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Zum Entwurf der neuen Ökodesign-Verordnung

07.12.2022
Umfassender Anwendungsbereich des Entwurfs der Ökodesign-Verordnung 
Foto: Pixabay
Umfassender Anwendungsbereich des Entwurfs der Ökodesign-Verordnung Foto: Pixabay

Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission den Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung[1] veröffentlicht, die in Zukunft die bisherige Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) ersetzen und damit unmittelbar verbindlich in allen Mitgliedsstaaten gelten soll. Der neue Entwurf der Ökodesign-Verordnung ist Ergebnis des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft, der als Teil des europäischen „Green Deal“ zum Erreichen einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft und Verbesserung der Ressourceneffizienz durch die Europäische Kommission ins Leben gerufen wurde. Ziel der Kommission ist es, nachhaltige Produkte auf dem EU-Markt zur Norm zu machen und ihre Umwelt- und Klimaauswirkungen insgesamt zu verringern. Dabei sieht der Vorschlag weitreichende Änderung gegenüber der bisherigen Richtlinie vor, die im Folgende kurz skizziert werden. 

Umfassender Anwendungsbereich des Entwurfs der Ökodesign-Verordnung

Hervorzuheben ist mit Blick auf den Entwurf der Ökodesign-Verordnung zunächst der massiv ausgeweitete Anwendungsbereich. Nicht mehr allein für energieverbrauchsrelevante Produkte, sondern für alle physischen Waren sollen die Regelungen der neuen Ökodesign-Verordnung künftig gelten. Dabei ist bemerkenswert, dass nunmehr – anders als in den produktrechtlichen Harmonisierungsvorschriften bislang üblich – grundsätzlich auch Bauteile und Zwischenprodukte in den Regelungsbereich der Verordnung einbezogen werden. Die Verordnung behält allerdings den in der geltenden Ökodesign-Richtlinie getroffenen Ansatz, konkrete Anforderungen an die Nachhaltigkeit produktgruppenspezifisch durch delegierte Rechtsakte festzulegen, bei; solange für bestimme Produktgruppen daher noch keine Durchführungsrechtsakte erlassen wurden, finden die Vorschriften grundsätzlich keine Anwendung.

Ökodesign-Anforderungen

Zudem werden in dem Entwurf eine Reihe neuer wesentlicher Produktaspekte eingeführt, zu denen unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten Vorgaben für die jeweiligen von einem Durchführungsrechtsakt erfassten Produktgruppen getroffen werden können und teilweise getroffen werden müssen müssen. Zukünftig sollen Durchführungsmaßnahmen – soweit dies für die jeweilige Produktgruppe in Frage kommt ­– die folgenden Produktaspekte verbessern:

  • Langlebigkeit und Zuverlässigkeit,
  • Wiederverwendbarkeit,
  • Nachrüstbarkeit, Reparierbarkeit, Wartung, Überholbarkeit,
  • Vorhandensein von bedenklichen Stoffen,
  • Energie- und Ressourceneffizienz,
  • Anteil recycelter Materialien am Produkt,
  • Möglichkeit der Wiederaufbereitung und des Recyclings,
  • CO2-Fußabdruck und ökologischer Fußabdruck und
  • erwartetes Abfallaufkommen.

Verhältnis zu anderen Rechtsakten, insbesondere zur CPR

Durch den erweiterten Anwendungsbereich der Ökodesign-Verordnung stellen sich Fragen nach dem Verhältnis zu anderen, bereits existierenden Produktrechtsakten. Ausweislich der Begründung soll das lex specialis- Prinzip zum Tragen kommen: Die speziellere Norm verdrängt dabei die allgemeinere Regelung. So dürfte bspw. die neue, sich in Erarbeitung befindende EU-Batterie-Verordnung die Regelungen der Ökodesign-Verordnung verdrängen.

Differenzierter muss jedoch das Verhältnis zu der ebenfalls im Entwurf vorliegenden neuen Bauprodukten-Verordnung (CPR) in den Blick genommen werden. Bauprodukte fallen zwar in den Anwendungsbereich der Ökodesign-Verordnung, entsprechende Ökodesignanforderungen sollen jedoch auch weiterhin nach den Vorgaben der (neuen) Bauprodukte-Verordnung erlassen werden, weil die produktspezifischen Regelungen der Bauprodukten-Verordnung den Regelungen der Ökodesign-Verordnung grundsätzlich vorgehen. Anders soll dies nach Auffassung der Kommission jedoch im Hinblick auf energieverbrauchsrelevante Bauprodukte (Fenster, Außentüren etc.) sein. Hersteller von energieverbrauchsrelevanten Bauprodukten müssten dann also bezüglich den Ökodesign-Aspekten ihrer Produkte die Ökodesign-Verordnung in Verbindung mit ggf. bestehenden Durchführungsrechtsakten und bezüglich des spezifischen Charakters als Bauprodukt zudem auch die Anforderungen der Bauprodukte-Verordnung beachten.

