Hilfspolizisten verstoßen gegen geltendes Gesetz
„Knöllchen-Urteil“ des OLG Frankfurt mit Folgen für die privaten Sicherheitsdienstleister Bildquelle: Björn Bielesch auf Pixabay
„Knöllchen-Urteil“ des OLG Frankfurt mit Folgen für die privaten Sicherheitsdienstleister
Mit dem Beschluss „Der Einsatz von privaten Dienstleistern zur Überwachung des ruhenden Verkehrs ist gesetzeswidrig“ (Akt.-Z. 2 Ss-OWi 963/18) hat der Senat für Bußgeldsachen beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main am 3. Januar dieses Jahres ein offenbar folgenschweres Urteil gefällt. Ausgangspunkt war eine Klage gegen einen Strafzettel (Knöllchen) wegen Falschparken.
In den Leitsätzen zu dem Urteil heißt es: „Die den kommunalen Polizeibehörden gesetzlich zugewiesene Verpflichtung der Überwachung des ruhenden Verkehrs und die Ahndung von Verstößen sind hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürfen sie nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden.“ Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Bereits jetzt wird davon ausgegangen, dass das Urteil - wie spiegel.de schreibt „Signalwirkung auch für andere Regionen“ haben wird. Eine Stadt wie Frankfurt am Main hat im Jahre 2018 rund 700.000 Strafzettel mit einem Sanktionswert von über zehn Millionen Euro ausstellen lassen. Diese könnten nunmehr angefochten worden. Auch in anderen hessischen Kommunen sind private Sicherheitsdienstleister zur Überwachung von Falschparkern im Einsatz. Im Urteil wird von Hilfspolizisten gesprochen.
Die Richter verweisen in ihrem Urteil auf die besondere rechtliche Situation in Deutschland und kommen dabei auch durchaus zu der Feststellung, dass andere Regelungen denkbar sind. In Punkt zwei des Urteils wird apodiktisch betont: „Die Ahndung und Durchsetzung von Regelverstößen durch Verwarn- und Bußgelder folgt aus dem Gewaltmonopol des Staates.“ Zugleich werden aber auch Alternativen aufgezeigt. „Der Gesetzgeber hat sich in Deutschland dazu entschlossen, auch diesen Bereich als Ordnungswidrigkeit dem Strafrecht zuzuordnen. Dass dies grundsätzlich auch anders möglich wäre, z. B. eine Angliederung an das Verwaltungsrecht, zeigen die Rechtsordnungen in anderen Europäischen Ländern.“
Das Fehlen eines Sicherheitsdienstleistungsgesetzes, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, ist in diesem Falle zu einem großen Stolperstein geworden. Die praktische Vorwegnahme privater Sicherheitsdienstleistungen ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage kann sich zu einem immensen Problem für die öffentliche Hand auswachsen. Vielerorts werden vor allem in den Medien Stimmen laut, die eine Anwendung des Frankfurter Urteils in anderen Bundesländern und Regionen für möglich erachten und fordern.
In seinen Eckpunkten zur Schaffung eines eigenständigen Gesetzes für private Sicherheitsunternehmen hat der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) explizit auch den Punkt „Sicherheitsdienstleistungen für kommunale Verkehrssicherheit“ aufgenommen. Ob und wie sich das Frankfurter Urteil auf den Gesetzgebungsprozess für ein solches Gesetz auswirken wird, kann bislang nur schwer eingeschätzt werden. Deutlich ist seit langem, dass die genaue Definition hoheitlicher Aufgaben (die ausschließlich von den Polizeibehörden wahrgenommen werden dürfen) innerhalb der Parteien noch nicht festgelegt scheint. Eine Beschleunigung des schleppenden Gesetzgebungsprozesses ist allerdings von diesem Urteil nicht zu erwarten.
Mehr zu diesem Urteil und seinen Auswirkungen in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift „Security insight“.
P.N.
Bildquelle: Björn Bielesch auf Pixabay
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Peter Niggl
Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight