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Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

09.11.2022

Das übergeordnete Ziel des neuen LkSG liegt darin, auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage und ausgewählter Umweltbelange entlang von Lieferketten hinzuwirken

Foto: Riki32 / pixabay

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten. Foto: Riki32 / pixabay

Das übergeordnete Ziel des neuen LkSG liegt darin, auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage und ausgewählter Umweltbelange entlang von Lieferketten hinzuwirken. Nach Auffassung des Gesetzgebers kann die Bundesrepublik Deutschland nur so der hohen internationalen Verflechtung ihrer volkswirtschaftlich bedeutenden Branchen und der damit einhergehenden besonderen Verantwortung gerecht werden. Bei der Beachtung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG geht es für die unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Unternehmen daher vor allem darum, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen, sie zu minimieren und bestenfalls zu beseitigen. Konzipiert sind die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten (§§ 3 ff. LkSG) dabei grundsätzlich nicht als Erfolgspflichten, sondern in der Regel als Bemühenspflichten. Im Kern werden die in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmen dazu verpflichtet, in angemessener Weise Vorkehrungen zu treffen, etwaige Verstöße und Verletzungen der in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 LkSG beschriebenen menschenrechtlichen und umweltrechtlichen Verbote zu verhindern. Dies hat zur Folge, dass eine bloße Verletzung menschenrechtlicher oder umweltbezogener Pflichten nicht zwingend auch eine Verletzung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG darstellen muss. Hat sich das jeweilige Unternehmen in angemessener Weise darum bemüht, der Verletzung vorzubeugen, kann dies (zunächst) ausreichend sein. 

Anwendungsbereich des LkSG

  • 1 LkSG definiert, welche Unternehmen künftig unmittelbar in den Anwendungsbereich des LkSG fallen. Eine Anwendbarkeit des LkSG besteht nach § 1 Abs. 1 LkSG – unabhängig von ihrer Rechtsform – nur gegenüber denjenigen Unternehmen, „die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland“ (Nr. 1) bzw. „eine Zweigniederlassung gemäß § 13d des Handelsgesetzbuches im Inland“ (Nr. 2) haben. Darüber hinaus müssen die vorstehenden Unternehmen „in der Regel“ mindestens 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Dieser Schwellenwert gilt ab dem Inkrafttreten des LkSG am 1. Januar 2023. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer. Das LkSG stellt dabei im Hinblick auf den Arbeitnehmerschwellenwert auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer ab. Ins Ausland entsandte Arbeitnehmer gelten insoweit als im Inland beschäftigt. Nach § 1 Abs. 3 LkSG sind innerhalb von verbundenen Unternehmen (§ 15 Aktiengesetz) zudem die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zu berücksichtigen. Für den Arbeitnehmerschwellenwert zur Bestimmung des Anwendungsbereichs kommt es jedoch nicht auf Arbeitnehmer an, die bei ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigt sind; diese werden der Obergesellschaft nicht zugerechnet. Davon zu unterscheiden ist die Bestimmung des „eigenen Geschäftsbereichs“ einer Gesellschaft, die in den Anwendungsbereich fällt. Nach § 2 Abs. 6 gehört in verbundenen Unternehmen zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft auch eine ausländische konzernangehörige Gesellschaft, wenn die Obergesellschaft auf die konzernangehörige Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt. Die Fragen des Anwendungsbereichs und der Bestimmung des eigenen Geschäftsbereichs dürfen daher nicht miteinander vermengt werden.

Fakt ist somit, dass viele Unternehmen in Deutschland zumindest zum 1.1.2023 nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des LkSG fallen werden. Dennoch sehen sich auch viele kleinere Unternehmen und Betriebe bereits heute mit ersten Anforderungen ihrer großen Kunden konfrontiert. Warum ist das so?

Die Lieferkette

Das Spezifikum des LkSG liegt – wie bereits der Name des Gesetzes nahelegt – darin, dass sich die Sorgfaltspflichten neben dem eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens auch auf die Unternehmen der jeweiligen Lieferkette beziehen. Primär nimmt der Gesetzgeber dabei die unmittelbaren Zulieferer (Tier 1) von Waren und Dienstleistungen in den Blick. Die vorgesehenen Sorgfaltspflichten können mithin häufig nur im Zusammenwirken mit den unmittelbaren Zulieferern effektiv umgesetzt werden, vgl. sogleich unten. Sorgfaltspflichten gegenüber mittelbaren Zulieferern bestehen nach der Konzeption des LkSG zudem in den Fällen, in denen die jeweiligen Unternehmen substantiierte Kenntnis von einer Verletzung oder der Gefahr einer Verletzung von Menschenrechten oder umweltbezogener Pflichten bei den mittelbaren Zulieferern haben bzw. erlangen oder aber das Unternehmen mit einer wesentlich erweiterten Risikolage in der jeweiligen Lieferkette rechnen muss, vgl. § 9 Abs. 3 bzw. § 5 Abs. 4 LkSG. Der Begriff „Lieferkette“ wird im LkSG weit definiert. Gegenstand der Lieferkette ist gem. § 2 Abs. 5 LkSG nicht nur der Produktvertrieb, sondern auch die Erbringung von Dienstleistungen. Zur Lieferkette gehören alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung des jeweiligen Produktes oder zur Erbringung der jeweiligen Dienstleistung erforderlich sind. Die Lieferkette beginnt demnach bei der Gewinnung der Rohstoffe und endet erst mit der Auslieferung des Produktes bzw. der Erbringung der Dienstleistung an den Endkunden. Sie erfasst nicht nur den eigenen Geschäftsbereich des betroffenen Unternehmens, sondern auch die unmittelbaren Zulieferer (§ 2 Abs. 7 LkSG) und die mittelbaren Zulieferer (§ 2 Abs. 8 LkSG).

