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Klimaaktivisten waren eine neue Herausforderung

03.06.2024
Oliver Braun, Leiter Security der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH
Oliver Braun, Leiter Security der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Herr Braun, aus aktuellem Anlass will ich zu Beginn unseres Gespräches den Blick auf einen Anschlag lenken, der Anfang März bei Grünheide, rund zwanzig Kilometer Luftlinie vom Flughafen BER verübt wurde. Dort wurde durch einen Brandsatz an einem Strommasten die Energieversorgung der Gigafactory von Tesla, aber auch anderer Unternehmen wie auch von Haushalten unterbrochen. Beunruhigt Sie das?

Auch wenn der BER nicht betroffen war, so beschäftigen wir uns doch ständig mit der Frage, inwieweit sich die Gefährdungs- oder Bedrohungslage für den Luftverkehr und für uns als Flughafenbetreiber verändert. Daher haben wir auch den Anschlag auf die Produktion von Tesla sehr genau beobachtet und analysiert. Das Beispiel zeigt sehr deutlich, dass eine Security oder Unternehmenssicherheit ja nicht Sicherheit per se, sondern bei Tesla die sichere Produktion und bei uns den sicheren Flugbetrieb gewährleistet.

Von daher muss die Sicherheit so gestaltet sein, dass etwaige Flugunterbrechungen möglichst ausgeschlossen werden. Wir sichern in erster Linie Starts und Landungen sowie die An- und Abreise der Passagiere. Von daher spielt die gesamte Kritische Infrastruktur am Campus eine große Rolle für uns. Die Stromversorgung des BER ist für uns ein Kernthema. Deshalb hat uns auch der Angriff auf die Produktion in Grünheide mit großer Sorge zurückgelassen. Auch weil wir eine Verschärfung in den Handlungen der Klimaaktivisten feststellen müssen. Deren frühere Aktionen haben vor allem in Signalwirkungen bestanden, diesmal jedoch bei dem Brandanschlag war deutlich mehr kriminelle Energie vorhanden.

Könnte also auch den BER ein solcher Anschlag treffen?

Natürlich verfügen wir über eine gute und funktionierende Notstromversorgung, die garantiert, dass die notwendigen Abläufe unterbrechungsfrei weiterlaufen können. Die Notstromversorgung haben wir vor der Inbetriebnahme auch erfolgreich getestet. Die Leitungsnetze, die zu uns führen und im Nahbereich liegen, werden von uns mit überwacht.

Wenn Strom tatsächlich einmal gekappt würde, könnte der Betrieb also problemlos weiterlaufen?

Es ist ja der Sinn der Notstromversorgung, dass man insbesondere die für die Sicherheit wichtigen Anlagen in Betrieb hält. Für uns steht dabei natürlich die Sicherheit der Passagiere im Vordergrund. Das setzt alle notwendigen Flughafenprozesse voraus. Damit einhergehend ist natürlich der Weiterbetrieb der Deutschen Flugsicherung notwendig, das Weiterfunktionieren der Brandmeldeanlage, der Notrufeinrichtung, die Notbeleuchtung. Natürlich stünden nicht alle Komfortfunktionen vollumfänglich zur Verfügung, aber die entscheidenden Kernfunktionen sind gut abgesichert.

Welche Aufgaben umfasst die von Ihnen geleitete Flughafensicherheit?

Zunächst sichern wir den möglichst reibungslosen Flugverkehr. Dazu habe ich meine Abteilung in verschiedenen Teams organisiert. Diese spiegeln teils die sehr umfangreichen regulatorischen Anforderungen an einen Flughafen und auch die Anforderungen an einen Betreiber Kritischer Infrastruktur wieder. Wesentlich ist bei uns der Aufgabenbereich „Zutrittsdokumente“ in meinem Security Service Center. Es gibt so eine Art „Prudential Service“, der die Zuverlässigkeitsüberprüfungen aller Mitarbeitenden am Standort entgegennimmt und an die zuständige Luftfahrtbehörde weiterleitet. Dort werden auch die Zugangsdokumente ausstellt sowie die Zugangsberechtigungen festlegt. Das Team managt mehr als 20.000 Ausweise für Mitarbeitende der Flughafengesellschaft, Dienstleister, Polizeien und Behörden, etc.

Ein weiteres Team ist das „Security Operation Center“. Hier sind unsere 180 operativen, direkt beim Flughafen angestellten Sicherheitsmitarbeiter verortet. Sie übernehmen alle konkreten Securityaufgaben, von der Detektion bis hin zur Intervention und die wesentlichen Funktionen hier am Flughafen; direkt und persönlich. Das Team betreibt zusätzlich eine 24/7 Einsatzzentrale, an der sämtliche Notrufe am Flughafen eingehen.

