Private Dienstleister können mehr Verantwortung übernehmen

Jens Müller, Geschäftsführer Securitas Deutschland im Interview mit Security Insight

Lesezeit: 6 Min.

09.05.2023

Jens Müller, Geschäftsführer Securitas Deutschland im Interview mit Security Insight

Herr Müller, seit dem Sommer des vergangenen Jahres sind Sie als Geschäftsführer der Securitas auch für den Bereich Public Affairs zuständig. Wie kam es dazu?

Als größtes privates Unternehmen in der Sicherheitsbranche haben wir die Diskussionen um die Rahmenbedingungen der Branche in den vergangenen Jahren sehr genau beobachtet. Es wurde politisch viel angestoßen, aber es gibt auch noch viel zu tun. Ich möchte da beispielhaft das Sicherheitsgewerbegesetz nennen. Wir sehen uns in der Verantwortung, in diesen Prozessen unsere jahrelange und internationale Erfahrung einzubringen.

Und wir sehen das nicht nur als kleine Aufgabe nebenbei, sondern wir wollen hier auch mit der angemessenen Power reingehen. Deshalb haben wir bei Securitas den neuen Bereich Public Affairs geschaffen. Ich bin sehr glücklich, dass ich hier meine vielfältigen Erfahrungen aus der operativen Tätigkeit und aus der Verbandsarbeit einbringen kann.

 

Wo sehen Sie die aktuell wichtigsten Herausforderungen in der Sicherheitswirtschaft?

Wie auch in anderen Branchen ist der Fachkräftemangel und überhaupt die vorhersehbare Verringerung der Erwerbstätigenzahlen eine der größten Herausforderungen. Daneben wird das im Koalitionsvertrag angekündigte Sicherheitsgewerbegesetz dringend benötigt. Es geht dabei beispielsweise um elementare Verbesserungen bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen, höhere Qualifizierungsstandards insbesondere beim Schutz Kritischer Infrastrukturen, die Gleichbehandlung von Inhouse-Security mit dem Sicherheitsgewerbe und die Beleihung von Einsatzkräften zur Unterstützung kommunaler Ordnungsdienste mit niedrigschwelligen Hoheitsbefugnissen.

 

Kritische Infrastruktur ist ein gutes Stichwort, darüber wird derzeit viel diskutiert. Können Sie uns Ihre Position etwas genauer erläutern?

Das vergangene Jahr hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie volatil die Sicherheitslage in Deutschland und Europa ist. Die Sicherheitsarchitektur hierzulande wurde einer gravierenden Belastungsprobe ausgesetzt. Daher ist es entscheidend, dass die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten auf Bundes- und Länderebene gestärkt wird. Auch private Dienstleister wie Securitas können künftig noch mehr Verantwortung übernehmen. Bereits heute agieren wir in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, um deutschlandweit Kritische Infrastruktur abzusichern – so etwa im Luftverkehr, in der Energiewirtschaft und bei der maritimen Sicherheit.

Als größter privater Sicherheitspartner in Deutschland verfügen wir über tiefgreifendes Know-how sowie über Jahre aufgebautes Praxiswissen. Daher begrüßen wir die Bestrebungen der Bundesregierung. Mit dem KRITIS-Dachgesetz wird erstmals ein ganzheitlicher Ansatz im Bereich der Absicherung von Kritischer Infrastruktur verfolgt, der unterschiedlichste Bedrohungsszenarien gleichranging in Betracht zieht.

Die vorliegenden Eckpunkte für das KRITIS-Dachgesetz enthalten jedoch noch wenig konkrete Details zur praktischen Ausgestaltung von Infrastruktursicherheitsmaßnahmen. Aus Sicht von Securitas muss es daher nun darum gehen, einen ganzheitlichen Systemansatz auf den Weg zu bringen, auf dessen Grundlage staatliche Stellen, Betreiber von KRITIS und weitere Beteiligte wie etwa Sicherheitsdienstleister spezifische Lösungen entwickeln können.

Um das Schutzniveau von KRITIS darüber hinaus sektorenübergreifend zu erhöhen, bedarf es einheitlicher Mindeststandards für personelle, technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Diese Standards sind auch bei der Auftragsvergabe an Sicherheitsdienstleister im KRITIS-Bereich maßgeblich. Es gilt von vornherein sicherzustellen, dass Dienstleister und Lieferanten alle gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich erfüllen können.

Wir wünschen uns eine umfassende Debatte zum Gesetzesentwurf über das geplante KRITIS-Dachgesetz mit allen Akteuren. In diese Debatte wollen wir uns gerne einbringen.

 

Wo sind Sie konkret im Bereich KRITIS als Unternehmen aktiv?

Mit unserem Bereich Aviation Security sind wir auf mehreren deutschen Flughäfen, daneben gibt es die maritime Sicherheit, den ÖPNV in München und Hamburg oder die chemisch-pharmazeutische Industrie. Mindestens 11 Sektoren sollen zur Kritischen Infrastruktur zählen und in den meisten ist Securitas seit vielen Jahren mit Sicherheitsdienstleistungen und Sicherheitstechnik vertreten. Neben den oben genannten trifft dies beispielsweise auch auf die Energiewirtschaft, das Bankwesen, die öffentliche Verwaltung und Lebensmittelwirtschaft zu.

 

Was sind weitere wichtige Entwicklungen in der nahen Zukunft?

In der Luftsicherheit sind zukunftsweisende Lösungen gefragt. Wir begrüßen das Frankfurter Modell und sehen darin großes Potenzial für einen bundesweiten Masterplan. Für eine strukturelle Verbesserung an Airports und eine höhere Effizienz muss die Steuerung verbessert werden. Denn je mehr Parteien zusammenarbeiten, desto komplexer werden Entscheidungsprozesse. Es ist also keine Frage nach staatlich oder privat, sondern nach schlankeren Strukturen und vereinheitlichten Standards. Die politische Verantwortung bleibt unverändert. Wir sehen zudem in der Einführung modernster Technik eine große Chance, Prozesse zu optimieren und mittelfristig den branchenübergreifenden Personalmangel besser zu kompensieren. Die deutschen Luftverkehrsdrehkreuze sollten eine Vorreiterrolle bei der Erprobung von neuer Technik zur Beschleunigung und Verbesserung der Prozesse einnehmen. Das gilt es im engen Austausch zwischen Flughafenbetreibern, Bundespolizei, Sicherheitsdienstleistern und den politisch Verantwortlichen auf den Weg zu bringen.

 

Und über die Luftsicherheit hinaus?

Abseits der Luftsicherheit beschäftigt uns beispielsweise die Zukunft von öffentlich-privaten Partnerschaften, etwa wenn es um die Transformation des Vergaberechts geht. Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Partner für Securitas. Unsere Gesellschaften nehmen regelmäßig an Ausschreibungen teil, um unsere Partnerschaft weiter auszubauen und die öffentliche Hand bei ihren Aufgaben zu unterstützen.

 

Es wird immer wieder die stärkere Berücksichtigung von Qualität bei Öffentlichen Ausschreibungen gefordert. Wie kann das aus Ihrer Sicht konkret aussehen?

Ein wesentlicher Baustein muss aus unserer Sicht sein, von reinen Preisvergaben abzurücken und Vergabeentscheidungen eher auf Basis von Qualitätskriterien zu treffen. Dafür sollte Qualität mit mindestens 70 % gewichtet werden. Nur so kann eine qualitative und zuverlässige Leistung der Privatwirtschaft an die öffentliche Hand gesichert werden.

Wir wollen ferner, dass Klima- und Umweltschutzmaßnahmen bei der Vergabe ebenso berücksichtigt werden wie zusätzliche soziale Leistungen (übertarifliche Zulagen, Betriebsrente u. a. m.), die über die Entlohnung nach Tarif hinausgehen. Nachhaltigkeit in all ihren Facetten sollte einfließen, ohne dass dies neuen bürokratischen Aufwand hervorruft.

Die deutsche Securitas-Gruppe begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme beim geplanten Transformationsvorhaben im Vergaberecht und nimmt diese gerne wahr. Trotz zahlreicher Reformen bedeuten Ausschreibungen immer noch einen hohen Aufwand für alle Beteiligten. Dies führt erfahrungsgemäß dazu, dass beide Seiten nicht so wirtschaftlich und qualitativ hochwertig arbeiten können, wie es möglich wäre. Hier muss auf dem Weg der Digitalisierung der nächste Schritt gemacht werden.

Eine letzte Frage zu Ihrem neu geschaffenen Aufgabenbereich: Wie sorgen Sie dafür, dass hier nicht der Verdacht des geheimen Lobbyismus entsteht?

Transparenz ist für uns sehr wichtig. Wir sind im Lobbyregister eingetragen und wollen uns keinen unlauteren Vorteil verschaffen durch unser Engagement. Es geht wie gesagt darum, die umfangreichen Erfahrungen unseres Unternehmens einzubringen. Das stößt dann meist auch auf offene Ohren. Während beispielweise die Verbände (Bundesverband der Sicherheitswirtschaft BDSW, Bundesverband der Luftsicherheit BDLS etc.) die Interessen aller Mitglieder vertreten, macht es Sinn, dass jedes Unternehmen auch für sich eine Interessenvertretung lebendig hält.

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Über den Autor: Redaktion Prosecurity

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