Auf der Suche nach trojanischen Pferden in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China

Die Situation der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China ist eine besondere Herausforderung. Europa muss reagieren und seine Interessen verteidigen.

Lesezeit: 7 Min.

03.02.2020

Wie steht es um die Machtstrategie Europas? Ist das ein Konzept, eine Chimäre oder eine operative Realität? Steht die Europäische Union unter dem Einfluss mächtiger Lobbys? Aus Europa? Aus China? Oder anderen Nationen? Gibt es trojanische Pferde, die eine kollektive und entschlossene Reaktion Europas blockieren? Die Situation der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China ist dabei eine besondere Herausforderung. Vergessen wir nicht: China wurde vor knapp 10 Jahren von Europa noch wie ein Entwicklungsland betrachtet.

Im Jahr 2016 trat China dann nach einer Prüfzeit von 15 Jahren der Welthandelsorganisation WTO bei. Somit unterliegen die Handelsbeziehungen zwischen Europa und China auch deren Regeln. Wir stehen daher vor einer Beweislastumkehr. Es ist nun nicht länger Aufgabe Chinas, nachzuweisen, dass es die Regeln der Marktwirtschaft einhält. Europa muss daher von Fall zu Fall analysieren, ob Peking gegen diese Vorschriften verstößt. Die Trump-Administration beschuldigt China mit unlauteren Geschäftsgebaren vorzugehen, durch dieses soll das geistige Eigentum amerikanischer Firmen geschädigt worden sein. Sei es die Fälschung berühmter Marken und der Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen bis hin zum Druck auf Unternehmen, Technologien mit lokalen Unternehmen zu teilen, um Zugang zu Chinas riesigem Markt zu erhalten. Und auch die Enttarnung eines chinesischen Spions in 2018, der über 20 Jahre lang persönlicher Mitarbeiter der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein war, hilft nicht dabei das Verhältnis zu verbessern.

Spionageabwehr? Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie? Wirtschaftsschutz? Diese Themen scheinen schon seit einigen Jahren nicht mehr auf der deutschen, französischen und europäischen Prioritätenliste zu stehen. Und doch wäre es dringend geboten. Die Aussage von Sigmar Gabriel in einem Gastbeitrag des Tagesspiegels ist dazu so einfach wie prägnant: „Europa ist in der Auseinandersetzung zwischen den USA und China zum Spielball geworden“.

Handelsbeziehungen zwischen der EU und China

Um auch Europäische Interessen wahren zu können, braucht es ein respektvolles und ausgewogenes Verhältnis zwischen Europa und China. Eurostat zufolge weist die EU im Übrigen ein größtenteils defizitäres Handelsverhältnis zu China auf. Europäische Entscheidungsprozesse können natürlich verbessert werden, aber das darf nicht daran hindern, europäische Antworten auf ausländische Machtstrategien zu entwickeln. Und dass China eine eigene Machtstrategie entwickelt hat, die mittelfristig sogar die Vormachtstellung der USA in Asien herausfordern, wenn nicht sogar gefährden kann, ist unbestritten. In diesem Sinne wird das europäische „Wir“ von einer Reihe von institutionellen Akteuren, Politikern, Beamten, Experten… und dem Privatsektor geformt, der von Lobbyfirmen über NGOs bis hin zu gut organisierten sozialen Gruppen reicht. Fast jeder ist „auf der Bühne“. In Europa zeichnet sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine Mehrheit für die Verhandlung zwischen zwei Mächten auf Augenhöhe ab, was aber dringend notwendig wäre.

Deutschland und seine Ausrichtung auf den Export

Von allen europäischen Ländern ist Deutschland das einzige Land mit einer positiven Handelsbilanz gegenüber China. Dies gilt für den Export von Industriegütern und noch mehr für Dienstleistungen. Europäische Investitionen in China waren und sind so wichtig, dass ihre Aufrechterhaltung einer „wirtschaftlichen Geiselnahme“ ähnelt. Hypothesen einer Abkühlung der Beziehungen zwischen Europäern und Chinesen führen in China zu Panik. Deutschland ist dabei besonders exponiert und scheint doch handlungsunfähig. So konzentrieren sich in Deutschland die Verfassungsschutzbehörden aktuell besonders auf Themen wie Extremismus und Islamismus. Sicherlich aus gutem Grund. Themen wie Wirtschaftsschutz oder Spionageabwehr scheinen dabei aber gleichzeitig nicht mehr auf der Prioritätenliste ganz oben zu stehen. Das bleibt nicht verborgen. „Die Bundesregierung ist bei China erstaunlich ahnungslos“, so dazu die WELT.3 Aber auch andere EU-Länder zeigen kein großes Interesse daran, gegen unlauteren Wettbewerb vorzugehen.

Die Niederlande: damals wie heute eine Handelsmacht

Der niederländische Fall ist wahrscheinlich der Bemerkenswerteste. Dieser Mitgliedstaat war einer der schwächsten bei der Ausübung europäischen Einflusses gegen China. Die Niederlande erzielen das größte Defizit in den Handelsbeziehungen im Warenverkehr, haben aber ein Importniveau aus China, das praktisch dem deutschen Niveau entspricht, trotz einer sehr viel kleineren Bevölkerung und Staatsfläche. Das Niveau der niederländischen Exporte nach China ist vergleichsweise sehr niedrig. Die Erklärung liegt im europäischen Binnenmarkt, einer echten „Verschleierungsmaschine“ für niederländische Importe chinesischer Produkte über die nordeuropäischen Häfen, angefangen bei Rotterdam. Das Handelsdefizit der Niederlande gegenüber China wird durch hohe Exportüberschüsse auf dem europäischen Inlandsmarkt ausgeglichen. Die Niederlande sind aufgrund ihrer „angepassten“ rechtlichen und steuerlichen Instrumente der Brückenkopf für chinesische Investitionen und den Vertrieb chinesischer Produkte, die sich dann über den Binnenmarkt und über den freien Kapitalverkehr in Europa barrierefrei verbreiten.