Ein Team ist für Prozesse und Technologie verantwortlich. Hier wird im Wesentlichen die Sprache der IT in unsere Sicherheitssprache übersetzt – und andersherum, um insbesondere die Funktionalitäten der Anlagen zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Im Team Prozesse findet auch die Steuerung unserer Dienstleister statt. Wir haben allein für die Sicherung des Flughafens nach § 8 Luftsicherheitsgesetz noch circa 800 Mitarbeiter von Dienstleistern hier bei uns im Einsatz. Dieser Einsatz wird auch im Team „Prozesse“ organisiert. Unser Ziel ist es dabei, mit dem Zusammenspiel der kaufmännischen Sichtweise bei der Dienstleisterbeschaffung und der notwendigen Effizienzsteigerung ein richtiges Maß an Sicherheit am Platz zu schaffen. Und last but not least haben wir noch ein Team, „Quality and Policies“. Wir sind durch die EU und natürlich auch durch unsere nationalen Aufsichtsbehörden reglementiert und beauflagt, besondere Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Insbesondere beim Personaleinsatz gibt es strenge Regeln, die wir auch mit unseren Dienstleistern vertraglich festgelegt haben, um das richtige Personal in der richtigen Qualität und Quantität am richtigen Ort im Einsatz zu haben. Die Qualitätssicherung nehmen wir sehr ernst und kontrollieren daher regelmäßig offen und verdeckt.

Wir sind als BER auch maßgeblich daran interessiert, nicht nur die Sicherheitsarchitektur von anderen zu übernehmen oder uns von Aufsichtsbehörden anweisen zu lassen, sondern wir wollen eigene innovative Ideen entwickeln und einbringen. Das ist die Aufgabe von „Policies“. Wir sind fest der Überzeugung, dass diese innovativen Ideen durch einen risikobasierten Ansatz getrieben werden können und müssen. Wir wollen uns nicht nur auf Dinge, die vor zehn Jahren entschieden wurden, verlassen, sondern als Flughafensicherheit modern, innovativ und effizient sein. In dem Maße, in dem sich Gefährdungen verändern, müssen sich auch Gegenmaßnahmen entwickeln. Auch wenn das nicht immer geht, so wollen wir doch vor die Welle kommen und nicht nur auf Ereignisse reagieren.

BER hat als einer der ersten Flughäfen in Deutschland die Bestellung der Luftsicherheitsassistenten übernommen. Was ist neu?

Mit dem Projekt „Next Level“ wurden zum 1. Januar 2024 die Steuerungsaufgaben für die Passagierkontrollen durch den Flughafenbetreiber von der Bundespolizei übernommen. Hier hatte sich zunächst ein Projektteam über acht Monate damit beschäftigt, die Beleihung durch die Bundespolizei zum Abschluss zu bringen. Nun wurden auch die Organisationsfelder noch einmal neu strukturiert. Seit dem 1. 1. ist nicht nur die Steuerung beim Flughafenbetreiber, sondern auch das Management der Sicherheitstechnik und ebenso die Kontrolle des Aufgabegepäcks. Das alles geschieht unter Einsatz eines Dienstleisters, der durch die Bundespolizei beaufsichtigt wird.

Was heißt das im Vergleich zur vorherigen Situation?

Die wesentliche Änderung ist, dass wir als Flughafen jetzt für den Personaleinsatz und die Personalsteuerung verantwortlich sind. Wir glauben fest, dass wir das als Flughafenbetreiber besser können, als die Bundespolizei. Wir kennen unsere eigenen Anforderungen und Prozesse natürlich selbst am besten und wissen viel schneller, wenn sich kurzfristig etwas ändert. Die Aufsicht über die Sicherheitskontrollen obliegt weiterhin der Bundespolizei.

Von der Bundespolizei kamen in der Vergangenheit Vorschläge, wie beispielsweise das zulässige Gewicht des Handgepäcks zu reduzieren. Sind das Ansätze, die weiterverfolgt werden?

Die Bundespolizei hat natürlich Ideen und Ideen sind grundsätzlich erst einmal gut. Ziel aller Beteiligten in diesem Prozess ist, die größtmögliche Sicherheit bei höchstmöglichem Durchsatz zu gewährleisten. Dabei kann es aus polizeilicher Sicht auch sinnvoll sein, den Passagier einzuschränken, um die Kontrollen zu beschleunigen. Als Flughafenbetreiber sind wir da komfortorientierter.  Sicherheit und Effizienz müssen in Einklang stehen. Daher sind beide Sichtweisen absolut notwendig und auch wünschenswert.

