Konsequenzen des BREXIT für das Bauproduktenrecht
Das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen der EU und UK weiter beobachtenFoto: Pixabay
Mit Ablauf der 31. Januar 2020 hat das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Dies hat zahlreiche Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr mit Bauprodukten und die in diesem Kontext tätigen Wirtschaftsakteure. Der nachfolgende Beitrag fasst die wesentlichen Auswirkungen auf Basis des derzeitigen Kenntnisstandes zusammen. Künftige Entwicklungen, insbesondere auf ein angestrebtes Freihandelsabkommen zwischen der EU und UK, müssen jedoch weiter genau beobachtet werden.
AAK und Übergangszeitraum
Produktrechtliche sowie zollrechtliche Konsequenzen hat der Brexit nicht unmittelbar, sondern erst nach einer Übergangszeit. Der Übergangszeitraum gilt nach Art. 126 des Austrittsabkommens (AAK) mindestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020. In dem festgelegten Übergangszeitraum gelten sämtliche harmonisierten Produktrechtsvorschriften gemäß Art. 127 Abs. 1 des Austrittsabkommens fort. Zudem bleibt das Vereinigte Königreich für die Dauer des Übergangszeitraumes weiterhin Mitglied der Europäischen Zollunion. Bis dahin darf das Vereinigte Königreich das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Bauprodukten, die vom Anwendungsbereich einer harmonisierten technischen Spezifikation umfasst sind (im Folgenden: „harmonisierte Bauprodukte“) nicht verbieten, beschränken oder behindern. Deswegen können CE-gekennzeichnete Bauprodukte zunächst weiterhin im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebracht und bereits gestellt werden, vgl. Art. 41 Abs. 1 lit. a) AAK. werden. Jedoch muss nachgewiesen werden, dass das entsprechende Produkt innerhalb des Übergangszeitraumes in den Verkehr gebracht worden ist (Art. 42 des Austrittsabkommens). Ihre Verwendung hat wie bisher nach den Vorgaben des britischen Bauordnungsrechts zu erfolgen.
Der Übergangszeitraum kann im gegenseitigen Einverständnis um ein oder zwei Jahre verlängert werden, vgl. Art. 132 Abs. 1 AAK. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob eine solche Verlängerung tatsächlich zustande kommt. Dagegen spricht, dass eine Verlängerung des Übergangszeitraumes im britischen Brexit-Gesetzes ausgeschlossen ist.
Konsequenzen des BREXIT nach Ablauf des Übergangszeitraums
Mit dem Ablauf des Übergangszeitraumes gilt das Vereinigte Königreich im produktrechtlichen Sinne als Drittstaat, sofern kein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen wird; dieses Szenario wird den weiteren Ausführungen zugrunde gelegt. Dies kann zunächst dazu führen, dass bei der Einfuhr von Produkten in das Vereinigte Königreich (und auch umgekehrt) Zölle anfallen, die finanzielle Mehrbelastungen beim jeweiligen Importeur verursachen. Insbesondere ergeben sich aber für harmonisierte wie auch allein national geregelte Bauprodukte weitreichende Konsequenzen.
Konsequenzen für die Einfuhr von Bauprodukten nach UK
Die EU-BauPVO kommt nach Ablauf des Übergangszeitraums nicht mehr zur Anwendung. Es gilt sodann britisches Recht. Für Hersteller, die ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union haben und ihre Bauprodukte im Vereinigten Königreich in den Verkehr bringen wollen könnte es zum Einen nach Maßgabe des britischen Rechts erforderlich werden, einen Bevollmächtigten mit Sitz innerhalb des Vereinigten Königreiches zu benennen. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Ablauf des Übergangszeitraumes im Hinblick auf harmonisierte Bauprodukte dazu führen kann, dass das Vereinigte Königreich bspw. andere oder zusätzliche Prüf- und Bewertungsverfahren zur Ermittlung der Leistung von harmonisierten Bauprodukten vorschreibt, was zu einem finanziellen wie zeitlichen Mehraufwand führen würde. Auch könnte das britische Recht konkrete Produktanforderungen regeln. Dies insbesondere dann, wenn Bauprodukte, wie beispielsweise Produkte der Technischen Gebäudeausrüstung, unter weitere EU-Harmonisierungsrechtsakte, wie etwa die Niederspannungs-Richtlinie, die Maschinen-Richtlinie, die EMV-Richtlinie, die RoHS-Richtlinie oder die Funkanlagen-Richtlinie, fallen. Zugleich dürfte zu erwarten sein, dass insbesondere diese Bauprodukte mit einer britischen UKCA-Kennzeichnung zu versehen sind, mit der ausgewiesen wird, dass das jeweilige Produkt den britischen Produktanforderungen entspricht und im Vereinigten Königreich in den Verkehr gebracht werden darf. Auch entfällt für nicht harmonisierte Bauprodukte die Möglichkeit der Wirtschaftsakteure, sich auf den in der Verordnung 2019/515/EU geregelten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zu berufen.
Konsequenzen für die Einfuhr von UK-Bauprodukten in die EU
Umgekehrt können sich selbstverständlich auch UK-Hersteller in Bezug auf nicht harmonisierte Bauprodukte nicht mehr auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung berufen. Soweit es sich um harmonisierte Bauprodukte handelt, haben Sie, wie jeder in einem Drittstaat ansässiger Hersteller, die Regelungen der EU-BauPVO zu beachten, wenn sie die Produkte in der EU vermarkten wollen. Wichtig ist insoweit, dass die Hersteller im Hinblick auf die erforderliche Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit harmonisierter Bauprodukte nicht mehr auf notifizierte Stellen zurückgreifen können, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben. Diese verlieren mit Ablauf der Übergangfrist ihren Status als notifizierte Stelle. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens jedes einzelnen Bauproduktes.
Deutsche Händler, beispielsweise auch Einkaufsgemeinschaften, die harmonisierte Bauprodukte aus dem Vereinigten Königreich einführen und in Deutschland in den Verkehr bringen, wären nach Maßgabe der EU-Bauproduktenverordnung nun als Importeur zu qualifizieren und müssten daher die weitergehenden Pflichten eines Importeurs nach Art. 13 EU-BauPVO erfüllen. Danach müssen die Importeure unter anderem ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Marke und ihre Kontaktanschrift auf dem Bauprodukt selbst oder, falls dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in den dem Bauprodukt beigefügten Unterlagen angeben.
Auswirkungen für Architekten und Planer
Architekten und Planer müssen bei der Beratung ihrer Auftraggeber wie bisher berücksichtigen, dass die ausgeschriebenen Bauprodukte sämtlichen anwendbaren Rechtsvorschriften genügen. Insbesondere müssen aufgrund der Leistungen der Bauprodukte die Anforderungen des nationalen Bauordnungsrechts (Bauordnungen der Länder, Sonderbauordnungen, in der jeweiligen VV-TB geregelten Technische Baubestimmungen etc.) für das jeweils zu errichtende Bauwerk erfüllt werden können. Besonderes Augenmerk sollten Architekten und Planer aber in Bezug auf harmonisierte Bauprodukte haben, bei denen sie wissen, dass deren Hersteller bisher Prüfungen und Bewertungen der Leistungsbeständigkeit bei in Großbritannien ansässigen notifizierten Stellen durchgeführt haben. Die entsprechenden Prüfungen dürften nach Ablauf des Übergangszeitraums formell keine wirksame Grundlage mehr für Bestimmung der Leistungsbeständigkeit und damit für die Erstellung der Leistungserklärung darstellen.
Ausblick
Die vorstehend skizzierte Konsequenzen könnten nur durch den Abschluss eines Freihandelsabkommens verhindert bzw. abgeschwächt werden. Zu beobachten ist daher, ob das Vereinigte Königreich bis zum Ablauf des Übergangszeitraumes ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union abschließt, in dem u.a. der Umgang mit (harmonisierten) Bauprodukten geregelt wird. Dieses könnte etwa Vereinbarungen dahingehend enthalten, die sicherstellen, dass das Vereinigten Königreich auch weiterhin die Anwendung harmonisierter Prüfverfahren zur Bestimmung der Produktleistungen vorschreibt. Auch die Vereinbarung einer Zollfreiheit für bestimmte Produkte erscheint möglich.
Letztlich können gegenwärtig jedoch nur Mutmaßungen zum Inhalt eines etwaigen Freihandelsabkommens angestellt werden. Auch ist unklar, ob überhaupt und wenn ja, wann ein Freihandelsabkommen zustande kommt. Die weitere Entwicklung ist daher von allen Beteiligten, Herstellern und Händlern, aber auch Architekten, Planern und Errichtern genau zu beobachten.