Zwischen Goldrausch und Apokalypse
Die Nachfrage nach neuen Rohstoffen wird die geostrategische Landkarte verändern. Der Kampf um neue Rohstoffe zeigt, mit welchen harten Bandagen um den neuen Reichtum gefochten wird
Die Konflikte um die Rohstoffe der Zukunft nehmen zuFoto: Pixabay
Das Schwermetall Kobalt ist nach gegenwärtigem Wissenstand noch unverzichtbarer Bestandteil von Akkus, wie sie vor allem in Elektrofahrzeugen verbaut werden.
3,5 Millionen Tonnen Kobalt hat die Demokratische Republik Kongo im vergangenen Jahr gefördert und steht so mit weitem Abstand an der Spitze der Kobaltgewinnenden Staaten. Genauer gesagt ist es die Region Katanga. Die Fördermenge war etwa so viel, wie die in der Statistik folgenden zehn Länder zusammen. Man spricht bereits davon, Katanga sei das Saudi Arabien der Zukunft. Die Saudis hatten mit dem Petrodollar einen sagenumwobenen Reichtum angehäuft. Nicht zu vergessen jedoch auch der sogenannte Biafra-Krieg. Bei dem es neben den ethnischen Differenzen es vor allem um Erdöl ging, das Mitte der 1960er-Jahre im Niger-Delta immer reichlicher sprudelte und zur Haupteinnahmequelle des bis dahin agrarischen Nigeria wurde. Der Trennungsversuch von Nigeria endete für die Provinz Biafra in einem Blutbad mit rund drei Millionen Toten. Werden uns im Kampf um die Rohstoffe der Zukunftstechnologien die Szenarien zwischen Goldrausch und Apokalypse weiter begleiten? Es ist zu befürchten.
Neben Kobalt ist das Leichtmetall Lithium „unerlässlicher Bestandteil für beispielsweise aufladbare Batterien – sogenannte Lithium-Ionen-Batterien - und ist damit ein essentieller Faktor für die Elektromobilität und für Energiespeicher von Erneuerbaren Energien“ (statista.com). Bei den weltweiten Lithiumreserven stehen Chile und Australien mit Abstand an der Spitze der Fördermengen. In Chile wurden im vergangenen Jahr 9,2 Millionen Tonnen und in Australien 5,7 Millionen Tonnen des „weißen Goldes“ gefördert. Diese Werte beschreiben allerdings nicht den letzten Kenntnisstand. „Unter dem Uyuni-Salzsee in Bolivien werden die größten Lithium-Vorkommen der Erde vermutet. Der geplante Abbau des für Akkus wichtigen Metalls weckt Hoffnungen, ist aber wegen des hohen Wasserverbrauchs umstritten“, meldete die „Tagesschau“ im Juni vergangenen Jahres. Der Kampf, der um das Lithium in dem Andenstaat entbrannt, kann als beispielhaft gelten, mit welchen harten Bandagen um den neuen Reichtum gefochten wird.
„Wir werden putschen, gegen wen immer wir wollen.“
„Lithium soll ein Antrieb für Boliviens Industrialisierung sein“, beschreibt die „Tagesschau“ und ergänzt: „Geplant ist, die Akkus selbst zu bauen. Für dieses Projekt suchte Ex-Präsident Evo Morales einst Partner - und fand sie in einem deutschen Mittelständler: ACISA aus Zimmern ob Rottweil am Rand des Schwarzwaldes. Es war ein Jahrhundertdeal. Doch er platzte 2019, nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl und Morales' Flucht ins Exil. Seitdem liegt das deutsch-bolivianische Projekt auf Eis.“ Im November 2020 konnte Morales in sein Land zurückkehren. Vermutungen wurden laut, dass Morales weggeputscht worden sei. Im November 2019 hatte die Ikone der E-Mobilität, Tesla-Chef Elon Musk, auf Twitter gedroht: „Wir werden putschen, gegen wen immer wir wollen.“ Dass der Tweed schnell wieder gelöscht war, zeigt, dass der Tesla-Chef in Sachen demokratische Spielregeln etwas Nachhilfe erhalten hat.