Belgien: anderes Land, gleiche Vorgehensweise

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Hafen von Antwerpen die gleiche Rolle eines Trojanischen Pferdes im europäischen Binnenmarkt spielt wie der Hafen von Rotterdam!

„16 + 1“

Der Begriff „16+1“ bezieht sich auf 16 mittel- und osteuropäische Länder: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Kroatien, für die EU, zu denen noch hinzukommen sollten: Serbien, Bosnien, Herzegowina, Montenegro, Albanien und Mazedonien. Für China geht es darum, die Sicherheit der Seidenstraße durch umfangreiche Investitionen in diesen Ländern zu stärken. Besonders in diesen Staaten gibt es sehr hohe Co-Finanzierungsquoten (bis zu 85%) durch Brüssel. Das Interesse, das sich daraus für chinesische Investoren ergibt ist, also offensichtlich. Diese Beträge werden hauptsächlich von Steuerzahlern in Nord- und Westeuropa finanziert, und stehen jedoch für Projekte zur Verfügung, an denen Wirtschaftsakteure aus allen Ländern beteiligt sind. Das führte bereits zu Kontroversen bezüglich der Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand an chinesische Unternehmen. Griechenland könnte zu den oben genannten Mitgliedstaaten hinzugefügt werden. China hat gekonnt profitiert von der Privatisierung des Hafens von Piräus und erhielt dafür sogar noch europäische Mittel.

Länder mit hohem Innovationspotential in Europa

Geschäftsentwicklung und Innovationspotenzial, die durch europäische Forschungs- und Entwicklungsprogramme finanziert werden, werden von China beobachtet und erfasst. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür liegt im Bereich der erneuerbaren Energien. Nach der Zerstörung des europäischen Potenzials zur Herstellung von Photovoltaik-Modulen hat China in den Windenergiesektor investiert. Das chinesische Unternehmen Envision investierte in Dänemark in ein Forschungszentrum mit lokalen Unternehmen und wurde maßgeblich von der Dynamik des europäischen H2020-Programms unterstützt.

Divide et Imperia: Teile und herrsche!

Das globale Unbehagen gegenüber chinesischen Übernahmen hat die Schweiz erreicht. Parlamentarier sorgen sich über den steigenden Einfluss Chinas auf die schweizerische Wirtschaft und die liberale Laissez-faire-Politik bezüglich chinesischer Investitionen.“, so die NZZ.

China ist für den globalen Wirtschaftskampf und auch den Schutz seiner eigenen Wirtschaft nicht nur viel besser aufgestellt, sondern verfügt auch über die politische Entschlossenheit, diese zu verteidigen. Dazu gehören Chinas Fähigkeiten und die strategische Aufklärung. Das Problem ist aber nicht chinesisch, sondern europäisch. Schlimmer noch als Industriespionage ist, dass wir chinesische Wirtschaftsmodelle hier in Europa mitfinanzieren und konsolidieren! Europäische Forschung, die zusätzlich vom europäischen Steuerzahler finanziert wird, dient chinesischen Unternehmen in Europa, in China wo die Technologien anschließend hinwandern und an jedem anderen Punkt dieser Welt. Nicht nur eine große Herausforderung für den Wirtschaftsschutz, sondern auch eine lange Liste vertaner Chancen. Diese Situation dauert seit Jahren an und liegt vordergründig an der langsamen Entscheidungsfindung der Europäer. Europäische Entscheidungen sind Gegenstand von Kompromissen zwischen den Mitgliedern. Im Vorfeld finden innerhalb der EU Machtkämpfe statt. Es muss jetzt eine koordinierte europäische Antwort erarbeitet werden, ohne die Einladung chinesischer Gesprächspartner im Vorfeld, in Abstimmung mit den europäischen Staaten und den betroffenen europäischen Institutionen.

Es besteht keine Notwendigkeit, nach Art der Vereinigten Staaten von Amerika gegen China vorzugehen. In Europa sind nicht die gleichen institutionellen oder „kulturellen“ Gegebenheiten vorzufinden. Auf der anderen Seite ist klar, dass Europa reagieren muss und auch über die entsprechenden Mittel verfügt seine Interessen zu verteidigen.

1https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-12-05/what-s-intellectual-property-and-does-china-steal-it-quicktake

2https://www.tagesspiegel.de/politik/kalter-krieg-der-technologie-china-usa-europa-das-digitale-ist-geopolitisch/25170328.html

3https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/bundesregierung-ist-bei-china-erstaunlich-ahnungslos/ar-BBWLeVs?ocid=spartanntp

4https://www.nzz.ch/meinung/chinesische-investoren-unterschaetzte-aengste-ld.1464864

Bildquelle Auf der Suche nach trojanischen Pferden: AdopeStock – Urheber: Koraysa

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Über den Autor: Bernd Oliver Buehler

Bernd Oliver Buehler ist geschäftsführender Gesellschafter der JANUS Consulting GmbH. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Poitiers und absolvierte ein Aufbaustudium an der Pariser Schule für Wirtschaftskrieg. Bernd Oliver Bühler verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung. Er berät internationale Unternehmen in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen.