Lagerhaltung oder Lieferketten resilienter machen

Im Spitzengespräch mit Frank Ewald, Head of Corporate Security bei Deutsche Post DHL

Lesezeit: 7 Min.

25.09.2020

Mit Frank Ewald, Head of Corporate Security bei Deutsche Post DHL, sprach Peter Niggl

Herr Ewald, wo lagen die besonderen Herausforderungen für Sie als Sicherheitsverantwortlichen der DHL, in den zurückliegenden Monaten?

Die klassische Sicherheit ist hier erst einmal in den Hintergrund getreten, der zweite Bereich unserer Tätigkeit, das Krisenmanagement, hat natürlich wesentlich stärker unser Handeln bestimmt. Das Krisenmanagement behandelt nicht nur die Sicherheitsthemen, sondern alle möglichen Prozesse an die gedacht werden muss, wie sieht es mit Reisen, Reisebestimmungen oder Quarantänen aus, wollen wir als Unternehmen noch Reisen in gewisse Risikoländer zulassen oder nicht. Ein anderes Thema war eher am Rande von Bedeutung, da ging es darum, haben wir es vermehrt mit Diebstählen von Schutzausrüstung zu tun. Was wir uns angeschaut haben, war, ob neue Phänomene im Zusammenhang mit Covid-19 auftreten. Zunächst gab es sogar in einigen Ländern gegenläufige Tendenzen. Wir konnten beobachten, dass in den ersten zwei Monaten von Covid-19 in einigen sehr kriminalitätsbelasteten Ländern und Städten wie Mexiko oder São Paulo die Kriminalität stark, um über 50 Prozent zurückging. Gewaltkriminalität wie zum Beispiel Raubüberfälle waren dort erheblich gesunken. Durch den Lockdown, der ja auch den grenzübergreifenden Verkehr erheblich einschränkte, sank z.B. auch der Schmuggel. Dann aber hat sich die Organisierte Kriminalität auf die neue Lage eingestellt, deshalb gibt es jetzt auch Kriminalität, die die Covid-19-Situation ausnutzt. Hierbei sind u.a. Internetbetrügerei oder auch Phishing zu nennen.

Beginnt jetzt die Diskussion, was sich in Zukunft ändern muss?

Natürlich. Die begann sofort bei Beginn der Krise und läuft vor allem darauf hinaus, wie man künftig die Beschaffung notwendiger Materialien bewerkstelligen wird. Aber auch, wie man effektiv mit den Kunden kommuniziert, damit man gemeinsam die herausfordernden Situationen bewältigen kann. Bis dahin, dass man sich auch die Vertragswerke anschaut, um festzustellen wo gegebenenfalls Nachbesserungsbedarf besteht.

Ich nehme an, dass vor allem mittelständische Firmen Ihre Dienste in Anspruch nehmen?

Auch die großen DAX-Unternehmen sind auf unsere Dienstleistung angewiesen. Automobilhersteller z.B. sind auf sehr viele Zulieferungen angewiesen. Und ein Teil davon kommt auch über die Logistik von DHL. Es ist ja selbstverständlich, dass ein Auto nur dann vom Band geht, wenn alle Teile vorhanden sind. Unternehmen haben einen Teil ihrer Produktion outgesourct und lassen sehr viele Güter in Asien, vor allem in China produzieren. Wenn dann in einer solchen Situation Abermillionen von Produkten in China liegen und die Ausfuhr – vielleicht sogar regulatorisch – beschränkt wird, dann sitzen wir einfach auf der falschen Seite der Welt. Da muss man überlegen, wie man an diese Produkte herankommt.

John Pearson, CEO von DHL Express, hat sich dessen ungeachtet vor kurzem explizit für die Globalisierung starkgemacht…

…und genau das ist das Thema. Es geht nicht, alles selber herzustellen. Die Ressourcen hat keine Nation der Welt. Ich glaube schon, dass die Globalisierung was den Handel betrifft, weiter voranschreiten wird und man sich weiter vernetzen muss, aber für gewisse kritische Güter wird man nationale Reserven bilden müssen oder aber Produktionen einrichten. Vielleicht hat man sich in der Vergangenheit wesentlich auf ein Land fokussiert. Mir ist noch das Zitat im Ohr „China ist die Werkbank der westlichen Industriestaaten.“

Fachleute beklagen, der Weg der Produkte zwischen China und Europa sei gar nicht mehr nachzuvollziehen. Wird sich daran etwas ändern?

Es gibt auch Lieferketten, bei dem die Ware nur ein oder zweimal umgeschlagen werden muss. Bei anderen mag das häufiger sein, das ist immer auch eine Frage des Preises. Wenn man eine Point-to-Point-Logistik will, dann ist das schneller, aber in der Regel auch teurer. Sicherlich wird man sich über diese Themen Gedanken machen müssen. Wir haben aber von unseren Kunden sehr positive Resonanz bekommen, dass die Verzögerungen und Ausfälle minimal waren. Es war sogar andersherum so, dass aufgrund des Infektionsgeschehens, Produktionen geschlossen werden mussten, der Nachschub an Zulieferungen dann aber weiterhin angekommen ist. Man hat das auch am Hamburger Hafen gesehen. Alle Lagerhallen waren voll, Schiffe konnten nicht mehr entladen werden und auf der Reede lagen auch noch Frachter.

Wie sah es in der Luftfracht aus, als so viele Maschinen am Boden blieben?

Auf den Transatlantik-Routen, nach Nordamerika z.B., wird knapp die Hälfte des Frachtvolumens mit Frachtmaschinen bedient, der Rest mit Passagierflugzeugen. Ähnlich sieht es auch mit Asien aus, und deshalb ist dort ein riesiges Volumen weggebrochen. Was zu Verzögerungen führte, das Frachtgut, das davon betroffen war, lag erst einmal fest. Das hat unsere Frachter dann voll bestückt, aber wir konnten das auch nicht sofort kompensieren, dadurch ist es zeitweise zu Lieferverzögerungen gekommen.

Wir haben den Vorteil, dass wir eigene Flotten unterhalten. DHL hat verschiedene eigene Airlines und weit über 200 eigene Maschinen. Das schafft natürlich die Möglichkeit, die Flugzeuge auf die Routen zu setzen, wo sie benötigt werden. Viele andere Luftfracht-Unternehmen chartern nur Volumina in Passagier-Flugzeugen. Wenn diese dann nicht mehr fliegen, haben sie auch keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Wir dagegen konnten dieses Phänomen mit eigenen Fliegern relativ gut auffangen.

DHL ist ein Teil der Just-in-sequence-Produktion, muss die nach den jüngsten Erfahrungen überdacht werden?

Ich denke, dass wir es in großen Teilen geschafft haben, dass bei unseren Großkunden keine größeren Produktionsausfälle aufgrund der Zulieferprozesse eingetreten sind. Ich kann mir aber vorstellen, aufgrund dessen was ich von unseren Mitbewerbern gehört habe, dass wieder kleinere Lager eingerichtet werden, um einen gewissen Puffer zu bilden. Die Frage dabei ist, will man dafür Geld in die Hand nehmen oder will man die Lieferketten resilienter machen? Ggf. bestehen zwei oder drei Bottlenecks in einer Lieferkette, aber daran kann man feilen. Wir werden in dieser Sache mit unseren Kunden zusammenarbeiten und möglicherweise auch Lagerhaltung ermöglichen.

Es gibt dennoch andere Themen als die Pandemie, ich nenne Mal den Brexit. Wieweit trifft er sie?

Wir betreuen das Thema Brexit nach wie vor sehr intensiv. In kleinerer Form als für die Pandemie, aber es gibt auch dazu eine Arbeitsgruppe. Da gibt es viele ungelöste Fragen. Denn allein die Verzollung nach Großbritannien ist ein großes Logistikthema. Brexit ist nicht vom Tisch. Zu den Problemen an den innereuropäischen Grenzen aufgrund der Pandemie ist zu sagen, dass die verstärkten Grenzkontrollen vor allen Dingen den Personenverkehr betrafen. Natürlich traf es auch den Lkw-Verkehr, aber die Politik hat sehr schnell reagiert und früh festgestellt, man kann den Warenfluss nicht einschränken sollte. Es gab zwar temporäre Staus z.B. an der polnischen oder tschechischen Grenze, auch in Süddeutschland aufgrund verstärkter Grenzkontrollen, aber das hat sich sehr schnell aufgelöst. Auch die Fahrer waren bei vielen Corona-Maßnahmen außen vor, es gab extra Regelungen für Bedienstete in der Logistik, die den Warenverkehr sicherstellen mussten.

Wie reagieren Sie auf die insgesamt komplizierter werdende Weltlage?

Wir haben in jedem Land ein sogenanntes Country Management, je nachdem wie stark wir in diesem Land aufgestellt sind auch für mehrere Divisionen. Und die Country Manager sind dafür verantwortlich, dass wir vor Ort richtig aufgestellt sind, auch bei Corona. Aufgrund der immer noch sehr unterschiedlichen Rechtsgrundlagen in verschiedenen Ländern, hat man den Country Managern eine große Verantwortung übertragen. Aber auch hier in Deutschland hat das lokale Management eine sehr große Verantwortung, auf die lokalen Gegebenheiten entsprechend zu reagieren und die behördlichen Vorgaben umzusetzen. Aber auch was unsere eigenen Mitarbeiter und Kunden an Sicherheit fordern.

Ihre größten Sorgen für die Zukunft?

Wir sind zwar ein deutsches Unternehmen, schauen aber auf die ganze Welt. Dabei macht mir am meisten Sorgen, dass die gegenwärtige Situation noch lange Zeit anhalten könnte und immer weitere Wellen über die Welt rollen. Dass es also einen ganz großen Impact auf die Wirtschaft geben wird und wir noch sehr lange mit dieser Situation zu kämpfen haben.

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Über den Autor: Redaktion Prosecurity

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