Kommunikation statt Bürokratie
Wie sich Sicherheitsdienste durch smarte Technik, Notrufleitstellen und Qualitätsmanagement auf die Herausforderungen von morgen vorbereiten – ein Branchenüberblick.

Peter Haller ist Geschäftsführender Gesellschafter der All Service Sicherheitsdienste GmbH, die mit rund 2.000 Beschäftigten und 80 Millionen Euro Umsatz zu den Top 20 Sicherheitsdienstleistern in Deutschland gehört. Wir sprachen mit ihm über die Entwicklung der Branche, aktuelle Herausforderungen und seine Erwartungen für die Zukunft.
Herr Haller, Sie haben im April ihr 35-jähriges Dienstjubiläum bei All Service gefeiert. Wie hat sich die Branche in dieser Zeit verändert?
Am Anfang verstand man unter dem typischen Sicherheitsdienst den Rentner als Nachtwächter, später waren es die schwarzen Sheriffs, was dem Ruf der Branche lange geschadet hat. Heute sind Sicherheitsdienste anerkannter Bestandteil der Sicherheitsarchitektur. Vor allem bei einfacheren Bewachungsaufgaben, für die die Polizei überqualifiziert ist, sind sie unverzichtbar.
Haben sich die Aufgaben verändert, quantitativ wie auch qualitativ?
Ja. Vor 35 Jahren hätte man kein Umspannwerk überwacht, heute müssen solche Einrichtungen gesichert werden. Bei der Luftsicherheit sind Brandsätze in Frachtstücken eine wachsende Bedrohung. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich die Lage noch einmal deutlich verschärft. Auch technische Entwicklungen haben zu Veränderungen geführt. Durch die zunehmende Verbreitung von Einbruchmeldetechnik ist das Aufkommen bei Notruf- und Serviceleitstellen erheblich gestiegen.
Sind die Anforderungen von Auftraggebern heute andere als früher?
Es gab immer schon Kunden, die ausschließlich auf den Preis achten, aber das hat abgenommen. Leider gibt es trotzdem noch Anbieter, die Mindestlohn und Tarifleistungen umgehen, um die Preise seriöser Dienstleister zu unterbieten. Viele Auftraggeber wissen aber, dass Qualität ihren Preis hat, manche schließen deswegen bei Ausschreibungen die billigsten Anbieter von vornherein aus. Und es gibt mehr Offenheit dafür, nicht nur über den Preis, sondern auch über das Konzept auszuschreiben. Das machen beispielsweise die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen, wo wir etliche Einrichtungen für Geflüchtete sichern.
Wie haben Sie sich als Unternehmen auf die Marktbedingungen eingestellt?
Wir haben schon vor 30 Jahren entschieden, uns über Qualität am Markt zu positionieren, und sind den Weg über EFQM (European Foundation for Quality Management) in Form des renommierten Ludwig-Erhard-Preises gegangen. Wir haben uns Qualitätsstandards gegeben, die wir regelmäßig abprüfen, und sind von der Ludwig-Erhard-Stiftung auditiert. Qualität ist messbar bei uns, wir sind stolz auf diesen Weg.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Branche?
Eine enorme Herausforderung ist die Bürokratie. Wir sind mit sehr vielen Auflagen konfrontiert. Nicht alle sind sinnvoll, trotzdem erfüllen wir sie. Das Problem ist, dass diese Auflagen staatlich nicht überprüft werden. Das ist ein Schlupfloch für Unternehmen, die sich einen Preisvorteil verschaffen wollen. Was wir brauchen, ist eine Entbürokratisierung, eine stärkere Kontrolle von Auflagen und hohe Strafen bei Verstößen. Die Bürokratie bremst uns an vielen Stellen aus. Ein Beispiel: Wenn sich bei uns jemand bewirbt und wir den Verdacht haben, dass die Bescheinigung der Sachkundeprüfung nach §34Aa nicht rechtens ist, fragen wir bei der ausstellenden IHK nach. Die sagt dann, dass sie aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben darf. Solche bürokratischen Hindernisse treiben uns in den Wahnsinn.
Ist der Arbeitskräftemangel weiterhin ein Thema?
Das war er bis vor etwa einem Jahr. Die Lage hat sich in den letzten Monaten aber entspannt, weil auf Grund der schwachen Konjunktur vielerorts Personal abgebaut wird, das dem Arbeitsmarkt jetzt wieder zur Verfügung steht. Wir bekommen heute wieder viel mehr Bewerbungen und können unsere Anstrengungen im Recruiting zurückfahren.
Was bedeutet das für technische Lösungen, die den Personaleinsatz reduzieren sollen, beispielsweise Videotechnik?
Solche Lösungen werden genutzt, haben sich im Markt aber nicht flächendeckend durchgesetzt. Das gilt auch für Robodogs, die viele Vorteile haben, aber auch sehr teuer sind. Technische Lösungen können Manguarding in vielen Bereichen ergänzen und unterstützen, beispielsweise mit Online-Meldungen oder GPS-genauen Ortsangaben auf Rundgängen. Aber ich denke nicht, das personelle Leistungen in wesentlichem Maße durch Technik ersetzt werden.
Sie sind auch Vizepräsident des BDLS und engagieren sich in der Tarifkommission des BDSW. Wie können Branchenverbände die Sicherheitsdienstleister unterstützen?
Neben der Tarifarbeit ist vor allem der Kontakt zu Politik und Behörden wichtig. In der Praxis gibt es viele Beispiele, wo es bei der Kommunikation mit den beteiligten Stellen klemmt. Wenn beispielsweise Sicherheitsdienste im öffentlichen oder teilöffentlichen Bereich arbeiten, sollten Verantwortliche wie Ordnungsamt oder Polizeibehörden wissen, wer steht da vor Ort, was ist die Aufgabe, welche Qualifikation bringen die Leute mit. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, solche Gespräche aktiv zu suchen. Das ist mein Ansatz von Lobbyarbeit: Lasst uns mit den Behörden reden, wie wir eine Lösung finden können.
Wie wird sich die Branche in den kommenden Jahren verändern?
Wir erleben derzeit einen Margenverfall in Deutschland. Grund dafür ist die fehlende Regulierung. Man braucht lediglich den IHK-Nachweis und kann dann ohne weitere Prüfung loslegen. In vielen anderen Ländern ist das nicht so, dort brauchen Sie für Sicherheitsdienstleistungen eine umfangreiche Ausbildung. Der Margenverfall in Deutschland wird zu einer Marktbereinigung führen. Große, Investoren geführte Unternehmen, die sich nur am wirtschaftlichen Ergebnis ausrichten, werden sich aus dem Markt verabschieden.
Wie schätzen Sie das Wachstumspotenzial bei den verschiedenen Sicherheitsdienstleistungen ein?
Der Bereich Notruf- und Serviceleitstellen wird aus den genannten Gründen in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Im Bereich Aviation ist in den nächsten Jahren kein Wachstum zu erwarten, weil hier in Deutschland auf Grund der schwierigen Rahmenbedingungen für die Luftfahrt auch die Passagierzahlen stagnieren. Das Kerngeschäft Wach- und Werkschutz ist insgesamt stabil. Einerseits gibt es zwar konjunkturell bedingte Rückgänge, andererseits aber auch Wachstum in speziellen Bereichen wie kritische Infrastruktur. Unter dem Strich wird der Markt in den nächsten Jahren nur gering wachsen, ich erwarte weniger als fünf Prozent. Das bedeutet, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen den Anbietern kommen wird. Als qualitätsorientiertes, mittelständisches Familienunternehmen sehen wir uns dafür gut aufgestellt.