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Brandschutz und Wirtschaftlichkeit

25.11.2020

Das Schutzziel aus Kapitel 5 der MLAR ist, dass die sicherheitstechnischen Anlagen im Brandfall ausreichend lang funktionsfähig bleiben

Schutzzielorientierte Planung am Beispiel MLAR

Das Klagen über zu teure Brandschutzmaßnahmen ist so alt wie der Brandschutz selbst. Häufig werden zu viele und zu umfangreiche Vorschriften dafür verantwortlich gemacht. Dabei lassen sich durch strukturiertes Planen auch komplexe Projekte mit umfangreichen Brandschutzmaßnahmen wirtschaftlich darstellen. Grundlegende Voraussetzung dafür ist eine schutzzielgerechte und funktionsorientierte Planung. Insbesondere Sonderbauten sind komplexe Gebilde, in denen die bauordnungsrechtlichen Schutzziele in Abhängigkeit von Gebäudebereich und Nutzung auf unterschiedliche Weise erfüllt werden können. Ein wesentlicher Schritt zu wirtschaftlichem Brandschutz ist dabei, das Sicherheitsniveau an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Voraussetzung dafür ist die sorgfältige Festlegung von Brandschutzmaßnahmen bereits in der Baugenehmigung bzw. im mitgeltenden Brandschutzkonzept. Diese Festlegungen sind nicht nur die Grundlage für die anschließende Fachplanung und die Errichtung der Anlagen, sondern auch für die Sachverständigenprüfung. Nachträgliche Änderungen während der Bauphase oder gar nach einer missglückten Abnahme erhöhen die Kosten unter Umständen um ein Vielfaches und sind häufig fehleranfällig.

Das richtige Maß finden

Insbesondere bei der Planung sicherheitstechnischer Anlagen gilt es, im Brandschutzkonzept das richtige Maß zu finden. Die Anforderungen sind dabei so genau wie möglich zu definieren, ohne technischen Umsetzungsmöglichkeiten mehr als notwendig einzuschränken [1]. So gehört beispielsweise die Angabe des Überwachungsumfangs und der Überwachungskategorie einer Brandmeldeanlage genauso in das Brandschutzkonzept, wie schutzzielbezogene Ausnahmen von der Überwachung für bestimmte Bereiche sowie Abweichungen von den technischen Regeln und anlagentechnische Kompensationsmaßnahmen bei baulichen Abweichungen. Nicht in ein Brandschutzkonzept gehört dagegen aus Sicht der Verfasser die Art der automatischen Brandmelder oder die konkrete technische Umsetzung eines Funktionserhalts (vgl. Abb. 1). Bei Festlegung der Melderart bzw. der Kenngröße wird die Planung eingeschränkt und im Betrieb besteht keine Möglichkeit, auf Täuschungsalarme zu reagieren, ohne vorher die Baugenehmigung anzupassen. Um den Funktionserhalt zu erreichen, sind verschiedene technische Lösungen möglich. Der Funktionserhalt muss somit nicht zwangsläufig durch Leitungen mit integriertem Funktionserhalt oder mittels eines Brandschutzgehäuses realisiert werden.

Unabdingbarer Bestandteil des Brandschutzkonzeptes ist auch ein sicherheitstechnisches Steuerungskonzept, in dem die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen sicherheitstechnischen Systemen konzeptionell beschrieben werden. Hieraus ergeben sich über die Brandmeldeanlage hinausgehende Auswirkungen auf die Auslegung anderer Gewerke, unter anderem bezogen auf den Funktionserhalt [2, 3] . Auch nutzungsbedingte Anforderungen sind im Rahmen der Brandschutzkonzeption zu berücksichtigen, beispielsweise eine Alarmierung nach dem Zwei-Sinne-Prinzip in barrierefrei zugänglichen Bereichen [4] oder in lärmbelasteten Industrieumgebungen.

Neben den bauordnungsrechtlichen Anforderungen sollten in einem über das Brandschutzkonzept hinausgehenden Gesamtsicherungskonzept auch Schutzziele aus anderen Rechtsgebieten berücksichtigt werden. So können für Betreiber Anforderungen aus dem Arbeitsschutz und von Versicherungen zum Sachschutz relevant sein [3].

Funktionserhalt wirtschaftlich geplant

Ein gutes Beispiel für die Realisierung von wirtschaftlichem Brandschutz durch strukturiertes Planen ist der Funktionserhalt von Anlagen mit Alarmierungsfunktion. Aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen und Auffassungen kommt es bei diesem Thema häufig zu verschiedenen Interpretationen, Diskussionen und Rückfragen. Zwar wird in unterschiedlichen Gremien (Normung, Fachverbände etc.) aktuell an Klarstellungen zu diesem Sachverhalt gearbeitet, jedoch sind diese für den Anwender nicht immer ohne Weiteres nachvollziehbar. Neben der Muster-Leitungsanlagenrichtlinie (MLAR) [5] befasst sich auch die DIN VDE 0833-2:2017-10 [6, 7] mit dem Funktionserhalt der Alarmierungsfunktion von Brandmeldeanlagen. Zu dieser Norm ist im Mai 2020 ein Änderungsentwurf A1 [8] erschienen, in dem unter anderem dargestellt wird, dass…

  • Brandmeldeanlagen mit Alarmierungseinrichtungen (z.B. optische und/oder akustische Signalgeber) keine Alarmierungsanlagen sind
  • Sprachalarmanlagen Bestandteil der Brandmeldeanlage und somit ebenfalls keine Alarmierungsanlagen sind.

Gleichzeitig wird festgehalten, dass Brandmeldeanlagen mit Alarmierungseinrichtungen oder Sprachalarmanlagen Aufgaben von Alarmierungsanlagen übernehmen können. Die Hinweise aus dem Änderungsentwurf bzw. der daraus resultierenden Änderung sollen dem Normenanwender aufzeigen, dass hinsichtlich des Funktionserhalts der Alarmierungsfunktion von Brandmelde- und Sprachalarmanlagen lediglich die Anforderungen nach 5.3.2 c) der MLAR zu berücksichtigen sind. Die Anforderungen nach 5.3.2 d) der MLAR wären demnach für Brandmeldeanlagen mit Alarmierungseinrichtungen sowie für Sprachalarmanlagen nicht relevant. Abschnitt 5.3.2. c) der MLAR beschreibt die Dauer des Funktionserhalts für Brandmeldeanlagen, Abschnitt 5.3.2. d) für Alarmierungsanlagen.

Im Gegensatz zu den Formulierungen im oben genannten Änderungsentwurf werden in der aktuellen Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen [9] im Anhang 14, Kapitel 3.1 Sprachalarmanlagen explizit als Alarmierungsanlagen dargestellt:

Zu Alarmierungsanlagen zählen insbesondere elektroakustische Alarmierungsanlagen zur Erteilung von Anweisungen, wie Sprachalarmierungsanlagen oder Notfallwarnsysteme.

Es ist davon auszugehen, dass es nach dem Erscheinen der Änderung A1 zur VDE 0833-2 aufgrund der gegenüber der MVV TB 2019/1 abweichenden Aussagen zu Verwirrungen am Markt kommt.

Praxis

Das grundlegende Schutzziel aus Kapitel 5 der MLAR ist, dass die sicherheitstechnischen Anlagen im Brandfall ausreichend lang funktionsfähig bleiben. Es geht beim Thema Funktionserhalt somit nicht darum, einzelne Leitungen in einer bestimmten Qualität auszuführen oder Brandschutzgehäuse einzusetzen, sondern darum, die notwendigen Funktionen der sicherheitstechnischen Anlage im Brandfall zu gewährleisten.

Die zentrale Frage muss daher lauten: Welche Funktion muss im Brandfall in welchem Gebäudeteil wie lange funktionieren? (vgl. Abb. 2). Mithilfe dieser Frage und unter Berücksichtigung der in Abb. 2 dargestellten Einflussfaktoren,  kann der Funktionserhalt frühzeitig und in Abstimmung mit anderen Gewerken für die Funktionen und Bereiche geplant werden, in denen er auch erforderlich ist.

In der Praxis werden allerdings häufig nur pauschale Aussagen wie „Die Alarmierungsanlage ist in Funktionserhalt gemäß MLAR auszuführen“ o.ä. gemacht. Oft anzutreffen sind auch zu detaillierte Festlegung bis hin zur Definition bestimmter Produkte. In beiden Fällen wird den Fachplanern bzw. Errichtern jede Möglichkeit zu einer wirtschaftlichen Auslegung genommen.