Werden Schwerpunkte bei den Sicherheitsaufgaben gesetzt?

Man muss immer alle potenziellen Gefahren im Auge haben. Im Terminal bleibt die Gefährdung durch den internationalen Terrorismus unverändert, insbesondere dort, wo sich Menschenansammlungen bilden und ein lohnendes Angriffsziel bieten. Dort müssen selbstverständlich andere Schutzmaßnahmen getroffen werden als am Perimeter. Dennoch dürfen wir auch den Perimeter nicht außer Acht lassen.

Dabei gilt es immer zu bedenken, dass der Eingriff durch Terroristen in den Luftverkehr eine andere Qualität darstellt, als wenn „nur“ der Zaun überwunden wird. Das Schadenausmaß wäre ungleich höher. Insgesamt greift hier unser risikobasierter Ansatz. Bei diesem bewerten wir jedes Ereignis und leiten entsprechende Maßnahmen davon ab.

Der Perimeterschutz an Flughäfen ist ja ein seit Langem diskutiertes Thema. Hat man hier die Lösung gefunden?

Wir glauben nicht an die eine Technik, die die 100-prozentige Lösung für alle Gefahren bringt. Daher bündeln wir Maßnahmen im Bereich der Aufklärung, der Prävention, der Detektion und natürlich auch der Intervention. Dazu beleuchten wir auch intensiv den Markt, besuchen Messen und starten Pilotprojekte. Wir streben nach einem möglichst hohen Widerstandswert, der idealerweise schon baulich entsteht. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen versuchen wir die geeigneten Sicherheitsmaßnahmen an den Platz zu bringen und zwar genau dort, wo das Risiko entsteht.

Wir haben am BER die ganze Bandbreite der Perimetersicherung im Einsatz. Aktuell testen wir modernste Technik im Bereich Lichtwellenleiter, die es uns ermöglicht, ohne in den Datenschutz einzugreifen, Aufklärungsergebnisse bis weit vor dem Flughafenzaun zu generieren. Auch außerhalb unseres Hausrechtsbereiches. Diese Detektion erfolgt im weitesten Sinne durch seismische Protokolle. Eine KI übernimmt dann die Auswertung und unterscheidet beispielsweise zwischen Tieren, Menschen, Fahrzeugen. Zusätzlich verfügen wir über eine Sicherung durch Kameras mit Bewegungserkennung. Zur Detektion von Personen, Vögeln und insbesondere Drohnen haben wir das radarbasierte System ADDA im Einsatz.

Wir sind also sehr vielschichtig aufgestellt. Wobei ich betonen muss: der wesentliche Faktor bleibt der Mensch. Wenn ein Alarm entsteht, brauchen wir jemanden, der den Alarm auflöst; der sich vor Ort begibt und die Rahmenbedingungen klärt und den Ursprungszustand wieder herstellen kann. Das sind Aufgaben, die von unseren Leuten übernommen werden, die sich Ort begeben und Entscheidungen treffen. Das sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Airport Security, auf die ich jeden Tag stolz bin.

Zum Schluss noch die Frage: Welcher Vorfall oder welche Vorfälle haben Ihnen in jüngster Zeit die größten Kopfschmerzen bereitet?

Der Luftverkehr spiegelt sämtliche Spannungen in der Welt wider, ob es der Ukraine-Krieg ist oder die Situation in Nahost. Sie alle erfordern unsere Aufmerksamkeit. Kopfschmerzen sind da fehl am Platz. Dazu kommt der Klimaaktivismus, weil sich seine Erscheinungsformen geändert haben. Die Klimaaktivisten haben uns – vielleicht auch unbewusst – massiven Schaden zugefügt. Wir hatten hier eine Sperrung der Start- und Landebahnen von zwei Stunden. Passagiermaschinen konnten nicht starten und landen und einige Maschinen mussten den Landeanflug abbrechen. In dieser Zeit konnten aber auch Maschinen mit lebensbedrohlichen medizinischen Notfällen oder Organtransporten nicht am BER landen und die Bahnen standen nicht für potentielle Notlandungen zur Verfügung Das kann katastrophale Folgen haben.

Für uns waren die Angriffe daher schon ein sehr wesentlicher Eingriff in den sicheren Flugverkehr. Ich glaube, in Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, denen wir täglich gegenüberstehen, haben wir bisher gute Antworten gefunden. Jetzt gilt es, den Fokus trotz der komplexen Bedrohungslage nicht zu verlieren um weiterhin einen sicheren Flugverkehr zu gewährleisten.

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Peter Niggl

Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight

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