Vermeidbarer Blindflug

Systematische Überprüfung des Deckungsumfangs der Betriebshaftpflichtversicherungen von Subunternehmern verschiedener Sicherheitsdienstleister

Lesezeit: 5 Min.

11.03.2022

Viele Subunternehmer ohne ausreichenden Versicherungsschutz  

Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren hat ATLAS, als Spezial- Versicherungsmakler der Sicherheitsbranche, eine systematische Überprüfung des Deckungsumfangs der Betriebshaftpflichtversicherungen von Subunternehmern verschiedener Sicherheitsdienstleister durchgeführt. Anders als früher gibt es nun mit der DIN 77200-1 eine handfeste Bezugsgröße. Das Ergebnis ist erschreckend.

Im Vergleich zu den vollkommen aus der Zeit gefallenen Vorgaben von § 14 Bewachungsverordnung (BewachV) war die neue DIN 77200-1 (DIN) Ende 2017 ein großer Schritt in die richtige Richtung. Zwar noch mit verschiedenen und teilweise auch erheblichen Mängeln behaftet, aber dennoch weitaus besser als die Gesetzesvorgabe aus den sechziger Jahren. So lag es nahe, nach einer Reihe von Jahren zum ersten Mal wieder eine systematische Überprüfung einer Vielzahl von Sicherheitsunternehmen vorzunehmen. Die Bezugsgröße bildete dabei die Ziffer 4.3 der DIN, in der folgende Positionen zum Versicherungsschutz vorgegeben werden:

2.500.000 € für Personen- und Sachschäden pauschal und dann als Sublimite dazu:

250.000 €     für Vermögensschäden, insbesondere nach gültigem Datenschutzrecht

250.000 €     für das Abhandenkommen bewachter Sachen, hier speziell auch der
Nachweis der Versicherung von unerlaubten Handlungen seitens der
Erfüllungsgehilfen des Auftragsnehmers

250.000 €     für das Abhandenkommen von Schlüsseln/Codekarten

250.000 €     für Bearbeitungs-/Tätigkeitsschäden

2.500.000 €     für Umwelthaftpflichtschäden

75% aller überprüften Unternehmen erfüllten die Vorgaben der DIN 77200-1 nicht! Abgesehen von einfach erkennbaren Mängeln wie zum Beispiel zu niedrigen Summen war der besondere Knackpunkt der Versicherungsschutz für die strafbaren Handlungen der Sicherheitsmitarbeiter. Laut Rechtsprechung des BGH haftet jeder Sicherheitsdienstleister für diese Art von Schäden unbegrenzt. Hierbei geht es insbesondere um Brandstiftung, Diebstähle und Telefon-und Internetmissbrauch

Nachweis wird von zwei Drittel der Unternehmen nicht erbracht

Gute Versicherungsdeckungen bieten Versicherungsschutz für alle drei Problemfelder. Gefordert wird von der DIN nur Versicherungsschutz für den Diebstahl durch eigene Mitarbeiter. Aber dieser Nachweis wird von zwei Drittel der Unternehmen nicht erbracht.

Ein weiteres hochproblematisches Thema ist der Versicherungsschutz für die Beschädigung und Vernichtung bewachter Sachen. Legt § 14 BewachV zu dieser Art von Sachschäden eine Summe von 250.000 € fest, so macht die DIN dazu leider keine Vorgabe. Das Ergebnis ist, dass trotz auf den ersten Blick hoher Summen bei genauerem Hinsehen erkennbar ist, dass eine Reihe von Versicherern die Millionensummen im Kleingedruckten wieder auf die Mindestversicherungssumme von § 14 BewachV reduzieren. Dies passiert zwar für das versicherte Unternehmen wie den Auftraggeber klar nachlesbar, wird aber von beiden Parteien nicht verstanden und deshalb durchgewunken. Bei einem großen Schaden – z.B. durch die weggeworfene Zigarette eines Mitarbeiters, die das Objekt des Auftraggebers durch Brand zerstört – wird der Auftraggeber zunächst seine eigene Sachversicherung in Anspruch nehmen. Der Sachversicherer wird dann versuchen, den Schaden bei dem Sicherheitsdienstleister zu regressieren. Mangels eigener ausreichender Versicherungslösung wird das Bewachungsunternehmen in die Insolvenz gehen. Der Vertrag des Auftraggebers kann nicht entlastet werden. Die Konsequenz sind drastische Beitragserhöhungen in der Sachversicherung. Insoweit hat auch der Auftraggeber ein deutliches Interesse, den Versicherungsschutz der Bewachungshaftpflicht seines Dienstleisters sicherzustellen.

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass man anscheinend nur einen großen Namen und einen bekannten Versicherer benötigt, beides mit einer über der von der DIN geforderten Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden und einer englischen Übersetzung kombiniert und dann überall durchgewunken und akzeptiert wird. Die geprüfte Versicherungsbestätigung eines großen deutschen Geld- und Wertdienstleisters (Geld- und Wertdienste unterliegen der Bewachungsverordnung)

  • bestätigt weder Deckung als Bewachungsunternehmen nach der DIN;
  • noch erfüllt sie die Vorgaben von § 14 BewachV und
  • ist nahezu komplett inhaltsleer. Es wird unter dem Punkt „Betriebsbeschreibung“ schlicht bestätigt, dass dieses Unternehmen eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung hat, für welche Tätigkeit wird nicht verraten.

Explizit ausgeschlossen wird der von § 14 BewachV mit mindestens 12.500 € geforderte Versicherungsschutz für Vermögensschäden („Pure financial losses“). Weshalb dann später trotz dieses Ausschlusses für etwas, was ausdrücklich nicht da ist, eine Versicherungssumme für Vermögensschäden benannt wird, erschließt sich nicht. Mit einer solchen Bestätigung könnte das Unternehmen keine Gewerbeerlaubnis nach § 34 a GewO erhalten, wenn der Bedarf bestünde und es nicht schon eine solche hätte. Allerdings gehört es nicht zu den Kernkompetenzen chronisch überlasteter Mitarbeiter in Gewerbeämtern, Versicherungsbestätigungen richtig zu lesen, so dass diese Einschätzung falsch sein kann.

Zwar erfüllen 60% der geprüften Unternehmen die Vorgabe zu Schlüsselverlusten, das bedeutet aber auch, dass 40% es nicht tun. Meistens gibt es gar keinen Nachweis in der Bestätigung, da § 14 BewachV dies nicht fordert. Einem aufmerksamen Prüfer könnte das auffallen.

Ziffer 4.13 der DIN bekommt ein besonderes Gewicht

Unverständlich ist ebenfalls, dass es Unternehmen gibt, bei denen bei der Prüfung bekannt war, dass sie den Versicherungsschutz gemäß DIN erfüllen, ihn aber nicht durch eine geeignete Bestätigung entsprechend nachweisen. Der Sinn dieses Vorgehens erschließt sich nicht.

Nach diesen erschreckenden, aber leider nicht überraschenden Ergebnissen, bekommt Ziffer 4.13 der DIN ein besonderes Gewicht. Dort ist geregelt, dass „…das jeweilige Subunternehmen die beauftragten Dienstleistungen entsprechend den Anforderungen nach diesem Normteil (erfüllen muss).“ Dies bedeutet, dass der Hauptauftragnehmer prüfen und dokumentieren muss, dass der von ihm eingesetzte Subunternehmer auch die Vorgaben der DIN zum Versicherungsschutz erfüllen muss. Bis zum flächendeckenden Erfüllen dieser Vorgabe ist es noch ein weiter Weg, wie die durchgeführte Untersuchung zeigt.

Es ist sehr sinnvoll, dass der Prüfung von Versicherungsbestätigungen zum Schutz des eigenen Unternehmens mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, als dies meistens der Fall ist. Besser ist es jedoch, den Subunternehmern ein standardisiertes Formular zur Gegenzeichnung vorzulegen, welches den Standard der DIN abbildet und von den Versicherern der Subunternehmer nur gegengezeichnet und gestempelt werden muss.

http://www.atlas-vsw.de

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Über den Autor: Bernd M. Schäfer

Diplom-Betriebswirt (FH) Bernd M. Schäfer ist geschäftsführender Gesellschafter der Atlas Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienste GmbH, ein Spezialmakler für Sicherheits- und Facility-Management-Unternehmen