Die Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten beziehen sich gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 LkSG auf die Lieferkette als solche. In § 3 Abs. 1 Satz 2 LkSG findet sich eine abschließende Aufzählung der Sorgfaltspflichten. Konkretere Regelungen zu den jeweils einzuhaltenden Anforderungen enthalten die §§ 4 – 10 LkSG. Zu beachten ist ferner, dass diese Anforderungen gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 LkSG unter dem Vorbehalt der Angemessenheit stehen und die Art und Weise der Sorgfaltspflichterfüllung somit maßgeblich auch von der individuellen Unternehmens- und Risikosituation abhängt. Die in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmen müssen risikounabhängig in jedem Falle ein Risikomanagementsystem einführen (§ 4 LkSG), Risikoanalysen durchführen (§ 5 LkSG), ein Beschwerdeverfahren einrichten (§ 8 LkSG) sowie Dokumentations- und Berichtspflichten erfüllen (§ 10 LkSG). Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Sinne von §§ 6 – 7 LkSG sind zwingend umzusetzen, sobald ein Risiko bzw. eine Rechtsgutsverletzung im Hinblick auf Menschenrechte und/oder umweltbezogener Pflichten im eigenen Geschäftsbereich und/oder bei dem unmittelbaren Zulieferer festgestellt wird.

Angemessene Risikoanalyse und Handlungsbedarf für KMU

Ausgangspunkt und Kernstück unternehmerischer Sorgfalt ist daher die angemessene Risikoanalyse im Sinne von § 5 LkSG. Mittels der Risikoanalyse soll ermittelt werden, ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 LkSG im eigenen Geschäftsbereich und im Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers bestehen; bei der anlassbezogenen Risikoanalyse sind zudem auch die mittelbaren Zulieferer miteinzubeziehen. Auf der Grundlage einer gesetzeskonformen Risikoanalyse lassen sich die unternehmensspezifischen Risiken ermitteln, angemessen priorisieren und angemessene Präventions- und ggfs. Abhilfemaßnahmen ableiten. Weitere Informationen zu Aufbau und Durchführung einer Risikoanalyse nach dem LkSG sind der durch das BAFA veröffentlichten Handreichung zur Risikoanalyse zu entnehmen, die bei Veröffentlichung dieses Beitrags gerade erschienen sein dürfte.

Zur Durchführung einer gesetzeskonformen Risikoanalyse, insbesondere aber auch zur Umsetzung der im Ergebnis der Risikoanalyse abgeleiteten Präventions- und Abhilfemaßnahmen bedarf es der Kommunikation und Zusammenarbeit mit den eigenen unmittelbaren Zulieferern. Die in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmen werden hier versuchen eine solche Kooperation auch vertraglich abzusichern bzw. bestimmte Anforderungen an die eigenen Vertragspartner weiterzugeben. Dies wird häufig auch gerade kleinere oder mittelgroße Unternehmen (KMU) treffen. Diese Unternehmen müssen dann prüfen, welche der an sie herangetragenen Vertragsregelungen tatsächlich der Umsetzung des LkSG dienen. Hierfür benötigen sie zumindest Grundkenntnisse hinsichtlich der Regelungen des LkSG.

Behördlicher Vollzug und Ausblick

Das LkSG wird vom BAFA als zuständiger Behörde vollzogen. Bei dem Vollzug wird einerseits der Prüfung der jährlich zu erstellenden Berichte über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten, andererseits möglichen Bußgeldverfahren bei Nichterfüllung der Sorgfaltspflichten nach § 24 LkSG große Bedeutung zukommen. Gerade die Bußgelder können für einige Verstöße extrem hohe Summen von maximal bis zu 2% des jeweiligen Jahresumsatzes eines Unternehmens erreichen. Auch aus diesem Grund ist derzeit zu beobachten, dass die Umsetzung des LkSG durch die betroffenen Unternehmen sehr ernst genommen wird.

Auch auf EU-Ebene wird derzeit eine europäische Regelung zu Sorgfaltspflichten in den Lieferketten erarbeitet. Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen („LkG-RL-E“) vorgelegt. Wenngleich der LkG-RL-E strukturell die gleiche Richtung wie das deutsche LkSG einschlägt, geht er in seinem Regelungsgehalt doch erheblich hierüber hinaus und erweist sich somit als deutlich schärfer. Insbesondere ist der Geltungsbereich des LkG-RL-E deutlich weiter als der des LkSG, sodass hiervon nach derzeitigem Stand bereits Unternehmen mit 500 Mitarbeitern bzw. in bestimmten Risikobranchen auch mit nur 250 Mitarbeitern betroffen sein werden. Sobald die Richtlinie auf EU-Ebene erlassen wurde, wird daher auch das LkSG zu überarbeiten sein.

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Dr. Jens Nusser

Dr. Jens Nusser, LL.M. ist Rechtsanwalt Partner der Sozietät Franßen & Nusser (nusser@fn.legal). Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Produktsicherheits- und Produktumweltrecht sowie im Bereich Unternehmensorganisation und Compliance. Er berät zahlreiche DAX-Konzerne und international agierende mittelständische Unternehmen u.a. zu Fragen des Produktrechts und zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette.

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