Vergabe öffentlicher Aufträge international strenger regeln!

Über das öffentliche Bild von Sicherheitskräften und die Zielsetzung der International Security Ligue sprach Peter Niggl mit dem Generaldirektor Stefan Huber.

Lesezeit: 8 Min.

05.09.2024

Herr Huber, vielleicht können Sie als Einstieg in unser Gespräch in wenigen Worten ein wenig die Struktur und die Zielsetzung der International Security Ligue skizzieren…

Unsere Mission ist einfach: Wir wollen eine noch bessere Branche schaffen, um eine sicherere Welt zu gestalten.  Und das bereits seit unserer Gründung im Jahre 1934. Unsere 26 Mitglieder sind Spitzenunternehmen aus der ganzen Welt, die etwa zwei Millionen Sicherheitskräfte in über 90 Ländern beschäftigen. Wir lassen uns von der Maxime leiten, Topfirmen mit unserem Verband anzusprechen. Mit Blick auf Deutschland sind das z. B. Kötter Security, die im Jahre 1987 als erstes deutsches Unternehmen in die Ligue eingetreten ist, oder auch die Ziemann Gruppe, Mitglied seit 2017. Friedrich P. Kötter, Verwaltungsrat in der Kötter Security Gruppe, ist zudem langjähriges Vorstandsmitglied in der Ligue.

Wenn sich ein Unternehmen meldet, das unseren Ansprüchen genügen will, ist es herzlich willkommen. Wir sind stark vertreten in Europa und Amerika und arbeiten daran, unseren Einfluss in Asien auszubauen, da ist das Sicherheitsgeschäft völlig anders. Aber auch dort wollen wir stärker werden. Wir waren in den vergangenen Jahrzehnten eher eine stille Organisation, im Wesentlichen getragen von dem Gedanken, dass man mit stiller Diplomatie durchaus etwas erreichen kann. Das genügt aber heute nicht mehr.

Da stellt sich für mich natürlich die Frage, wie sieht so etwas aus? Bei nationalen Unternehmerverbänden ist die Aufgabenstellung relativ einfach zu sehen: Auf der einen Seite die Tarifpartner, sprich Gewerkschaften, und auf der anderen Seite die Politik, bei der man die Rahmenbedingungen einfordert. Wer sind Ihre „Gegenüber“?

Das ist ein Riesenthema, wenn man als Beispiel in Betracht zieht, wie schwierig es ist, einen international operierenden Konzern zu lenken. Die Firmen haben ihre eigenen Charaktere, ihre eigenen Strategien. Da kann man sich gut vorstellen, wie anspruchsvoll sich unsere Arbeit als Interessenvermittler gestaltet. In einem Verband wie unserem pflegen wir eine sehr offene Diskussionskultur, teilen aber das gemeinsame Ziel. Aktuell erleben wir dies an einem Thema in Indien. Landesweit möchte die Regierung die Löhne auf ein „existenzsicherndes Niveau“ anheben, und dies nicht nur in unserer Branche. Dies ist ein breites Thema mit vielen detaillierten Herausforderungen…

In Sachen Ansprechpartner sind wir eher punktuell unterwegs. Einerseits kooperieren wir mit anderen internationalen sowie landesspezifischen Verbänden, was zweifellos notwendig ist. Das ist auch ein Teil unserer Strategie. Auf der anderen Seite arbeiten wir punktuell mit Mitgliedsfirmen zusammen, die z. B. sagen, im Land XY wären wir froh, wenn ihr uns unterstützen würdet. Und sie können sich dann auf eine neutrale Meinung berufen. Als supranationale Organisation sind wir nicht unbedingt im Tagesgeschäft. Wir greifen Punkte auf die uns längerfristig vorwärtsbringen und ermutigen Gruppen uns zu kontaktieren, um zu sehen wie wir gemeinsam die Branche zum Nutzen der Sicherheit von uns allen weiterentwickeln können.

Angesichts der von Ihnen angesprochenen auseinandergehenden Meinungen: Welche Themen, welche Schwerpunkte können Sie mit anderen Verbänden zusammen in Angriff nehmen?

Hier möchte ich auf eine gemeinsame Erklärung von mir mit Catherine Piana, der Generaldirektorin der Confederation of European Security Services – der CoESS – eingehen. Dort verweisen wir darauf, dass wir gerade die Fußballeuropameisterschaft hinter uns haben und nun die Olympischen Spiele in Paris stattfinden. Großereignisse, die ohne den Einsatz privater Sicherheitsdienstleister heutzutage undenkbar wären. Im Namen unserer beiden Verbände sprachen wir anlässlich des 24. Juli, dem internationalen Tag der Sicherheitskräfte, unseren Dank an die Beschäftigten unserer Branche aus, denn – und da zitiere ich aus dem Schreiben – „Sicherheitskräfte gehören zu den vielen Helden im Hintergrund, die solche Veranstaltungen möglich machen. Kein Großereignis – nicht einmal ein normaler Geschäftstag – wäre möglich, wenn nicht Sicherheitskräfte an vorderster Front dafür sorgen würden, dass alles sicher ablaufen kann.“

Ist die Tätigkeit Ihres Verbandes auf eine langfristige Agenda ausgerichtet oder stehen eher aktuelle Zielsetzungen im Vordergrund?

Wir sind insgesamt eher auf langfristige Themen ausgerichtet, aber wir sind auch eine agile und flexible Organisation und können aktuelle Aufgaben und Herausforderungen angehen. Kurzfristige Aufgabenstellungen ergeben sich meist im nationalen Rahmen und müssen von unseren Mitgliedern vor Ort in Angriff genommen werden. Risiken und Gefahren kennen längst keine Landesgrenzen mehr. Wir müssen grenzüberschreitend zusammenarbeiten, mit allen Gesellschafts- und Anspruchsgruppen, ob privat oder staatlich. Als international agierender Verband richten wir den Blick auf Herausforderungen, welche die Unternehmen grenzüberschreitend interessieren…

… zum Beispiel?

Ein wichtiges Thema für unsere Mitgliedsfirmen in fast allen Ländern ist die Vergabe öffentlicher Aufträge. Eine von der International Security Ligue durchgeführte vergleichende Datenanalyse von Ausschreibungen durch öffentliche Stellen hat ergeben, dass bei Verträgen für Sicherheitsdienste weniger häufig gute Beschaffungspraktiken befolgt werden als bei Verträgen für andere – wohl weniger folgenschwere – Dienste. Das heißt: Viel zu oft steht der niedrigste Preis im Vordergrund – Qualitätskriterien werden viel zu wenig bewertet oder nicht ausreichend stark gewichtet. Erhebungen des Budapester Government Transparency Institutes erbrachten, dass bei der Integrität und Transparenz der Wert öffentlicher Ausschreibungen für Wachdienste auf dem niedrigsten Stand seit 2015 liegt. Wir sprechen hier über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die ein jährliches Volumen von nicht weniger als 13 Billionen US-Dollar umfassen. Hier geht es um belastbare Lösungen, welche Korruption verhindern und die Interessen von Unternehmen wie auch der Allgemeinheit schützen sollen. Diese Mammut-Aufgabe kennt keine Landesgrenzen. Ein Positiv-Beispiel: In Spanien müssen Anbieter bei öffentlichen Ausschreibungen laut Gesetz mindestens 51 Prozent der Qualitätskriterien berücksichtigen, um den Zuschlag zu bekommen. Das klingt nach nicht viel, ist aber im internationalen Vergleich schon enorm. Zudem ist eine Mindestzahl an Ausbildungsstunden vorgeschrieben, bevor Sicherheitskräfte praktisch eingesetzt werden dürfen.

Die Ausbildung scheint global eine Schwachstelle der Branche zu sein …

… ganz ohne Frage. Die Ausbildung ist weltweit sehr zersplittert und wenig konsolidiert. Dort sehen wir eine unserer vordringlichen Aufgaben, gewisse Mindeststandards durchzusetzen. Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildung für Sicherheitsmitarbeitende im Bereich des Schutzes Kritischer Infrastrukturen möchte ich unbedingt Schweden und Kroatien als vorbildlich hervorheben.

In Deutschland bedeutete die Schaffung der Ausbildungsberufe Fachkraft bzw. Servicekraft für Schutz und Sicherheit in den Jahren 2002 bzw. 2008 einen Meilenstein für die Branche. Problematisch bleibt jedoch die geringe Einstiegs-Voraussetzung in Form des IHK-Unterrichtungsverfahrens ohne anschließende Prüfung.

Das teils negative Bild, das in der Öffentlichkeit von den Sicherheitsbeschäftigten gezeichnet wird, hat leider auch Auswirkungen auf die Gewinnung neuer Mitarbeiter, die so dringend benötigt werden. Die vorläufigen Ergebnisse des Global Security Barometer, einem Forschungsprojekt unter der Leitung unseres Verbandes, zeigen, dass das öffentliche Bild von Sicherheitskräften weltweit variiert. Hier muss eine Veränderung erreicht werden, weil ein negatives Image von Schutzprofis deren Autorität und Status in den Augen der Öffentlichkeit mindern und der Legitimität des privaten Sicherheitssektors schaden.

Stellt sich in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig die Frage, ob die Mitarbeiter im Bereich der Sicherheitsdienstleister adäquat bezahlt werden?

Global betrachtet trifft es zu, dass Sicherheitskräfte oft nicht ausreichend bezahlt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall in Deutschland, wo professionelle Unternehmen Tarifverträge mit den Gewerkschaften haben. Wie in jedem anderen Sektor wird es leider immer Unternehmen geben, die versuchen, Kosten zu sparen. Das gilt auch in Deutschland. Dieses Vorgehen reicht bis zum Einsatz von Subunternehmen. Dies ist das Hauptproblem, das die Branche weiterhin in ihrem Streben nach mehr Professionalität zurückhält, da solche „Cowboy-Unternehmen“ weiterhin Verträge ergattern, insbesondere auch von öffentlichen Auftraggebern.

In Sachen Vergabe öffentlicher Aufträge ist also die Politik vielfach der Adressat ihrer Kritik?

Tatsächlich ist dies ein Dauerthema. Seit Jahren nutzt die Branche bewährte Verfahren und Beschaffungsinstrumente, um die Qualität zu steigern und die Löhne der Branche zu verbessern, einschließlich des von der EU finanzierten Handbuchs „Selecting Best Value“ von CoESS und seinem gewerkschaftlichen Sozialpartner UNI Europa. Leider werden die Bemühungen der Branche oft von öffentlichen Einrichtungen ignoriert, die stattdessen fahrlässig mit der öffentlichen Sicherheit spielen, indem sie mit dem Angebotspreis ihren Sicherheitsbeschaffungsprozess kapern lassen. Regierungen legen bisweilen Lippenbekenntnisse zum Engagement für Empowerment und Armutsbekämpfung ab, ihre Handlungen jedoch bestrafen oft jene Unternehmen, die sich genau diesen Zielen verschrieben haben.

Ihre Forderungen gehen also vielfach an die öffentliche Hand …

… die sich verpflichten sollte, nur mit Sicherheitsfirmen Verträge abzuschließen, die bestimmte nicht verhandelbare Kriterien erfüllen. Empfänger von privaten Sicherheitsdienstleistungen müssen unserer Auffassung nach universell widerstehen, Partnerschaften mit Firmen einzugehen, die Sicherheitsdienstleistungen zu einem abnorm niedrigen Preis anbieten. Wo es solide Gesetze oder allgemein verbindliche Tarifverträge gibt, sollten regelmäßige Inspektionen stattfinden.

In Deutschland wartet die Sicherheitsbranche weiterhin sowohl auf das KRITIS-Dachgesetz als auch auf das Sicherheitsgewerbegesetz und die damit erhoffte Erhöhung der Qualitätsanforderungen u. a. bei der Vergabepraxis. Beim KRITIS-Dachgesetz sind noch Details zu klären, z. B. fehlt bisher eine explizite Empfehlung an KRITIS-Betreiber zur Anwendung von Qualitätsnormen – wie in der EN 17483 festgelegt – bei der Kooperation mit Sicherheitsdienstleistern. Damit unterscheidet sich Deutschland von Empfehlungen auf EU-Ebene.

Ein weiteres Thema, das wir in diesem Interview leider nicht besprechen konnten, ist die Verwendung von Bargeld und seine entscheidende Bedeutung für die Gesellschaft, um die Resilienz gegen Unwägbarkeiten zu erhalten und zu stärken.

Zusammenfassend: Wir sind alle daran beteiligt, sichere Gesellschaften zu schaffen, und wir müssen besser zusammenarbeiten, um dies zu erreichen, einschließlich staatlicher Behörden, der Wissenschaft, Strafverfolgungsbehörden, Sicherheitsdiensten und Ausrüstungsherstellern sowie im Bereich Cyber Security und KI-Technologie. Als unabhängige, gemeinnützige und globale Organisation baut die Ligue Brücken zwischen diesen verschiedenen Interessengruppen.

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Über den Autor: Peter Niggl

Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight