Trendbarometer Videotechnik Intelligenter, verteilter, integrierter
Neue Sicherheitslösungen und Anwendungsmöglichkeiten bietet die Künstliche Intelligenz in der Videoüberwachung Bildquelle: pixabay
Ein paar Kameras, mehr oder minder gute Bilder und ein Aufzeichnungsgerät - diese Zeiten sind lange vorbei. Videoüberwachung ist heute eine vielseitige Technik, die über leistungsfähige Analyse-Intelligenz verfügt und immer mehr mit anderen Sicherheitslösungen vernetzt wird. Ein wesentlicher Treiber der Entwicklung, da sind sich alle Marktteilnehmer einig, ist Künstliche Intelligenz. Sie macht aus Bildpixeln valide Informationen für das Erkennen und Abwehren von Gefahren, und sie wird dabei immer vielseitiger und treffsicherer. Das erhöht nicht nur die Effizienz bei klassischen Sicherheitsaufgaben, sondern eröffnet auch neue Anwendungsmöglichkeiten, vor allem wenn die Bildanalyse horizontal mit anderen Daten vernetzt wird. Aktuell sehen viele Hersteller und Errichter hier vor allem in den Hygiene- und Sicherheitsanforderungen zur Pandemiebekämpfung ein großes Potenzial für intelligente videobasierte Lösungen.
Zur Entwicklung gehört, dass mehr Daten gewonnen und verarbeitet werden müssen - zentral, edge-basiert oder in der Cloud. Das bedeutet aber auch mehr Angriffspunkte für Cyberkriminelle und stellt Hersteller, Errichter und Betreiber vor neue Herausforderungen. Das gilt auch für den Datenschutz. Der Umgang mit personenbezogenen (Bild-)Daten erfordert eine sorgfältige Planung von technischen und organisatorischen Maßnahmen, um von Anfang an Rechtssicherheit und Vertrauen zu schaffen. Einer der Schlüssel dazu ist hier beispielsweise der Ansatz, statt biometrischer Daten nur noch Metadaten zu speichern. Um den aktuellen Trends in der Videotechnik nachzuspüren, haben wir Herstellern und Errichtern zwei Fragen gestellt:
Was sind die wichtigsten neuen Möglichkeiten und Anwendungen, die in den kommenden Jahren die Entwicklung der Videoüberwachungstechnik bestimmen werden?
Welche Risiken hinsichtlich Cybersicherheit und Datenschutz sind damit verbunden und wie lassen sie sich minimieren?
Statement Mario Pfeiffer, Teamleiter Intelligente Videoüberwachung, VST GmbH
Maschinelles Lernen und Deep Learning sind inzwischen breit und zu erschwinglichen Preisen verfügbar, die Nutzung wird daher in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen. Sie wird dazu beitragen, Objekte besser zu identifizieren und Fehlalarme zu reduzieren, infolgedessen können Sicherheitsexperten anstelle einer kontinuierlichen manuellen Überwachung zu einer proaktiven, ereignisbasierten Arbeitsweise übergehen. Ein weiterer Aspekt in der Videoüberwachung ist die Nutzung der Möglichkeiten von Edge Computing. Dadurch, dass immer mehr Funktionen auf den angeschlossenen Geräten selbst durchgeführt werden und die Auswertung so nah wie möglich am Sensor geschieht, wird das Datenvolumen in der Übermittlung und vor allem auf den Speichermedien geschont, was in der Praxis ein erheblicher Vorteil ist.
Corona führt zu einem weiteren Schub beim Einsatz von berührungsarmen oder berührungslosen Technologien. Immer mehr Krankenhäuser und Behörden setzen beim Zugang eine kontrollierte Anmeldung via QR-Code in Verbindung mit einer Hautoberflächen-Temperaturmessung ein. Auch in Bereichen wie Kino, Konzerte, Theater, aber auch bei Märkten oder Festen können auf diese Weise Anmeldungen und Zugänge viel effizienter und mit erheblich geringerem Personaleinsatz geregelt werden. Solche Anwendungen werden deutlich zunehmen.
Darüber hinaus sehen wir auch jenseits des klassischen Sicherheitsmarktes immer mehr Einsatzfelder für intelligente Videotechnik. In der Industrie können Kameras zur Brandfrüherkennung genutzt werden. Weiterhin können die von Maschinen erzeugten Daten ergänzt und so mehr Auswertungsmöglichkeiten geschaffen werden, um Prozesse zu optimieren, Ausfallzeiten zu reduzieren und die Transparenz in der Produktion zu erhöhen.
Beim Thema Cybersicherheit kommen die Vorteile des Edge Computing zum Tragen. Da die Auswertung nicht in einer Cloud oder einem externen Server erfolgen muss, bleibt die Information im internen Netz. Auch beim Einsatz von optischen Systemen im Bereich Industrie 4.0 bleibt die Information „on premise“ und kann mit bekannten Verfahren stark abgeschirmt werden.
Da jede Videoaufnahme grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Bürgers darstellt, muss eine Videoüberwachungsanlage auch hinsichtlich datenschutzrechtlicher Belange ausgelegt werden. Viele Betreiber sind sich der DSGVO und ihrer Notwendigkeit bewusst. Über externe Gutachten lässt sich schon in der Konzeptphase Rechtssicherheit herstellen. Die technische Umsetzung ist im Einzelfall individuell abzustimmen, bei entsprechender Beurteilung und Auslegung ist eine DSGVO-konforme Videoüberwachung jedoch meist möglich. Erleichtert wird der Datenschutz dadurch, dass zunehmend Metadaten bzw. Edge-Computing genutzt werden, das heißt es ist nicht mehr zwingend erforderlich, optische Informationen zu speichern. In jedem Fall ist für eine breite Akzeptanz der Videoüberwachung eine frühzeitige Kommunikation mit allen Beteiligten, also etwa Geschäftsleitung, Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte, notwendig.
Statement Matthias Wolff, Geschäftsleiter, LUPUS-Electronics
In Zukunft wird vor allem künstliche Intelligenz in puncto Videoüberwachungstechnik einen entscheidenden Faktor darstellen. Mittels intelligenter Algorithmen werden Kameras zunehmend in der Lage sein, Situationen in Echtzeit zu analysieren, zu beurteilen und, falls eine analysierte Situation es nötig macht, eine entsprechende Aktion einleiten zu können. Insbesondere hinsichtlich der Gefahrenerkennung und -prävention werden wir dadurch einen deutlichen Schub erleben. Zum Teil sind diese Technologien ja schon auf dem Markt, z.B. Branderkennung, Täteransprache und verdächtiges Verhalten und dort, wo möglich, sogar Personenerkennung.
Diese Risiken schwingen natürlich immer mit und müssen von Herstellern entsprechend bedacht werden, vor allem die Angst vor unrechtmäßigem Abfangen von Daten. Wichtig ist es, nicht auf Sicherheitsstandards zu setzen, sondern stets innovative neue Sicherheitsmaßnahmen zu kennen, besser noch zu entwickeln, und in seinen Produkten zu verbauen. Zum Beispiel lässt sich bei der Gesichtserkennung für komplexe Zutrittskontrollsysteme mit gehashten Daten arbeiten. Konkret bedeutet das, dass eine Videoüberwachungskamera das von ihr aufgezeichnete Bild in ein Muster verwandelt und dieses wird wiederum mit Mustern, die auf einem Server gespeichert sind, abgeglichen. Biometrische Daten werden hier also weder verschickt, noch verwendet, sondern es werden lediglich Muster verglichen, die keinen Rückbezug zu dem eigentlichen Bild mehr zulassen. So lässt sich vollkommen anonymisiert feststellen, wer beispielsweise in einen geschützten Bereich Zutritt hat und wer nicht.
Statement Ilja Bier, Leiter Videoanalyse, Securiton Deutschland
Methoden des maschinellen Lernens wie Neuronale Netze und Deep Learning machen die Videoanalyse und damit Videoüberwachungsanlagen immer intelligenter und bilden die Grundlage für künstliche Intelligenz. Diese Methoden bringen Verbesserungen für bestehende Videoanalysen, z.B. in der Perimetersicherung. Sie sorgen neben der Erhöhung der Detektionssicherheit vor allem für die Senkung der Fehlalarmquote, da sie erkennen, welche Vorfälle nicht sicherheitsrelevant sind. Zum Beispiel Bäume, die sich im Wind bewegen, lösen keinen Alarm aus; genauso wenig wie das Spinnennetz, das sich vor der Überwachungskamera befindet. Diese Reduktion von Fehlalarmen entlastet den Operator, seine Aufmerksamkeit bleibt hoch, da er sich nicht um unendlich viele falsche Alarme kümmern muss. Gleichzeitig hat man durch die Neuronalen Netze ein mächtiges Werkzeug, um neue Analysearten zu realisieren, z.B. die Erkennung und Verfolgung von Drohnen. Auf Neuronalen Netzen basierende Videoanalyse benötigt allerdings eine deutlich höhere Rechenleistung, die normale Server nicht erbringen. Lösungsansätze hierfür sind der Einsatz entsprechend leistungsfähiger Hardware, was deutliche Mehrkosten erzeugt, oder die Integration der Neuronalen Netze direkt in die Kamera, wofür diese allerdings ebenso entsprechend leistungsfähig sein muss. Die dritte Möglichkeit, und diese scheint die wahrscheinlichste zu sein, man verlegt die Ausführung der Neuronalen Netze in die Cloud, denn dort hat man beliebige Rechenpower zur Verfügung. Neben immer besseren Analysen wird in Zukunft auch die Datenfusionierung aus den verschiedensten Detektionssensoren, und nicht nur den Kameras, zur umfassenden Verfolgung und Wiedererkennung von Personen oder Objekten eine Rolle spielen.
Durch verteilte Anwendungen auf Kameras oder in der Cloud erhöht sich die Zahl der Angriffspunkte auf Videosicherheitssysteme. Dem kann man durch konsequente und starke Ende-zu-Ende Verschlüsselung der Datentransporte entgegenwirken. Hacker, die versuchen ins IT-System der Kameras oder des Servers einzubrechen, können zum Beispiel durch ein Intrusion Detection System erkannt werden. Hierbei werden wiederum Machine Learning Techniken wie Deep Learning immer höhere Sicherheit liefern. Was den Einsatz von Cloud-Lösungen betrifft, so haben viele Anwender Bedenken, öffentlich verfügbare Cloud-Dienste zu nutzen. Hier kann man durch die Wahl eines seriösen Anbieters, der die Infrastruktur durch Signaturen, Zertifikate und verschlüsselte Übertragung sichert, vorbeugen. Ein wesentlicher Faktor ist hier natürlich auch der Standort der Server. Befinden sich diese in Ländern, die der strengen DSGVO (respektive der internationalen GDPR) unterliegen, findet der Anwender seine Daten entsprechend geschützt.
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