Informationsanforderungen

Der Entwurf der Ökodesign-Verordnung legt viel Wert auf die Vermittlung von Produktinformationen. So regelt der Entwurf in Artikel 7 spezifische Informationsanforderungen und in den Artikeln 8 ff. die Art und Weise der Informationsvermittlung, etwa über einen digitalen Produktpass oder ein Produktlabel. Zukünftig sind gemäß Artikel 7 erweiterte produktspezifische Informationsanforderungen zu erfüllen, die dafür sorgen sollen, dass Umweltauswirkungen der Produkte klar erkennbar sind. Die Anforderungen beziehen sich dabei auf unterschiedlichste Aspekte der Ökodesign-Verordnung. So sind etwa gemäß Artikel 7 Absatz 5 Angaben zu besorgniserregenden Stoffen zu machen, welche die Ökodesign-Verordnung in Artikel 2 Absatz 28 unter Verweis auf die REACH-Verordnung 1907/2006/EG sowie die CLP-Verordnung 1272/2008/EG näher definiert. Die Regelung geht dabei noch weit über Artikel 33 der REACH-Verordnung hinaus, da als Mindestangabe nicht nur der Name des entsprechenden Stoffes genannt werden muss. Vielmehr müssen mindestens die folgenden Angaben gemacht werden: Name, Konzentration, der Ort, an dem sich die bedenklichen Stoffe im Produkt befinden, Sicherheitsinformationen sowie für die Demontage relevante Informationen. Auch sollen Informationen zur Installation, zur Verwendung oder zur Reparatur enthalten sein, um diese Vorgänge für Konsumenten zu erleichtern. Weiterhin soll die Arbeit von Verwertungsbetrieben erleichtert werden, indem wichtige Informationen zur Demontage, zum Recycling oder zur Entsorgung der Produkte zukünftig mitgeteilt werden müssen.

Digitaler Produktpass

Maßgebliche Neuerung zur Umsetzung der Informationsanforderungen aus Artikel 7 ist der digitale Produktpass, der im dritten Kapitel der Ökodesign-Verordnung (Artikel 8 ff.) geregelt ist. Zukünftig müssen Produkte, die unter den Anwendungsbereich eines Durchführungsrechtsaktes fallen über einen solchen digitalen Produktpass verfügen, um sicherzustellen, dass die Akteure entlang der Wertschöpfungskette Zugang zu den für sie relevanten Produktinformationen haben. So sollen Produkte leichter repariert oder recycelt und bedenkliche Stoffe einfacher entlang der Lieferkette zurückverfolgt werden können. Ebenso soll damit die Konformitätskontrolle durch die nationalen Behörden erleichtert werden. 

Die EU-Kommission kann dabei in Durchführungsmaßnahmen zukünftig regeln, welche Informationen der digitale Produktpass enthalten muss. Dabei kann sie aus den in Annex III vorgesehenen Informationen wählen, die unter anderem die folgenden Aspekte umfassen:

 

  • Informationsanforderungen, die sich aus Artikel 7 Absatz 2 ergeben,
  • Global Trade Item Number (GTIN) / Identifikationsnummer,
  • Konformitätserklärungen oder Konformitätszertifikate,
  • Technische Dokumentationen,
  • Informationen zum Hersteller,
  • Informationen zum Importeur,
  • Bedienungsanleitungen, Warn- und Sicherheitshinweise,

Zudem regelt die Ökodesign-Verordnung eine Reihe weiterer, auch konkreter technischer Vorgaben für den digitalen Produktpass in den Artikeln 9, 10, 11, 12 und 13, darunter auch die Einführung eines Produktpass-Registers (Art. 12), also einer weiteren Datenbanklösung auf EU-Ebene.

Verhältnis zu bestehenden Durchführungsrechtsakten 

Die bisherigen, in den Durchführungsmaßnahmen nach der RL 2009/125/EG konkretisierten Ökodesign-Anforderungen (ein aktueller Überblick findet sich unter https://netzwerke.bam.de/Netzwerke/Navigation/DE/Evpg/evpg.html)  sollen so lange gelten, bis neue Durchführungsmaßnahmen nach der Ökodesign-VO in Kraft getreten sind. Das heißt, die Anforderungen der RL 2009/125/EG und die der Ökodesign-VO nicht zeitgleich gelten werden, was produktgruppenspezifisch durchaus zu Verwirrungen bei den Wirtschaftsakteuren führen dürfte. Sobald eine Durchführungsmaßnahme nach der der Ökodesign-VO in Kraft tritt, ist davon auszugehen, dass diese etwaige Durchführungsmaßnahmen und Anforderungen nach der RL 2009/125/EG ersetzt. Solange und soweit aber keine Durchführungsmaßnahme nach der Ökodesign-VO in Kraft getreten sind, gelten die Anforderungen der RL 2009/125/EG bzw. der einschlägigen Durchführungsmaßnahme nach der RL 2009/125/EG fort.

Ausblick 

Derzeit aktuell ist noch der Entwurfsstand vom 30.03.2022. Bis zum 22. Juni 2022 gab es einen öffentlichen Konsultationsprozess. Nächster Schritt ist – nach möglichen Änderungen des Entwurfs durch die Kommission – die Befassung des Europäischen Parlaments mit dem Entwurf.

 

[1] Der Text des Verordnungsentwurfs ist auf der Seite der EU-Kommission unmittelbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52022PC0142&from=DE abrufbar.

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Dr. Jens Nusser

Dr. Jens Nusser, LL.M. ist Rechtsanwalt Partner der Sozietät Franßen & Nusser (nusser@fn.legal). Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Produktsicherheits- und Produktumweltrecht sowie im Bereich Unternehmensorganisation und Compliance. Er berät zahlreiche DAX-Konzerne und international agierende mittelständische Unternehmen u.a. zu Fragen des Produktrechts und zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette.