Von Pflaumen bis Photovoltaik
Landwirtschaft im Visier der Diebe - Sicherungsmaßnahmen sind schwer umzusetzen und bringen die Bauern oft an die finanziellen Grenzen.
Ortungssysteme: „Satellitengestützte Ortungssysteme können Diebstähle effektiv erschweren. Foto: www.istock.com / SimonSkafar
„Vermehrter Obstdiebstahl – Sachschaden im fünfstelligen Bereich“ titelten Mitte August die „Stuttgarter Nachrichten“ einen Artikel, in dem ein wachsendes Problem thematisiert wurde. Es ging um die sich nach Angaben der Polizei im Landkreis Ludwigsburg häufenden Diebstähle von Obst auf Feldern, an Bäumen oder Sträuchern.
Die Auflistung der Fälle liest sich wie eine grassierende Seuche. Nach Polizeiangaben wurden beispielsweise zwischen Anfang und Mitte August dieses Jahres rund 50 Kilogramm Mirabellen von einer Streuobstwiese in Magstadt entwendet, im zwölf Kilometer entfernten Ehningen waren es im gleichen Zeitraum 30 Kilogramm Pflaumen. Quer durchs Land klagen die Landwirte über eine Zunahme von Diebstählen ihrer Produkte. Auch das „Hamburger Abendblatt“ schlägt zur selben Zeit in die gleiche Kerbe: „Immer mehr Landwirte in der Region klagen über Diebstähle auf ihren Feldern oder in ihren Verkaufshäuschen auf dem Hof.“ Die Zeitschrift „agrarheute“ schreibt zu dem Problem: „Steigende Lebensmittelpreise verführen zum Diebstahl“. In einer aktuellen Studie des Handelsforschungsinstituts EHI, so das Blatt, wird mit Blick auf den Einzelhandel festgestellt: Geklaut würden bei den Lebensmitteln vor allem Kaffee, Fleisch, Wurst und Käse.
Gut organisierte Banden
Bei den Landwirten sind es saisonale Produkte, an denen sich oft „einfache“ Bürger bedienen, aber sie werden auch Opfer von Raubzügen ganz anderer Dimension. „Maschinen in der Landwirtschaft sind eine sehr teure Angelegenheit. Ein Traktor für 300.000 Euro, eine Maschine mit Düngerspritze für eine halbe Million, das ist normal“, resümiert der „mdr“ als er über einen groß angelegten Raubzug gegen den Landwirtschaftsbetrieb Tupag Agrar in Niederdorla berichtete. Sieben Fahrzeuge waren auf einem umzäunten Gelände aufgebrochen worden. Gestohlen wurden wertvolle „GPS-Geräte und AFS-Terminals. Das sind Mini-Computer, mit denen die Fahrzeuge gesteuert und bedient werden. Durch den Technikdiebstahl ist dem Unternehmen ein Schaden von 230.000 Euro entstanden. Obendrauf kommt noch ein Verlust von 40.000 Euro durch den Ausfall der Fahrzeuge.“ Von den Tätern fehlt jede Spur. „Vermutlich waren es gut organisierte Banden, die ihr Handwerk verstehen“, sagt Geschäftsführer Sören Reinbeck. „Sieben Maschinen in einer einzigen Nacht, die waren wirklich sehr schnell.“ Seine Vermutung: Die entwendeten GPS-Antennen und Technikteile sind längst, wie Reinbeck gegenüber dem „mdr“ sagt, in andere Traktoren oder Maschinen eingebaut worden, irgendwo auf dieser Welt. Also – so die Schlussfolgerung – Technik-Diebstahl auf Bestellung. Das wäre auch eine Erklärung, warum sich die Fälle im Unstrut-Hainich und Kyffhäuserkreis gehäuft hatten.
Polizei hat nur selten Erfolge
Dass dem nicht unbedingt so sein muss, beweist die Aufklärung eines Falles im Januar dieses Jahres durch die Polizei in Nordrhein-Westfalen. Drei Festnahmen und die Aufklärung mehrerer Diebstähle von Traktoren sowie Arbeitsmaschinen konnten vermeldet werden. Die Diebe im Alter zwischen 18 und 24 Jahren waren unter anderem danach aufgeflogen, dass ein Zeuge auf ein Angebot im Internet gestoßen war, bei dem ein als gestohlen gemeldeter Traktor verhökert werden sollte.
Diebstähle von landwirtschaftlichem Gerät ist keine deutsche „Spezialität“. Auch aus anderen Ländern sind fast identisch klingende Klagen zu vernehmen. Beispiel Italien. Die italienische Internetplattform „TrattoriWeb“ berichtet über „Diebstähle von landwirtschaftlichen Fahrzeugen durch die ‚üblichen Unbekannten‘, die pünktlich und mit millimetergenauer Präzision Unternehmen ins Visier nehmen, die nach sorgfältiger Planung, bestehend aus Observierungen und der Rekonstruktion von Arbeitsabläufen, mit Sicherheit erfolgreich sind. Eine Seuche, die in unregelmäßigen Abständen ganz Italien befällt, von Süden nach Norden, vom kalabrischen Apennin bis zu den Voralpen der Lombardei.“
In der Thüringer Landwirtschaft war im Jahr 2023 bis Oktober bereits GPS-Technik im Wert von etwa 700.000 Euro gestohlen worden. Zu mutmaßlichen Tätern, Ermittlungsverfahren und Aufklärungsquoten konnte das LKA gegenüber dem „mdr“ keine Angaben machen und verwies auf personelle Engpässe. In Bayern ereignete sich Anfang vergangenen Jahres eine Diebstahlserie von GPS-Technik besonders aus Landmaschinen der Marke „John Deere“.
Solaranlage im Wert von 100.000 Euro demontiert
Zu den Begehrlichkeiten von Dieben auf Bauernhöfen gehören nicht zuletzt die dortigen Treibstofflager und sogar Nutztiere. Auch dort, wo sich Landwirte die neue Technik erschließen, wie zum Beispiel der Sonnenenergie, bekommen Sie schnell Besuch von professionellen Langfingern. Auch in diesem Fall kann der Schaden immens sein. Im Juli vergangenen Jahres demontierten Diebe im Landkreis Landsberg am Lech Solarmodule im Wert von 100.000 Euro und transportierten die 800 Tonnen schwere Beute unbehelligt ab. Schon im August 2022 berichtete die „Bauern-Zeitung“: „Der Diebstahl von Solaranlagen hat in Sachsen deutlich zugenommen. Wie das Landeskriminalamt (LKA) mitteilt, wurden im ersten Halbjahr 2022 insgesamt 34 Fälle registriert, davon sechs als sogenannte Versuchsstraftaten. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von knapp 253.000 Euro.“ Und das Blatt fügt hinzu: „Als besonders diebstahlgefährdet gelten Photovoltaikanlagen auf unbewohnten oder abgelegenen Gebäuden, beispielsweise an landwirtschaftlichen Standorten. Einfache Zäune halten die Täter nicht ab.“
Ein umfassender Schutz ist kompliziert und bisweilen kostspielig. In einer Broschüre zur Sicherung landwirtschaftlicher Betriebe empfiehlt die Brandenburger Polizei zum Beispiel Ortungssysteme: „Satellitengestützte Ortungssysteme können Diebstähle effektiv erschweren, da sie ein schnelles Handeln von privaten Sicherheitsdiensten oder Polizei aufgrund der zeitnahen Alarmmeldung sowie der Übermittlung des genauen Aufenthaltsortes ermöglichen.“ Alarmmeldungen können, so empfiehlt man den Landwirten, „wahlweise auf ein oder mehrere Mobiltelefone übertragen werden. Die Darstellung des Aufenthaltsortes wird im herstellerbezogenen Internetportal generiert oder auf einen Internetzugang des Nutzers übertragen.“
Das Resümee der Polizei ist bisweilen ernüchternd: „In den vergangenen Jahren wurden in Sachsen durch Straftaten im Zusammenhang mit dem Diebstahl von landwirtschaftlichen Geräten und Vieh Schäden in Millionenhöhe verursacht.“ So die Bilanz in einem Flyer der Polizei Sachsen.
Die Polizei – nicht nur in Sachsen – hat eine Reihe von Vorschlägen parat, welche mechanische, elektronische und elektrische sowie personell-organisatorische Maßnahmen umfassen. Mit Blick auf die Bauernproteste der jüngeren Vergangenheit, dürfte schnell klar werden, dass für viele Landwirte die Umsetzung solcher Sicherungsmaßnahmen schnell die Grenzen der finanziellen Kapazität erreichen können.
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Peter Niggl
Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight