„Hier muss dringend nachgearbeitet werden“

Eventsicherheit ist in jüngster Zeit zu einem wichtigen Geschäftsfeld geworden. Aber das Ordnungshalten in einem Fußballstadion ist eine Herausforderung, die nicht mit Sicherheitsaufgaben auf einer Kirmes oder gar einer Musikveranstaltung verglichen werden kann.

Lesezeit: 7 Min.

02.05.2019

Markige Worte aber keine Lösung zu Ordnerdiensten im Fussball

„Wenn es Fans immer wieder gelingt, Pyrotechnik gleich kiloweise in die Stadien zu schleppen, habe ich meine Zweifel, ob die Einlasskontrollen mit der nötigen Genauigkeit durchgeführt werden. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.“ Harsche Worte aus dem Munde des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU). Den Grund für diese Philippika lieferten Reul die Ausschreitungen von Fans der Berliner Hertha beim Spiel gegen den BVB am 27. Oktober in Dortmund. Wenn es überhaupt angebracht ist, von Fans zu sprechen. Es müsse überlegt werden, so Reul gegenüber der Presse, „wie wir die Einlasskontrollen an den Stadiontoren professionalisieren und ob wir bei Hochrisikospielen nicht personalisierte Eintrittskarten brauchen.“

Der Deutsche Städtetag hatte Ende vergangenen Jahres in einem Positionspapier mit dem Titel „Sicherheit und Ordnung in der Stadt“ explizit festgestellt: „Gewaltsame Auseinandersetzungen sind eine zunehmende Begleiterscheinung von Großveranstaltungen wie Fußballspielen…“ Die rhetorische Frage des Ministers, „ob die Einlasskontrollen mit der nötigen Genauigkeit durchgeführt werden“, ist unverkennbar als Schelte für die Ordnungsdienste zu verstehen. Damit ist ein Thema berührt, dem man jedoch mit markigem Politsprech kaum gerecht wird.

Allein bei der Frage, wie die verbotenen Utensilien – von der Pyrotechnik bis zu Schlagwerkzeugen – ihren Weg in die Fankurven finden, scheiden sich die Geister. Es gibt Insider-Bekenntnisse, dass die Einlasskontrollen mit verschiedenen Strategien ausgehebelt werden. „Ein Klassiker“, so ein Szenekenner in der „Hamburger Morgenpost“, sei es „sich mit 200 Leuten am Eingang zu treffen und so zu drängeln, dass die Ordner nicht dazu kommen, alle einzeln abzutasten.“ Manchmal reisen einige Ultras schon einige Tage vorher zum Spielort, „klettern ins Stadion und verstecken das Brenn-Material“, so das Blatt.

Eventsicherheit ist in jüngster Zeit zu einem wichtigen Geschäftsfeld geworden. Aber das Ordnunghalten in einem Fußballstadion ist eine Herausforderung, die nicht mit Sicherheitsaufgaben auf einer Kirmes oder gar einer Musikveranstaltung verglichen werden kann. Während viele Bundesliga-Begegnungen per se als gewaltbelastet gesehen werden müssen, können sich Sicherheitskräfte bei anderen Veranstaltungen auf eine entspannte und fröhliche Atmosphäre freuen. Allein dieser Umstand dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, warum es so schwer ist, für den Einsatz im Fußballstadion geeignetes Personal zu finden.

Wird die Qualifizierung zum Eigentor?

Mehr noch: Die Bezahlung nach Stunden macht den Dienst im Stadion noch unattraktiver. Denn alle zwei Wochen für vier bis fünf Stunden zum Einsatz zu kommen, verspricht nicht gerade ein üppiges Salär. Und diese Ordnungskräfte – so hat der Deutsche Fußballbund (DFB) beschlossen – müssen außerdem ab sofort auch noch die „Qualifizierung Sicherheits- und Ordnungsdienste“ (QuaSOD) besitzen. Von Seiten des DFB heißt es dazu: „Mit Hilfe von QuaSOD können die Klubs der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga die Mitarbeiter ihrer Ordnungsdienste qualifizieren. Das Qualifizierungsprogramm umfasst neun Module für Veranstaltungsordner, für Führungskräfte und Sonderkräfte sowie weitere Lehr- und Lerneinheiten. Es endet mit einer Prüfung, die bei Bestehen der Qualifizierungsnachweis ist, den jeder Ordner zukünftig erbringen muss, bevor er im deutschen Profifußball eingesetzt werden darf. QuaSOD wurde nach den Vorgaben des DFB von der Firma mybreev realisiert.“ Qualifizierung ist zweifellos ein begrüßenswerter Weg, aber er muss begehbar sein.

„Je nach Risiko-Einstufung der Polizei werden bei Bundesligaspielen zwischen 600 und 800 Ordnern eingesetzt. Derzeit werden rund ein Drittel der Mitarbeiter in Positionen eingesetzt, für die eine Sachkundeprüfung verlangt wird“, wusste die „Kölnische Rundschau“ im April dieses Jahres zu vermelden. Die zusätzliche Belastung dieser rund 22-stündige Schulung werden viele potentielle Einsatzkräfte jedoch nicht in Kauf nehmen, prophezeite ein Betroffener im Gespräch mit Security insight. Denn es gibt eine zusätzliche Hürde: Für den QuaSOD steht am Ende des Online-Unterrichts eine ganz reale Prüfung, von deren Ergebnis es abhängig ist, ob der Bewerber für den Einsatz im Stadion zugelassen wird.

Dabei sind Ordnungskräfte, die über eine feine Antenne für die Befindlichkeiten der unterschiedlichen Akteure verfügen, für die Vereine von enormer Bedeutung. Die Clubs der obersten deutschen Fußball-Liga sind ein buntes Geflecht der Rechtsformen. Die reichen von der Aktiengesellschaft (wie z. B. Bayern München), die GmbH (wie Hertha BSC Berlin) oder die GmbH & Co. KGaA (wie der 1. FC Köln) bis zum althergebrachten e.V. (wie der 1. FC Schalke 04). Die jeweilige Gesellschaftsform hat durchaus Auswirkungen auf die Sicherheitsmaßnahmen. Besonders die Führungsriege der Fußballclubs die nach dem Vereinsgesetz organisiert sind, haben gute Gründe, beim Vorgehen gegen die Fanszene größte Vorsicht walten zu lassen, damit sich dies bei der nächsten Vorstandswahl nicht unangenehm niederschlägt.

Die Fußball-EM 2014 wirft ihre Schatten voraus

Andererseits wird der Ruf nach empfindlicheren Sanktionen durch die Fußballclubs auf ein geteiltes Echo stoßen. Am Profifußball hängen alleine in Deutschland ca. 110.000 Arbeitsplätze, eine Wertschöpfung von knapp 8 Milliarden Euro und Netto-Steuereinnahmen von 2,3 Milliarden Euro. Maßnahmen, die zu harsch in diesen Wirtschaftsmechanismus eingreifen, wird man von staatlicher Seite reiflich überlegen. Mehr Zuckerbrot und nicht die Peitsche ist die Devise des DFB. Dennoch wird man ohne gezieltes und konsequentes Durchgreifen keinen Erfolg gegen gewalttätige Szene haben. Die drei Jahre Haft, die vor wenigen Wochen gegen einen Fortuna Düsseldorf-Hooligan verhängt wurden, trägt zumindest dazu bei, gewisse Rädelsführer für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Die Wirkung solcher Maßnahmen sollte man mit Blick auf kommende Herausforderungen im Auge behalten.

Im September erhielt der DFB den Zuschlag zur Ausrichtung der UEFA-Europameisterschaft 2024. In 10 Stadien sollen die Turnier-Spiele ausgetragen werden, vier davon liegen alleine in Nordrhein-Westfalen, dessen Innenminister Reul so große Nachbesserungen bei den Ordnungsdiensten angemahnt hat. Es verbleiben also noch gut fünf Jahre, um die geforderten Nachbesserungen auf die Beine zu stellen. Dem muss aber wohl auch hinzugefügt werden, dass bei den internationalen Turnieren noch einmal eine andere Konflikt-Dimension ins Spiel kommen kann.

Denn eines muss man sich immer vor Augen halten, es kann auch immer noch schlimmer kommen. Beim Champions-League-Spiel zwischen dem FC Liverpool und dem AS Rom im April hatten sich die italienischen „Fans“ in einem Baumarkt mit Waffen wie z.B. Hämmern eingedeckt. Dann kam es zu Ausschreitungen. Zwei von ihnen werden wegen versuchten Mordes festgenommen.

Ein Blick in unser östliches Nachbarland mag bei so manchem Sicherheitsverantwortlichen Schaudern hervorrufen. „Polnische Hooligans sind europaweit gefürchtet – für ihre Gewalttätigkeit, der mit extremen Rassismus einhergeht. Im polnischen Fußball haben sich die Hooligans mittlerweile fest etabliert. Polnischer Fußballverband und Sicherheitskräfte stehen dem Phänomen weitgehend hilflos gegenüber“, konstatiert der Mitteldeutsche Rundfunk. Zbigniew Boniek, einst gefeierter Kicker der polnischen Nationalmannschaft, ist heute Präsident des polnischen Fußballverbandes. Er verharmlost die Ausschreitungen der polnischen Hooligans und sieht die Verantwortung für die Aggressionsausbrüche unter anderem durch Frust – längeres warten bei den Sicherheitskontrollen vor den Stadien – hervorgerufen. Keine gute Voraussetzung, für das professionellere und gründlichere Beäugen beim Einlass in die Stadien.

Ideen braucht der Fußball(bund)

Dabei ist Deutschland wahrlich nicht Vorreiter im Kampf gegen die Ausschreitungen bei Fußballspielen. Schon vor Jahren notierte die „Hannoversche Allgemeine“: „In Italien kann die Polizei ein Fußballspiel auch ohne Rücksprache mit dem Schiedsrichter abbrechen. In den Niederlanden werden ganze Fangruppen in bestimmten Fällen nicht einmal in die Nähe des Stadions gelassen. Ein Blick über die Grenzen verrät, dass dort teilweise deutlich massiver gegen Fangewalt vorzugehen versucht wird als in Deutschland.“

Wie aber können wirkungsvolle Sanktionen aussehen, ohne die ohnehin oft angespannte Situation zwischen Fans und Vereinen bzw. DFB weiter zu eskalieren. Stadionverbote werden in Ultra-Kreisen eher als Auszeichnung werden, denn als Strafe. „Stadion putzen statt Strafe zahlen“, meldete die Deutschen Presse-Agentur Anfang Oktober. Dort heißt es: „Fußball-Bundesligist FSV Mainz 05 lässt Fans eine vom  Deutschen Fußball-Bund verhängte Strafe in Höhe von 15.000 Euro abstottern. Die 05er einigten sich mit acht Fans, gegen die wegen des Abbrennens von Pyrotechnik ermittelt wurde, auf die Zahlung einer Barsumme sowie die Verrechnung von Arbeitsleistungen, dazu gehören ‚Reinigungsmaßnahmen in der Opel Arena und im Bruchwegstadion‘. Im Gegenzug verzichtet der Bundesligist auf zivilrechtliche Schritte.“ Neue Ideen sind beim Fußball immer ein Schlüssel zum Erfolg.

Bildquelle: pexels

Beitrag teilen

Über den Autor: Peter Niggl

Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight