Pflichten und Mu00f6glichkeiten des Arbeitgebers
Arbeitgeber sind durch das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Mitarbeiter vor Gesundheitsschu00e4digungen zu bewahren (u00a7u00a7 3 f. ArbSchG). Dazu zu00e4hlt auch der Unternehmensschutz vor Gewalt am Arbeitsplatz. Gefu00e4hrdungen der psychischen und physischen Gesundheit sind von den Mitarbeitern abzuwenden. Ist dies nicht mu00f6glich, so sind sie auf ein mu00f6glichst geringes Risiko zu reduzieren. Zielgerichtete Gewalt grenzt sich von affektiver Gewalt ab, die in engem Zusammenhang mit emotionaler Erregtheit als kurzfristige Reaktion auf eine tatauslu00f6sende Situation auftritt, so z.B. bei einem Streit oder einer Beleidigung. Die Pru00e4vention affektiver Gewalttaten bedarf eines Schutzkonzepts fu00fcr gefu00e4hrdete Arbeitsbereiche.
Eine vom Autor 2018 durchgefu00fchrte Studie kam zu folgenden Ergebnissen:
- Ein Grou00dfteil der Arbeitgeber hat keine Kenntnis von den konkreten Pflichten zum Schutz von Mitarbeitern vor Gewalt am Arbeitsplatz.
- Nur in Ausnahmen ist Arbeitgebern die Fachdisziplin des Bedrohungsmanagements und die damit verbundenen Mu00f6glichkeiten zur Verhinderung schwerer zielgerichteter Gewalt bekannt.
- Viele Arbeitgeber kommen ihrer Pflicht zum Schutz von Arbeitnehmern vor Gewalt am Arbeitsplatz nicht in ausreichendem Mau00dfe nach. Die Reaktion auf eine erfolgte Bedrohung bzw. Gewalttat ist in vielen Fu00e4llen unzureichend.
Fachdisziplin Bedrohungsmanagement
Formen zielgerichteter Gewalt wie z.B. im Kontext von School-Shootings, Stalking oder schwerer Gewalt am Arbeitsplatz bieten die Mu00f6glichkeit effektiver fru00fchzeitiger Intervention mit dem Ziel der Tatverhinderung. Grundlage dafu00fcr ist die Erkenntnis, dass zielgerichtete Gewalt das Resultat eines oftmals von auu00dfen wahrnehmbaren und nachvollziehbaren Prozesses von Denk- und Verhaltensweisen (sogenannten Warnverhaltensweisen) ist. Diese wurden in zahlreichen Studien u00fcber schwerwiegende Delikte als Indikatoren fu00fcr eine Tat nachgewiesen und bilden das Fundament der Fachdisziplin Bedrohungsmanagement. Sie sind phu00e4nomenspezifisch, d.h., dass zum Beispiel Attentate auf Personen des u00f6ffentlichen Lebens andere Warnverhaltensweisen zeigen, als es etwa bei Tu00f6tungen des Intimpartners der Fall ist. Schutzkonzepte setzen deshalb bei der Identifizierung von Warnverhaltensweisen an.
Bezogen auf schwere zielgerichtete Gewalt am Arbeitsplatz liegen wissenschaftliche Untersuchungen auch von Fu00e4llen aus Deutschland vor, die bestimmte, wahrnehmbare Denk- und Verhaltensmuster im Vorfeld der Tat bestu00e4tigen. Dazu gehu00f6ren unter anderem aggressives Verhalten, Gewaltandrohungen sowie tatspezifische Vorbereitungen (Besorgen von Tatmitteln, Auskundschaften des potenziellen Opfers und dessen Umgebung etc.).
Das Bedrohungsmanagement als Gesamtkonstrukt wissenschaftlich fundierter Bedrohungseinschu00e4tzung, abgestimmter Mau00dfnahmenpakete zur Risikoreduktion und der professionellen Fallbegleitung kann als best-practice Ansatz zum Schutz von Arbeitnehmern gelten.
Mu00f6glichkeiten des Arbeitgebers im Rahmen des Bedrohungsmanagements
Die grobe chronologische Reihenfolge der Handlungen sollte nach einer Ersteinschu00e4tzung folgendermau00dfen verlaufen: (1) Informationserhebung und Bedrohungseinschu00e4tzung, (2) Mau00dfnahmenplanung und (3) Durchfu00fchrung mit einhergehender Kontrolle. Diese Schritte erfolgen in einem stu00e4ndigen Kreislauf, in dem neue Informationen z.B. zu neuen Einschu00e4tzungen und wiederum zu anderen Priorisierungen der Interventionsmau00dfnahmen fu00fchren ku00f6nnen. Eine enge Vernetzung aller an dem Fall beteiligter Stellen kann die Aktualitu00e4t und den Umfang der entscheidenden Informationen enorm erhu00f6hen.
Konkrete Mau00dfnahmen lassen sich in drei Kategorien differenzieren:
Mau00dfnahmen zum potenziellen Opfer
Z.B. Sensibilisierung bezu00fcglich frei zugu00e4nglicher persu00f6nlicher Daten im Internet; Abziehen von einem Fall, der die Grundlage der Bedrohung bildete; Freistellung von der Arbeit oder voru00fcbergehende Versetzung an einen anderen Ort; Gewu00e4hrleistung eines sicheren Wegs zur Arbeitsstu00e4tte.
Mau00dfnahmen an der Arbeitsstu00e4tte
Z.B. Kamerau00fcberwachung sensibler Bereiche (z. B. Tiefgarage); Schaffung sicherer Bereiche, die bei akuten Bedrohungen genutzt werden ku00f6nnen sowie von zutrittsbeschru00e4nkten Bereichen; Besucherabwicklung implementieren resp. optimieren, insbesondere, um Hausverbote durchzusetzen; Einlasskontrollen; Empfangsmitarbeiter meldet jede Person bei den entsprechenden Stellen an; Meldewege fu00fcr bestimmte Ereignisse klar definieren.
Mau00dfnahmen zum Gefu00e4hrder
Insbesondere Mau00dfnahmen mit direktem Bezug zum Gefu00e4hrder mu00fcssen im Einklang mit der Gesamtstrategie stehen und reichen von nicht-konfrontativ bis hochgradig konfrontativ. Es kann eine Differenzierung von originu00e4r polizeirechtlichen, strafprozessualen, zivilrechtlichen und sonstigen Mau00dfnahmen vorgenommen werden. Die Umsetzung erfolgt zumeist durch Vollzugsbeamte.
Um das Potential eines Gefu00e4hrders situativ einzuschu00e4tzen, ist zunu00e4chst eine nicht-konfrontative Strategie zu wu00e4hlen und Mau00dfnahmen der verdeckten Informationsbeschaffung sind parallel zu ersten Schutzmau00dfnahmen fu00fcr die Sicherheit des potenziellen Opfers umzusetzen. Wird die Gefu00e4hrdung jedoch als hoch eingestuft, kann eine konfrontative Strategie die richtige Wahl sein. Umfangreiche Schutzmau00dfnahmen fu00fcr das potenzielle Opfer sowie teils eingriffsintensive Mau00dfnahmen zur Risikoreduktion der Handlungsmu00f6glichkeiten des Gefu00e4hrders ku00f6nnen dann angezeigt sein. Dem Arbeitgeber stehen dafu00fcr eine Vielzahl von Mau00dfnahmen in enger Kooperation mit Behu00f6rden und spezialisierten Beratungsunternehmen zur Verfu00fcgung. Richtig eingesetzt ku00f6nnen diese zu einem funktionierenden Schutzkonzept beitragen. Der Schutz des potenziellen Opfers in seiner ku00f6rperlichen, aber auch geistigen Gesundheit genieu00dft hu00f6chste Prioritu00e4t.
Abschlieu00dfend ist festzuhalten, dass Opferschutz nur durch abgestimmtes interdisziplinu00e4res Handeln gelingen kann. Die Verantwortung dafu00fcr liegt nicht allein bei staatlichen Stellen, hinsichtlich Gewalttaten am Arbeitsplatz sind Arbeitgeber ein bedeutsamer Netzwerkpartner der Sicherheitsgewu00e4hrleistung.
Autorenkasten
Jerko Rezo beendete sein polizeiliches Bachelorstudium im Oktober 2011. Wu00e4hrend seiner aktiven Dienstzeit von 2011 bis 2018 arbeitete er hauptsu00e4chlich im operativen Dienst verschiedener Landeskriminalu00e4mter. Wu00e4hrend dieser Zeit absolvierte er den berufsbegleitenden Masterstudiengang Sicherheitsmanagement an der Hochschule fu00fcr Wirtschaft und Recht Berlin. Seit Ende 2018 ist Herr Rezo in leitender Funktion in einem mittelstu00e4ndischen Unternehmen tu00e4tig.