Sofern bauordnungsrechtlich von einer Alarmierungsanlage gesprochen wird, die mittels Alarmierungseinrichtungen der BMA oder mittels Sprachalarmanlage realisiert wird, sollte aufgrund der interpretationsfähigen Festlegungen in MVV TB 2019/1 und dem Änderungsentwurf A1 zur DIN VDE 0833-2 zwingend im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens definiert und dokumentiert werden, welche Anforderungen an den Funktionserhalt für die Alarmierungsfunktion gestellt werden. Besondere Anforderungen an den Funktionserhalt können sich bei Sprachalarmanlagen beispielsweise dann ergeben, wenn zusätzlich zur automatischen Ansteuerung durch die BMA auch das Einsprechen durch die Feuerwehr via Brandfallmikrofon möglich sein soll.

Neben der Alarmierungsfunktion von Brandmeldeanlagen können auch weitere Funktionen einen Funktionserhalt benötigen. Dies kann z. B. erforderlich sein, wenn die Funktion von abgesetzt montierten Feuerwehr-Bedienfeldern bzw. Anzeigetableaus aufrecht erhalten bleiben muss, damit die Lokalisierung der Brandmeldung durch die Feuerwehr sichergestellt ist. Wichtig ist jedoch auch hier, dass die Anforderungen bereits im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens festgelegt und dokumentiert werden.

Fazit

Eine schutzzielgerechte und zugleich wirtschaftliche Fachplanung sicherheitstechnischer Anlagen benötigt klare Vorgaben im Brandschutznachweis. Diese sind dabei so genau wie möglich zu definieren, ohne technischen Umsetzungsmöglichkeiten mehr als notwendig einzuschränken. Für eine wirtschaftliche Brandschutzplanung ist eine frühzeitige Abstimmung aller Baubeteiligten erforderlich. Wünschenswert wäre, wenn die Architekten ihre im Bauordnungsrecht festgelegte Koordinierungsfunktion noch stärker als bisher wahrnehmen. Ebenso wünschenswert wäre es, wenn die bauordnungsrechtlichen Vorgaben zukünftig schutzziel- und funktionsbezogen anstatt nur anlagenbezogen beschrieben würden. Dadurch würde auch der zunehmenden Vernetzung einzelner Anlagentechniken innerhalb von Gebäuden Rechnung getragen werden.

Literatur

[1]    Bastian Nagel, Dirk Borrmann, Steffen Tietze: Brandschutznachweis oder Elektrofachplanung? In: Feuertrutz Magazin (2020), Heft 3.

[2]    VDI 6010 Blatt2 - Entwurf:2020-07 Sicherheitstechnische Anlagen und Einrichtungen für Gebäude - Schnittstellen in Brandfallsteuerungen.

[3]    Balow, J. (Hrsg.): Gefahrenfallmatrizen für Gebäude – Vom sicherheitstechnischen Steuerungskonzept (sSK) zur Brandfallsteuermatrix : Kommentar zur VDI 6010 Blatt 1, VDI Kommentar. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2020.

[4]    DIN 18040-1:2010-10 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude.

[5]    Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie - MLAR) Fassung: 10.2.2015 (Redaktionsstand 5.4.2016). In: : DIBt Mitteilungen, 2016.

[6]    DIN VDE 0833-2:2017-10 Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall- Teil 2: Festlegungen für Brandmeldeanlagen.

[7]    DIN VDE 0833-2 Berichtigung 1:2019-10;VDE 0833-2 Berichtigung 1:2019-10 Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall - Teil 2: Festlegungen für Brandmeldeanlagen; Berichtigung 1.

[8]    DIN VDE 0833-2/A1:2020-05 - Entwurf;VDE 0833-2/A1 - Entwurf:2020-05 Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall - Teil 2: Festlegungen für Brandmeldeanlagen; Änderung A1.

[9]    DIBt Deutsches Institut für Bautechnik: Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen – Ausgabe 2019/1; Amtliche Mitteilungen 2020/1 (Ausgabe 15. Januar 2020 mit Druckfehlerberichtigung vom 7. August 2020).

[10]  ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e. V.: Kommentar des Ad-hoc-AKs von VdS und ZVEI zur Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen, 2020.

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