Wenn es um Basismaterialien des laufenden oder künftigen Wirtschaftsbooms geht, taucht immer wieder der Begriff „Mafia“ auf. Kriminelle mit einem sicheren Blick für zu erwartende Extraprofite zeigen sich innovativ. Dabei müssen es nicht unbedingt seltene Metalle sein. Selbst Rohstoffe, die scheinbar im Überfluss oder zumindest in auseichender Menge vorhanden sind, können zur begehrten Ware werden. „Aus ihm wird der Beton unserer Häuser, der Asphalt unserer Straßen, unser Fensterglas und das Silizium in den Chips für unsere Mobiltelefone gewonnen. Sand ist das meistverwendete Material auf dem Planeten und ein wesentlicher Baustein des modernen Lebens. Doch er wird immer knapper und niemand weiß genau, wann er zu Neige gehen wird“, hieß es in einem Beitrag der „Deutschen Welle“ im Mai vergangenen Jahres. Der Sender stützte sich auf einen Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aus dem Jahr 2019, in dem die jährlich verbrauchte Sandmenge auf mehr als 40 Milliarden Tonnen beziffert wird.
Sand für den Wüstenstaat
Dabei ist Sand nicht gleich Sand. Im Wüstensand des Emirates Dubai entstand der Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt. Die darin im Beton verbauten 45.700 Tonnen Sand stammten aus dem 10.000 Kilometer entfernten Australien. Wüstensand ist zur Herstellung von Beton ungeeignet, es bedarf des kantigeren Korns vom Meeresstrand oder den Ufern großer Binnengewässer. Zwei Drittel dieses Baustoffes bestehen aus Sand. Wüstensand gibt es zwar im Überfluss, doch seine Körner sind durch Wind fein und rund geformt. Für die Herstellung von Beton sind sie ungeeignet, weil sie sich durch die fehlenden Kanten nicht mehr verhaken können, heißt auf es auf der Schweizer Website „espazium“ für Baukultur.
In einer Welt mit bald zehn Milliarden Bewohnern wird der Sand zum Bauen zu einem wertvollen Gut, schreibt Zeit-Online. Und man brauche ihn nicht nur zum Bauen. „Er wird auch für Sandstrahler in der Industrie verwendet, für Kosmetika, in Reinigungsmitteln oder der Automobilbranche. An den Stränden von Flüssen und Meeren liegen wertvolle Mineralien verborgen wie Granat, Ilmenit und Zirkon. Selbst seltene Erden für die Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops finden sich an manchen Stränden im Boden.“ Das Geschäft sei lukrativ. „So lukrativ, dass sich auch in Indien kriminelle Strukturen gebildet haben, an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Halbwelt, die auf diesen lukrativen Markt drängen: die sogenannte Sandmafia.“ Aunshul Rege, Professorin an der Fakultät für Strafrecht der Temple University in Philadelphia, wird von Zeit-Online zitiert: „Die Sandmafia gilt derzeit als eine der prominentesten, gewalttätigsten und undurchdringlichsten Gruppen der organisierten Kriminalität in Indien“.
Glückliche Lage, aber nicht beruhigend
Vor allem Chinas Hunger nach Sand wird zum weltweiten Problem. Dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zufolge hat die Volksrepublik in den vergangenen Jahren so viel Sand für die Betonherstellung aufgewendet, wie die USA in mehr als 100 Jahren. China verbraucht inzwischen rund 60 Prozent der weltweiten Sandproduktion, heißt es bei finanztrends.de.
Der Raubbau von Sand im und am Meer hat Folgen nicht nur für die Anwohner, deren Lebensgrundlagen zerstört werden. Die von vielen Menschen so geschätzten Urlaubsparadiese sind bedroht; und wenn sie verschwinden unwiederbringlich verloren.
Zwar werden auch in Deutschland jedes Jahr rund 100 Millionen Tonnen Sand abgebaut. Bei guter Baukonjunktur kann es auch durchaus mehr werden, sagt der Wirtschaftsgeologe Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Beruhigt jedoch: „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so viele Sandquellen haben.“ In der Bundesrepublik gibt es nämlich genügend Vorkommen, um den Bedarf im Land zu decken. Dank der teilweise bis zur Eiszeit zurück verfolgbaren Sandquellen müssen wir diesen Rohstoff nicht importieren - was nicht nur teuer, sondern auch schlecht für die Umwelt wäre.
Ein selbstzufriedenes Zurücklehnen ist dennoch nicht geboten. In einer globalisierten Welt können die Konflikte um die Rohstoffe der Zukunft schneller vor der eigenen Haustür oder dem Werkstor ankommen, als es mancher erwartet. Vor allem Unternehmen, die rund um den Globus tätig sind, können sich schon heute dieser Problematik nicht entziehen.
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Peter Niggl
Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight