das Fan-Erlebnis vor Ort", erläuterte unlängst Ex-DFB-Manager Oliver Bierhoff im Interview mit dem Kicker. "Die NFL will Umsätze generieren und dafür muss der Fan, ihr Kunde und Konsument, zufrieden sein."

Offizielle US-Spiele nach NFL-Standards in deutschen Stadien, dazu eine Unterhaltungskultur mit frei zugänglichen Events: Was bedeutet das für die Sicherheitsmaßnahmen? Dazu ein Gespräch mit Dr. Alexander Steinforth, Geschäftsführer NFL Deutschland, und dem früheren Bayer-Sicherheitschef Michael Sorge, der die NFL zusammen mit Oliver Graf, Geschäftsführer Proteus.One, in Sachen Sicherheit berät. 

Herr Dr. Steinforth, was unterscheidet NFL-Spiele von dem, was wir von der Bundesliga kennen?

NFL-Spiele sind keine reinen Sportereignisse, sondern umfassende Events mit vielen Aktivitäten im Umfeld. Im Stadion gibt es eine große Eventfläche mit Showacts, und wir organisieren in der Stadt verschiedene Attraktionen. In Frankfurt hatten wir am Roßmarkt Showacts mit DJ, ein Quarterback Field, NFL-Shops und Merchandising, auch die Superbowl-Trophy war ausgestellt. Ein NFL-Spiel ist ein umfassendes Erlebnis, das weit über das eigentliche Spiel hinausgeht.

Welches Publikum spricht ein solcher Event an?

Steinforth: In Deutschland ist American Football für die meisten noch neu, deswegen kommen viele, um die Sportart und die Atmosphäre näher kennenzulernen. Es gibt keine Fanblöcke oder Dauerkarten, wir haben ein gemischtes Publikum, vor allem in der Altersgruppe 15-35. Interessant ist auch, dass 10 Prozent der Besucher letztes Jahr beide Spiele in Frankfurt angesehen haben, das zeigt das Interesse.

Warum haben Sie sich für München und Frankfurt als Spielorte entschieden?

Steinforth: Die Vergabe erfolgt in einem längeren Bewerbungsprozess. Wichtige Kriterien sind beispielsweise Flughafennähe, die Hotelinfrastruktur, aber auch die Marke der Stadt und dass Stadt und Land voll hinter den Spielen stehen. Und wir brauchen natürlich ein geeignetes Stadion.

Die vorhandenen Stadien sind hierzulande in der Regel für den Fußball gebaut. Was braucht es für die Ausrichtung eines NFL-Spiels?

Steinforth: Die Spielfläche ist mit 100 Yards plus End Zone länger und schmaler als im Fußball, das muss angepasst werden. Es gibt 53 Spieler statt 22, das heißt wir brauchen auch größere Kabinen. Und es sind viel mehr Menschen am Spielfeldrand. Bei Auslandsspielen wird das komplette Set der Spiele in den USA hier abgebildet. Es gibt einen größeren Medienaufwand, mehr Kameras, größere TV-Teams usw. Die Durchführung eines regulären NFL-Spiels hier in Europa ist ein beträchtlicher Aufwand und erfordert lange Vorbereitung.

Das gilt sicherlich auch beim Thema Sicherheit. Was ist hier Ihr Anspruch?

Sorge: Die NFL verfolgt hohe Sicherheitsstandards. Die Fans sollen sich an allen Aufenthaltsorten während und nach dem Spiel sicher, informiert und wertgeschätzt fühlen. Das schließt natürlich auch die Fan-Events außerhalb der Stadien ein. Die Sicherheitsstandards der NFL sind als 'Best Practices' definiert und auch grundlegend für das Sicherheitskonzept hier in Deutschland. Aber sie müssen natürlich mit den lokalen Standards abgeglichen werden. Das lässt sich nur mit Kommunikation und Kooperation lösen.

Wie bewerten Sie die Sicherheitsrisiken für die Spiele in Deutschland?

Sorge: Wir gehen bei der Risikobewertung kaskadenartig vor. Wir beginnen mit einem generellen Lagebild, bewerten die Lage im Land und die spezifische Situation am Spielort. Die Spiele in Frankfurt haben kurz nach dem Hamas-Überfall auf Israel stattgefunden, das hat natürlich bei unserer Bewertung eine Rolle gespielt. Außerdem berücksichtigen wir spezifische Risiken hinsichtlich der NFL als US-amerikanische Organisation und mögliche Bedrohungsszenarien für die Eigentümerfamilien oder einzelne Spieler.

Zu den Besonderheiten der NFL-Spiele zählen die Events in der Stadt. In München gab es eine Eventzone auf dem Odeonsplatz, in Frankfurt am Roßmarkt. Wie sichern Sie diese Events ab?

Sorge: Wir haben auf den öffentlichen Plätzen eine abgegrenzte, angemietete Fläche. Wir wollen aber keine Burg errichten, sondern im Sinne des Fanerlebnisses offene Events anbieten. Die einzig sichtbare Maßnahme in Frankfurt war die Absicherung mit Durchbruchsperren. Ansonsten zeigen wir Präsenz. Wir sind mit einem eigenen Sicherheitsdienst auf dem Platz, erkennen Verhaltensauffälligkeiten und verdächtige Gegenstände, und wir sind auf der Fläche mit Spürhunden unterwegs, um Sprengstoffe zu detektieren, aber auch beispielsweise Drogen. Alle Maßnahmen sind natürlich mit den Behörden abgestimmt und wir arbeiten vor Ort eng mit der Polizei zusammen.

Wie sieht das mit den Stadien selbst aus, wo es ja bereits etablierte Sicherheitsstrukturen gibt?

Sorge: Jedes größere Stadion hat ein bestehendes Sicherheitskonzept, das bereits abgenommen und genehmigt ist. Außerdem kennen die Betreiber ihre Stadien sehr genau und haben Sicherheitsdienstleister, die Erfahrung mit den örtlichen Gegebenheiten haben. Wir setzen das vorhandene Sicherheitskonzept nicht außer Kraft, sondern docken daran an und stimmen uns mit den Sicherheitsverantwortlichen der Stadien ab, wenn wir an einzelnen Punkten möglicherweise andere Anforderungen haben.

Was ist das zum Beispiel?

Sorge: Ein typisches Beispiel ist die Einlasskontrolle. In Deutschland wird üblicherweise abgetastet, in den USA werden bei den NFL-Spielen zur Einlasskontrolle Open Gate-Systeme eingesetzt. Ein Abtasten findet nicht statt. Bei den Spielen in Deutschland machen wir beides und passen das Crowd Management entsprechend an. Ein anderes Beispiel ist die Sprengstoffkontrolle. Wir durchsuchen das Stadion im Vorfeld mit Spürhunden, danach ist der Zutritt nur noch an bestimmten, mit Scannern ausgestatteten Eingängen möglich.

Mit welchem Sicherheitspersonal setzen Sie die Maßnahmen um?

Sorge: Wir bringen zum einen eigenes Sicherheitspersonal aus den USA mit, das vom ersten Tag an eng mit den deutschen Kräften vor Ort zusammenarbeitet. Darüber hinaus setzen wir auf das vorhandene Personal des Stadions und ergänzen dort, wo ein Dienstleister bestimmte Dienste nicht anbieten kann. Der Einsatz von Scannern beispielsweise erfordert eine spezielle Qualifikation. Spezielle Anforderungen sind auch der Personenschutz für die Begleitung der Teams, das Sicherheitspersonal für die Eventzone in der Stadt und die Spürhunde-Staffeln. Hier greifen wir auf private Dienstleister zurück.

Wie wählen Sie diese Dienstleister aus?

Sorge: Wir haben uns 2022 am Markt umgesehen, Gespräche geführt und auch bei kleineren Vorveranstaltungen getestet. Ich muss zugeben, dass es nicht einfach war, anhand unserer Kriterien und Anforderungen die richtigen Partner am Markt zu finden. Aber es hat sich am Ende ausgezahlt, hier sehr genau und gründlich vorzugehen. Kriterien waren neben den formalen Qualifikationen unter anderem sprachliche Anforderungen und die Möglichkeit, gemeinsame Leitstellen aufbauen zu können. Über das vorhandene Sicherheitspersonal hinaus arbeiten wir mit drei Dienstleistern zusammen. Am schwierigsten war es, einen geeigneten Dienstleister für die Hundestaffeln zu finden. Wir brauchen pro Spiel etwa 30 Hunde, das können in Deutschland die wenigsten mit den entsprechenden Zertifikaten anbieten.

Sie sind seit Juni 2022 bei NFL Deutschland. Was waren die überraschendsten Erfahrungen, die Sie in dieser Zeit gemacht haben?

Sorge: Mich hat beeindruckt, mit welcher Gründlichkeit die NFL an so ein Spiel herangeht. Eine besondere Erfahrung war auch die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium und der Stadt sowohl in München wie auch in Frankfurt. Alle waren sehr offen und haben sich mit großem Engagement eingebracht. Last but not least hat mich auch die Begeisterungsfähigkeit des Publikums überrascht. Wenn wie in München die Leute nach dem Spiel noch eine Stunde im Stadion bleiben und singen, dann ist das ein besonderes Erlebnis.

http://www.nfl.com

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