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Christliche Seefahrt zwischen Klimawandel und Krieg

06.08.2024
Der Klimawandel bereitet dem Panamakanal bereits deutliche Probleme - Foto: www.istockphoto.com
Der Klimawandel bereitet dem Panamakanal bereits deutliche Probleme - Foto: www.istockphoto.com

Eine „Häufung an internationalen Krisen und geopolitischen Problemen“, konstatierte Dr. Tobias Meyer. Wie der Vorstandsvorsitzende der DHL Group am 3. Mai auf der diesjährigen Hauptversammlung des Konzerns in Bonn zusammenfasste, leiden die Menschen „derzeit unter Kriegen, unter anderem in Osteuropa und im Nahen Osten.“ Begleitet von „Spannungen zwischen den USA und China.“ Dazu kämen – so Meyer zum ureigensten Geschäftsfeld – „unter anderem Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer und Staus am Panamakanal wegen Wassermangels.“ Der Klimawandel wirke sich zunehmend auf unser Leben aus, mit konkreten und spürbaren Folgen.

Am selben Tag veröffentlichte das „marineforum“ einen Artikel, in dem es unter der Überschrift „Seehandel: Zwei Nadelchöre mit Einfluss“ auf diese Probleme näher einging. Mit drastischen Worten wird darin die Herausforderung beschrieben, die die beiden – für den Weltwarenhandel zu wichtigen – Kanäle, den Panamakanal und den Suezkanal, treffen.

Schlimmste Dürre seit über 140 Jahren

Die Handelsschifffahrt – auch als Christliche Seefahrt tituliert – hat mit Problemen zu kämpfen. „Der Klimawandel bereitet Panama bereits deutliche Probleme und das derzeit vorherrschende Wetterphänomen El Niño führt zur Verschärfung der Dürreperiode, mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Kapazität des Kanals“, heißt es dort. Normalerweise würden etwa 14.000 Schiffe pro Jahr den Panamakanal passieren, die 600 Millionen Tonnen Waren transportieren und einen Umsatz von über 4,5 Milliarden Euro generieren.

Dann aber schränkte Wasserknappheit die Funktion der künstlichen Wasserstraße ein. Der Internationale Währungsfonds, der die kritische Situation beobachtet, sprach im Spätherbst vergangenen Jahres von der schwersten Dürre seit 143 Jahren. Zwischen Februar und April 2023 war in der Region der Stauseen Gatún und Alajuela erheblich weniger Regen gefallen als erwartet. Diese Stauseen sind jedoch für die Kanalpassagen von existenzieller Wichtigkeit. Von ihnen fließen bei jeder Kanaldurchfahrt rund 250.000 Kubikmeter Süßwasser in die Schleusenanlagen. Dies bedeutet, dass unter Normalbedingungen täglich rund neun Millionen Kubikmeter Süßwasser gebraucht werden. Da dieses Wasser in dieser Menge nicht mehr zur Verfügung steht hat die Verwaltungsbehörde des Panamakanals die Anzahl der Durchfahrten und den maximalen Tiefgang der Schiffe erheblich limitiert.

Vier Millionen Dollar extra bezahlt

Der Verwalter des Panamakanals, Ricaurte Vásquez, schätzt – wie die spanische Zeitung „El País“ bereits Anfang des Jahres schrieb –, dass sie die sinkenden Wasserstände im Jahr 2024 zwischen 500 und 700 Millionen US-Dollar kosten könnten, verglichen mit früheren Schätzungen von 200 Millionen US-Dollar.

Die Staus betreffen, wie die „Frankfurter Allgemeine“ schon im November vergangenen Jahres zu berichten wusste, „vor allem Schiffe mit loser Ware wie Kohle oder Getreide, aber auch Flüssiggas-Tanker. Diese haben offenbar ein besonderes Problem, auf das der Vorstandschef des Logistikkonzerns Flexport, Ryan Petersen, in einem Twitterbeitrag hinwies. Deren Fracht droht sich offenbar in der tropischen Sonne zu verflüchtigen. Deshalb hatte laut Peterson jetzt ein Frachtunternehmen 4 Millionen Dollar bezahlt, um schneller abgefertigt zu werden.“ Gewöhnlich würden die Betreiber für die Slots weniger als eine Million Dollar zahlen.

Einschränkungen im Warentransport durch den Panamakanal treffen vor allen Dingen die USA hart. Ein Frachtschiff, das von New York City nach San Francisco fahren will, benutzt normalerweise den Panamakanal und kommt damit auf eine Strecke von etwa 8370 km. Als Alternative dazu wäre nur die Passage um das Kap Hoorn an der Südspitze Lateinamerikas. Das würde jedoch eine Entfernung von knapp 21.000 km bedeuten, also etwa die Hälfte der Äquatorlänge. Insgesamt wird über den Panamakanal schätzungsweise fünf Prozent des Welthandels abgewickelt.

Zusätzliche Treibstoffkosten: Eine Million Euro

Rund 30 Prozent des weltweiten Containerverkehrs, so das „marineforum“, der etwa 15 Prozent des Welthandels ausmacht, passiert den Suezkanal und generiere „einen Umsatz von fast 9 Milliarden Euro pro Jahr.“ Aufgrund von Raketen- und Drohnenangriffen der Huthi-Rebellen habe sich der Schiffsverkehr auf dieser Wasserstraße im Dezember 2023 und Januar 2024 um rund 42 Prozent reduziert. Das Magazin rechnet vor, was es bedeutet, den alternativen Seeweg einzuschlagen. Die Route von Singapur nach Rotterdam über den Suezkanal ist etwa 15.750 km lang und dauert 26 Tage. Beim Umweg über das Kap der Guten Hoffnung um die Südspitze Afrikas herum würde sich die Reise auf fast 22.000 km und 36 Tage  verlängern. Dabei entstünden zusätzliche Treibstoffkosten für die Hin- und Rückfahrt von fast einer Million Euro.

„Seit Beginn der Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer ist der Transit von Containerschiffen durch den Suezkanal stark zurückgegangen, die durchschnittliche tägliche Anzahl der Schiffe war zwischen Januar und Mitte April um etwa die Hälfte niedriger als im letzten Quartal 2023“, gab das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Ende Mai bekannt. Ob Klimawandel oder kriegerische Handlungen, eine wirkliche Entspannung an den Nadelöhren der Christlichen Seefahrt ist bislang nicht in Sicht.

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Peter Niggl

Peter Niggl, Journalist und Chefredakteur der Fachzeitschrift Security Insight